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Audioguide Landgrafenschloss

Geschichte

Geschichte des Landgrafenschlosses
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Das Landgrafenschloss und seine Geschichte

Vor mehr als 1000 Jahren wurde die erste Burg auf dem Marburger Schlossberg errichtet. Seitdem wurde sie viele Male um- und ausgebaut. In ihrer wechselvollen Geschichte diente das Schloss als befestigte Wohnburg, als Residenz, als Festung, als Gefängnis und als Archiv. Ihr heutiges Aussehen geht vor allem auf Heinrich I. zurück, der die Marburg im 13. Jahrhundert zur Residenz der Landgrafen von Hessen machte. Aus dieser Zeit stammen die Schlosskapelle und der Fürstensaal, die zu den Spitzenleistungen der hessischen Architekturgeschichte zählen. Im späten 15. Jahrhundert unter Wilhelm III. entstand der Wilhelmsbau im Osten, der heute das Museum für Kulturgeschichte der Philipps-Universität beherbergt.

Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Festung Marburg mehrfach auf die Probe gestellt. Daraufhin wurden die Verteidigungsanlagen ausgebaut. Trotzdem wechselte das Schloss im Siebenjährigen Krieg sechsmal den Besitzer. Nach mehrfachen Belagerungen wurde die Festung geschleift. Reste ließ Napoleon sprengen.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Landgrafenschloss für gut 50 Jahre zu einem Gefängnis degradiert. Im einem „Stockhaus für Eisensträflinge“ verbüßten bis zu 233 Häftlinge ihre Strafen. Die Eisensträflinge hießen so, weil sie vier Kilo schwere Eisenketten an ihren Füßen trugen, mit denen sie zwar arbeiten, aber nicht fliehen konnten. Bessere Haftbedingungen hatte Sylvester Jordan, der liberale Marburger Staatsrechtsprofessor und Vater der hessischen Verfassung von 1831. Er war hier jahrelang wegen Hochverrats eingekerkert – angeblich, weil er sich am Frankfurter Wachensturm beteiligt hatte. Aber auch er litt später schwer unter den Folgen der Haft.

Nach der Annexion Kurhessens durch Preußen wurde das Gefängnis 1869 geschlossen. Stattdessen zog das Preußische Staatsarchiv in die herrschaftlichen Gemäuer. Knapp 70 Jahre wurden hier Dokumente aus der hessischen Geschichte verwahrt. Seit 1946 gehört das Schloss zur Universi-tät.

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Fürstensaal

Fürstensaal
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Der Rundgang beginnt im Fürstensaal, der als einer der schönsten und größten weltlichen Säle der europäischen Gotik gilt. Der Raum mit den hohen Glasfenstern wurde Ende des 13. Jahrhunderts errichtet. Er spiegelt das Selbstbewusstsein von Landgraf Heinrich dem I. wider, einem Enkel der heiligen Elisabeth, der die Burg zu seiner prachtvollen Hauptresidenz machte. In der größeren Nische an der Nordseite stand wahrscheinlich einst sein Thron. Aus dem Fenster dahinter konnte er direkt auf die Elisabethkirche schauen, in der seine berühmte Großmutter begraben lag. Der beeindruckende Saalbau, den er einst über eine große Freitreppe betreten konnte, diente vor allem für Empfänge und Feste. Bis heute gibt es hier Theater, Konzerte und noble Empfänge – etwa für den Dalai Lama, der 2009 nach Marburg kam.

Vier achteckige Pfeiler stützen das Gewölbe des Fürstensaals. Etwas rätselhaft sind die Schlusssteine, die Blattwerk, aber auch Mäuse zeigen, aus denen Blätter wachsen, sowie Köpfe mit übergroßen Ohren, Weintrauben und Blättern. Die historistischen Wappenschilde hängen erst seit dem späten 19. Jahrhundert im Fürstensaal. Aus der Renaissance stammt das kunstvoll gefertigte Holzportal. Heute gelangen Sie durch diese Tür in den Westsaal.

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Westsaal (Burg in der Burg)

Westsaal
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Der Westsaal bietet ungewöhnliche Einblicke in die Geschichte des immer wieder ausgebauten Schlosses. Durch eine Glaspyramide und verglaste Bodenplatten schauen Sie auf eine archäologische Sensation, die erst während einer Renovierung 1989 entdeckt wurde – eine Burg in der Burg. Dabei handelt es sich um bis zu acht Meter hoch aufragende, freigelegte Mauern einer Burg aus der Zeit um 900. An dieser Stelle stand der Wohnturm. Bei den Grabungen entdeckten die Archäologen auch mittelalterliche Spiele wie Tric Trac, eine französische Variante von Backgammon – allerdings aus Knochenscheiben, Blech und Kupfer.

In der nordwestlichen Ecke des Westsaals versteckt sich eine mittelalterliche Toilette. Durch das kleine Fußbodenfenster sehen Sie den Abortschacht, der in einer Öffnung am Fuß des Westflügels endet. Er lag damals in einem toten Winkel.

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Religionsgespräch

Religionsgespräch
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Im Südflügel wurde einst Weltgeschichte geschrieben: 1529 fand hier das berühmte Marburger Religionsgespräch um die Bedeutung des Abendmahls statt. Mit dabei waren Martin Luther, Huldrych Zwingli und Philipp Melan-chthon.

Landgraf Philipp hatte es einberufen, um die zerstrittenen protestantischen Glaubensrichtungen zu einen. Dabei ging es vor allem um die Frage, wie die Worte „Das ist mein Leib“ zu verstehen seien. Huldrych Zwingli sah in Brot und Wein lediglich symbolische Zeichen, die daran erinnerten, dass Christus seinen Leib und sein Blut hingegeben hatte. Dagegen lehrte Luther, dass das Brot im Abendmahl zwar wie Brot schmecke und Brot sei. Es handele sich aber dennoch zugleich um den Leib Christi, der in Brot und Wein gegenwärtig sei.

Mal in Zweier-, mal in Vierergruppen, vor allem aber in Form einer „Podiumsdiskussion“ versuchten die Kontrahenten vier Tage lang, ihren Streit zu klären. Mehr als 30 Geistliche, Staatsbeamte und Professoren waren dabei. Doch in der Grundsatzfrage konnten sich Luther und Zwingli nicht einigen. Immerhin unterschrieben sie 14 Konsenspunkte. Es blieb die einzige persönliche Begegnung zwischen Luther und Zwingli.

Heute können Sie den Ort des berühmten Marburger Religionsgesprächs quasi unter ihre Füße nehmen. Die früheren Privatgemächer des Landgrafen liegen ein Stockwerk unter dem Südsaal, der wechselnde Ausstellungen zeigt.

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Schlosskapelle

Schlosskapelle
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Über eine schmale Treppe führt der Rundgang zur gotischen Schlosskapelle, in der sich einst nur die Landgrafen und ihre Familien zu Andachten und Gottesdiensten trafen.

Die 1288 geweihte Kapelle beeindruckt durch ihre Farben. Die roten, goldenen und weißen Töne strahlen vor allem, wenn die Sonne durch die acht schlanken, reich verzierten Fenster fällt. Von den rosafarbenen Wänden heben sich die weißen Rippen des prächtigen Kreuzrippengewölbes ab. Original erhalten ist der aus kleinen Tonplättchen bestehende Mosaikfußboden. Die Westnische zwischen den beiden Zugängen wird durch ein großes Wandbild des heiligen Christophorus eingenommen. Das Bildnis zeigt den Heiligen beim mühsamen Durchschreiten eines Flusses. Auf seinem linken Arm sitzt Christus in der Gestalt eines bärtigen Erwachsenen. Zu seinen Füßen schwimmt allerlei Getier. Das Christophorusbild sollte den Menschen im Mittelalter helfen, die Gefahren des Tages zu überstehen.

In dieser Schlosskapelle predigten sowohl Luther als auch Zwingli – allerdings ohne Abendmahl.

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Stipendiatenanstalt

Stipendiatenanstalt
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Wohnen im Schloss? Zumindest im Marstall, im Zeughaus und der Schmiede ist das möglich. Die Nebengebäude des Landgrafenschlosses beherbergen heute das älteste evangelische Studierendenwohnheim Deutschlands – die Hessische Stipendiatenanstalt. Landgraf Philipp richtete sie einst ein, um begabte, aber mittellose Landeskinder zu fördern. Damit wollte er möglichst viele protestantische Pfarrer, Lehrer und Ärzte ausbilden.

Heute ist das Wohnheim längst selbst verwaltet. Aber ein kleiner Teil der Bewohner wird noch immer wie in den Gründertagen als Stipendiaten aus den kurhessischen Städten geschickt. Deswegen finden sich die Namen der beteiligten Städte noch heute auf den Zimmertüren: Bad Hersfeld, Zierenberg oder Kassel ist dort lesen.

Die meisten der 39 Bewohner werden indes von der Hausversammlung ausgewählt. Erwartet werden soziale Dienste – etwa in der Küche, in der Bibliothek oder im Garten. Dafür gibt es ein reges Hausleben, günstige Zimmer und ein besonderes Flair.

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Kasematten

Kasematten
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Marburg hat heute die größte, noch erhaltene Festungsanlage Hessens. Fünf Kasematten durchziehen den Schlossberg. Die unterirdischen Geschützkeller wurden nach den Plänen des Architekten Wilhelm Dilich gebaut, der Burg und Stadt zu einer sternförmigen Festung ausbauen wollte. Einen kleinen Teil davon verwirklichten die Landgrafen im Dreißigjährigen Krieg. Rund 100 Jahre später wurde der Schlosspark mit Gräben, Mauern, Schanzen und Kasematten ausgestattet. Trotzdem zogen während des Siebenjährigen Krieges abwechselnd französische und alliierte Truppen ins Schloss. Die landgräfliche Familie blieb der Festung Marburg in dieser Zeit gänzlich fern und verfolgte die glücklosen Kämpfe aus dem fernen Kassel.

Dagegen litten die armen Tagelöhner und Soldaten, die das Schloss verteidigten, sehr: Wer länger in den Kasematten arbeitete, holte sich schwere Lungenerkrankungen, weil die Luft von den beißenden Schwefeldämpfen des Schießpulvers erfüllt war. Viele zogen sich geplatzte Trommelfelle zu, weil die Schüsse in den unterirdischen Verteidigungsanlagen extrem laut hallten.

Heute ist es indes so still in den Kasematten, dass selbst die streng geschützten großen Mausohren und die Fransenfledermäuse in den Kellern leben. Führungen gibt es deshalb nur im Sommerhalbjahr – jeden Samstag ab 15.15 Uhr.

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Hexenturm

Hexenturm
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Im Nordwesten des Schlosses steht der Hexenturm, der zu den Verteidigungsanlagen gehört. Der Rundbau wurde Ende des 15. Jahrhunderts als Geschützturm errichtet, aber schon 50 Jahre später zum Gefängnisturm umgebaut. Bis heute lassen sich die dunklen, feuchten Zellen bei Führungen besichtigen.

In der frühen Neuzeit kerkerte man hier auch Frauen ein, die der Hexerei bezichtigt wurden. Dabei diente der Turm für die Verhöre, die sich über viele Monate hinziehen konnten. Wie viele Frauen hier gequält wurden, ist

nicht bekannt.

Sicher ist indes, dass der Schustergeselle Ludwig Hilberg der letzte Insasse war, der im Hexenturm auf seine Hinrichtung wartete. Der 24-Jährige hatte seine schwangere Geliebte Dorothea Wiegand ermordet. 1864 wurde er auf der Richtstätte am Rabenstein enthauptet.

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Schlossbrunnen

Schlossbrunnen
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Glaubt man der Legende, waren es zwei Gefangene, die den Schlossbrunnenschacht vor rund 800 Jahren gruben. Die Freiheit hatte man ihnen dafür versprochen. Doch als sie nach sieben Jahren wieder ans Tageslicht ge-langten, fiel der eine tot um, der andere erblindete – so jedenfalls die Legende.

Verbürgt ist indes: Als Landgräfin Hedwig Sofia den alten Brunnenschacht in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erneuern ließ, musste bis unter die Talsohle gegraben werden, um auf das Grundwasser in rund 100 Meter Tiefe zu stoßen. Und der Schlossbrunnenmeister brauchte acht bis zehn Mann, um das kostbare Nass aus dem Schacht heraufzuhieven. Allein die Kette, an der die Wassereimer hochgezogen wurden, soll 17 Zentner gewogen haben. So verwundert es nicht, dass 1880 eine Pumpe mit Gasmotor in den Brunnen eingebaut wurde. Aber schon wenige Jahre später hatte der Schlossbrunnen endgültig ausgedient.

Wer den Brunnen heute bei einer Führung besichtigt, wird mit einer Installation belohnt: Frei nach dem Grimmschen Märchen „Das blaue Licht“ leuchtet es blau aus der Tiefe.

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