Effizienter, schneller, transparenter, einfacher zu handhaben und günstiger: Die Stadt Marburg beginnt mit dem neuen Jahr mit der Umstellung auf die Digitalisierung von Rechnungen und Zahlungsanordnungen und profitiert damit von vielen Vorteilen.
„Bislang wird das Kassenbelegarchiv bei der Stadt Marburg in Papierform empfangen, bearbeitet und abgeheftet. Das bedeutet: Alle Rechnungen müssen ausgedruckt und abgeheftet werden. Das ist ein riesiger Aufwand und hoher Papierverbrauch“, erklärt Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Diese Rechnungen wandern dann einmal im Jahr von der Kasse ins Rechnungsprüfungsamt zur Erstellung des Jahresabschlusses. Ist der fertig, wandern die Kisten voller Aktenordner in den Archivraum am Markt 9, wo sie gemäß Gesetz zehn Jahre aufbewahrt werden. Jedes Mal werden Ordner bewegt, die 40 laufende Regalmeter füllen. Mit der elektronischen Rechnungsverarbeitung wird dies der Vergangenheit angehören.
„Außerdem wird die Umstellung auf elektronische Rechnungen dazu beitragen, den Papierverbrauch der Verwaltung weiter zu senken“, erklärt der OB. Im Jahr 2017 haben die Stadtverwaltung und die Hausdruckerei zusammen 6,1 Millionen Blatt Papier im A4-Format verbraucht (davon rund 75 Prozent Recyclingpapier).
Nicht nur das Einsparen von Papier ist ein Vorteil der elektronischen Rechnungen, sondern auch die Effizienz. Alle, die eine Rechnung bearbeiten, prüfen oder ansehen müssen, können die digitale Rechnung zeitgleich am Computer öffnen. Bislang ist die Original-Rechnung mehrere Tage unterwegs, wenn sie zwischen verschiedenen Fachdiensten ausgetauscht werden muss – schon allein weil viele Fachbereiche in unterschiedlichen Gebäuden untergebracht sind. „Bei Stichproben haben wir bis zu 27 Aktionen pro Rechnung festgestellt“, erklärt Dr. Karen Verbist von der Koordinierungsstelle Digitale Verwaltung. In diesen Extremfällen ging die Rechnung in verschiedene Sekretariate, zu mehreren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Fachdienstleitungen und zwischendurch immer wieder in die Botenmeisterei zum Transport zwischen den Fachdiensten an verschiedenen Standorten.
Die digitalen Rechnungen sparen also Zeit, Platz und Arbeitskraft. Sie können schneller bearbeitet und auch angewiesen werden. Außerdem ist der Verlauf transparenter: Es kann schneller von allen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern recherchiert werden, in welchen Bearbeitungsstand sich eine Rechnung befindet.
„Bei der Digitalisierung arbeiten wir von innen nach außen“, erklärt Dr. Verbist. „Stellen wir uns das Ganze wie den Erdaufbau vor: Wir beginnen damit, alle Rechnungen digital abzulegen. Das ist der Kern des Ganzen“, erläutert sie. Dann sei der nächste Schritt, die digitale Bearbeitung der Rechnungen zu ermöglichen – das ist der Erdmantel. Und zum Abschluss die Erdoberfläche: Rechnungen können digital oder als e-Rechnung versendet und empfangen werden.
Fachdienste werden nacheinander umgestellt
Die Stadt Marburg beginnt zum Jahresanfang mit zwei Schritten zugleich: Rechnungen, die bei der Verwaltung eintreffen, werden eingescannt und digital abgelegt. Anschließend können sie von den Beteiligten auch digital eingesehen und weiterbearbeitet werden. Mit der Umstellung starten ab Januar 2019 zunächst die Fachdienste „Unterstützung kommunaler Gremien“, „Personal- Organisations- und Beteiligungsmanagement“, „Technische Dienste“ und „Brandschutz“. Danach werden Schritt für Schritt die weiteren Fachdienste der Stadtverwaltung auf digitale Rechnungsablage und -bearbeitung umgestellt.
„Sobald diese ersten beiden Schritte jeweils bei einem Fachdienst funktionieren, nimmt der jeweilige Fachdienste auch per Mail eingeschickte Rechnungen an und kann Rechnungen selbst digital versenden“, so Verbist. Darüber werden die Fachdienste dann separat ihre Auftragnehmer informieren. „Die Umstellung der gesamten Stadtverwaltung mit rund 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern funktioniert nicht zu einem Stichtag“, erklärt Dr. Nicole Pöttgen, Fachbereichsleiterin Zentrale Dienste, die für die Digitalisierung der Stadtverwaltung verantwortlich zeichnet. „Alle, die mit Rechnungen und Zahlungsanordnungen arbeiten, müssen geschult werden.“ Dazu werde es viele Schulungstermine geben, denn das Bearbeiten von Rechnungen ist in der Marburger Stadtverwaltung dezentral geregelt: Die Fachdienste vergeben selbst Aufträge und bekommen damit Rechnungen direkt an ihre Adresse, einige Fachdienste schreiben auch selbst Rechnungen.
Auch für diejenigen, die der Stadt Marburg Rechnungen einreichen, ist die Digitalisierung attraktiv: Sie sparen Druckkosten, Papier, Umschläge und Porto. „Wer möchte, kann seine Rechnungen aber auch nach wie vor in Papierform schicken. Dann werden sie in der Stadtverwaltung eingescannt und weiterbearbeitet“, betont OB Spies.
Stadt setzt gesetzliche Vorgaben um
Die EU hat bereits 2014 die Richtlinie zur elektronischen Rechnungstellung beschlossen. Damit gibt sie vor, dass etwa bei großen, europaweiten Ausschreibungen e-Rechnungen bei öffentlichen Aufträgen angenommen werden müssen. Die EU-Vorgabe wurde mit einem Bundesgesetz in Deutschland umgesetzt, dass die e-Rechnung in den Kommunen bis zum 27. November 2019 zur Pflicht macht. Aktuell mögliche Formate sind zum Beispiel „x-Rechnung“ und „Zugferd“. Die Bundesdruckerei etwa habe schon umgestellt und versende e-Rechnungen. Diese unterscheiden sich technisch von Rechnungen im PDF-Format: Die e-Rechnung ist ein besonderes, auslesbares Datenformat. Der Computer kann hier die Zahlen und Daten direkt automatisiert strukturiert verarbeiten. Das klappt beim PDF nicht. Die Stadt Marburg werde im nächsten Jahr sowohl PDF als auch e-Rechnungen annehmen.
Nicht betroffen von der Digitalisierung sind zunächst Bescheide, die die Stadt Marburg verschickt. Denn: „Bescheide müssen rechtssicher zugestellt werden. Das werden wir nach wie vor in Papierform machen“, so Pöttgen.
Teil 1:
Einen weiteren Beitrag zur Digitalisierung der Stadtverwaltung Marburg mit dem Thema "Online bewerben" gibt es hier.