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Ratsinformation

ALLRIS - Vorlage

Beschlussvorlage Stadtverordnetenvers. - VO/3783/2015

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Stadtverordnetenversammlung wird gebeten, folgende Beschlüsse zu fassen:

 

Die während der Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 3 (2) Baugesetzbuch (BauGB) sowie der Beteiligung der Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 (2) BauGB abgegebenen Stellungnahmen zum Bebauungsplan Nr. 24/4, 8. Änderung,Bienenweg“ wurden mit folgendem Ergebnis geprüft:

  • Die unter Nummer 1 bis 4 aufgeführten Stellungnahmen werden nicht berücksichtigt.
  • Der Bebauungsplan Nr. 24/4, 8. Änderung,Bienenweg“ wird gemäß § 10 (1) BauGB als Satzung beschlossen.
  • Die gestalterischen Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 24/4, 8. Änderung,Bienenweg“ werden als Gestaltungssatzung gemäß § 81 Hessische Bauordnung beschlossen.

 

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Sachverhalt

Begründung:

 

Lage des Plangebietes:

Das ca. 3,5 ha große Plangebiet befindet sich im Talbereich des Stadtteiles Marbach und wird von der Emil-von-Behring-Straße im Osten und dem Bienenweg im Westen begrenzt. Nördlicher Abschluss des Bebauungsplanes ist die Brunnenstraße. Das Plangebiet liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 24/4 „Marbach“.

Die Bauzeile entlang der Emil-von-Behring-Straße ist nahezu vollständig mit 2-3 geschossigen Gebäuden unterschiedlichen Baualters bebaut. Der westlich angrenzende Auenbereich des (hier verrohrten) „Marbachs“ ist bis auf Ausnahmen unbebaut und wird überwiegend als Garten- oder Gebäudefreifläche genutzt. Der Hang zum Bienenweg wird durch eine markante, dichte Grünstruktur geprägt.

 

Ziel der Bebauungsplanaufstellung:

Ziel der Bebauungsplanänderung ist es, den Talauenbereich zwischen Emil-von-Behring-Straße und Bienenweg in seiner Funktion als wichtige Frischluftschneise für die Marburger Nordstadt zu sichern und von weiterer luftabflusshemmender Bebauung freizuhalten.

Der Bebauungsplan ist jedoch kein „Verhinderungsbebauungsplan“, der jegliche bauliche Weiterentwicklung ausschließt. Die Festsetzungen sind im Dialog mit dem Ortsbeirat und den Eigentümern so gewählt worden, dass eine Bebauung im kleinen Maßstab ermöglicht wird, ohne dass das oberste Planungsziel, die Sicherung der Funktion als Frischluftschneise, negativ beeinträchtigt wird.

Die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 24/4, 8. Änderung, „Bienenweg“ wird erforderlich, um die genannten Zielsetzungen planungsrechtlich abzusichern.

 

Planungsgrundlage:

Der Planungsbereich befindet sich im Geltungsbereich des seit 1972 rechtskräftigen Bebauungsplanes Nr. 24/4 „Marbach“. Zur Überarbeitung der nicht mehr zeitgemäßen städtebaulichen Entwicklungsziele und zum Aufzeigen von Handlungsfeldern wurde eine Rahmenplanung für den Stadtteil Marbach erstellt, die im Sommer 2001 von der Stadtverordnetenversammlung als Grundlage für künftige Planungen beschlossen wurde.

Am 21. Dezember 2001 wurde als einer der ersten Schritte zur Umsetzung der Rahmenplanziele der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. 24/4, 8. Änderung, „Bienenweg“ von der Stadtverordnetenversammlung gefasst. Die im Aufstellungsbeschluss formulierten Ziele sind aus der Rahmenplanung entwickelt worden. Für den Bereich Emil-von-Behring-Straße/Bienenweg sind dies in erster Linie die Sicherung der Klimafunktion, die Erhaltung der ortsbildprägenden Grünstruktur entlang des Bienenweges und die Verbesse-rung der städtebaulichen Struktur.

Zur Vertiefung der Rahmenplanung und als Grundlage für den Bebauungsplan wurde ein Grünordnungsplan für den gesamten Stadtteil sowie ein klimaökologisches Gutachten für den Bereich des Bebauungsplanes Bienenweg erstellt.

Der Grünordnungsplan aus dem Jahr 2003 bewertet große Teile der auf der Hangfläche zum Bienenweg vorhandenen Gehölzstruktur mit der Wertstufe 3. Diesem Bereich wird damit ein hoher bis sehr hoher ökologischer Wert attestiert. Die hochwertigen Gehölzbestände werden mit kleineren Gehölzflächen der Wertstufe 2, d. h. mit einem mittleren ökologischen Wert verbunden, so dass hier ein zusammenhängender, artenreicher Bewuchs entlang des Bienenweges vorhanden ist. Im südlichen Teil des Plangebietes befinden sich eine Obstbaumwiese sowie einzelne Hochstamm-Obstbäume, die ebenfalls zur Strukturierung und ökologischen Vielfalt beitragen. Obwohl der Grünordnungsplan aus dem Jahr 2003 stammt, kann er als Beurteilungsgrundlage herangezogen werden, da im Bereich Bienenweg zwischenzeitlich keine nennenswerten Eingriffe in die Grünstruktur stattgefunden haben.

Sowohl die Klimastudie zum Bebauungsplan „Bienenweg“ aus dem Jahr 2003 als auch die Aktualisierungen/Ergänzungen zur Klimastudie kommen grundsätzlich zu dem Ergebnis, dass der Bereich zwischen der Emil-von-Behring-Straße und dem Bienenweg eine klimarelevante Durchlüftungszone und Kaltluftabflussbahn darstellen, die nicht nur für den Stadtteil Marbach, sondern insbesondere auch für die nördliche Kernstadt von großer Bedeutung sind. Es wird darauf hingewiesen, dass das Plangebiet bezüglich seiner klimaökologischen Leistungsfähigkeit eine beträchtliche Empfindlichkeit gegenüber Nutzungsänderungen in Form von Flächenversiegelung und Hochbau hat. In der Studie von 2012 wird dargelegt, dass der lokale Abfluss bodennaher Kaltluft durch vorhandene Bebauung in der Kaltluftabflussbahn bereits auffallend gestört ist. Ein weiterer gravierender Verlust an Kaltluftvolumen bzw. an Kaltluftströmungsgeschwindigkeit ist daher aus stadtklimatischer Sicht unbedingt zu vermeiden. Nach Aussage des Klimagutachters muss im Planbereich sichergestellt werden, dass insgesamt die überbaute Fläche nicht noch weiter zunimmt. Weitere bauliche Veränderungen sollen daher lediglich im Bestand stattfinden, bzw. über Rückbau kompensiert werden. Ein Strömungsquerschnitt von mind.

20 m ist von Bebauung freizuhalten.

 

Aktueller Planungsstand:

Die erste Öffentlichkeitsbeteiligung im Bauleitverfahren wurde vom 25. Februar bis 08. März 2013 durchgeführt. Der Bebauungsplanentwurf sah zunächst keine neuen Bauzonen vor, sondern beschränkte sich darauf, den Gebäudebestand bis auf zwei in der Kaltabluftbahn liegende, ehemalige Gewerbegebäude planungsrechtlich abzusichern.

Aufgrund der gegenüber dem rechtskräftigen Bebauungsplan Nr. 24/4 stark eingeschränkten Bauoptionen wurden von Seiten verschiedener Eigentümer Einwände gegen diesen Entwurf vorgebracht.

Der Ortsbeirat Marbach hat auf seiner Sitzung am 26. Februar 2013 dem Bebauungsplanentwurf unter der Bedingung zugestimmt, dass bei Sicherung der Funktion als Frischluftschneise weitere Bauoptionen geprüft werden sollten.

Von städtischer Seite wurde eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen vorgenommen, indem auf der Grundlage des Klimagutachtens drei weitere Bauoptionen außerhalb des klimarelevanten Bereiches im kleinen Umfang in den Plan aufgenommen wurden. Die zusätzlichen Bauoptionen wurden vom Klimagutachter untersucht, um die Sicherung der vorhandenen Frischluftschneise als oberstes Ziel der Bebauungsplan-aufstellung nicht negativ zu tangieren.

Über eine gewünschte Bauoption auf dem Grundstück Emil-von-Behring-Straße 37/37a wurden intensive Verhandlungen zwischen Eigentümer und Universitätsstadt Marburg geführt. Das auch vom Gutachter mitgetragene Ergebnis der Verhandlungen war, dass eine zusätzliche Bauoption auf dem rückwärtigen Grundstücksteil mit genau definierter Gebäudekubatur eröffnet werden kann, wenn zuvor das Gebäude 37a so zurückgebaut wird, dass ein Frischluftkorridor von mind. 20 m erhalten bleibt.

Die mündlich getroffene Vereinbarung mit dem Eigentümer konnte leider nicht in dieser Form schriftlich abgeschlossen werden. Um einerseits den Zielen des Klimaschutzes gerecht zu werden, auf der anderen Seite die mit dem Klimagutachten abgestimmte Bauoption nicht aus dem Entwurf streichen zu müssen, soll in dem Bebauungsplan ein sog. „aufschiebend bedingtes Baurecht“ gemäß § 9 Abs. 2 BauGB festgesetzt werden. Die Bauoption darf somit erst realisiert werden, wenn der notwendige Rückbau erfolgt ist. Die Lage auf dem Grundstück, die Abmessungen und die Höhe des neuen Bauvorhabens sind über das Klimagutachten genau definiert und über die Bauzone und Höhenfestsetzung auch so in den Bebauungsplan übertragen worden.

In der Zeit vom 05. Mai bis 06. Juni 2014 fand die Offenlage des Bebauungsplanes statt. Der Ortsbeirat hat auf seiner Sitzung am 24. Juni 2014 dem Bebauungsplanentwurf einstimmig zugestimmt.

Die zur Sicherung der Bauleitplanung und zur Verhinderung unerwünschter baulicher Entwicklungen von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene Veränderungssperre für den Planbereich endet am 28. März diesen Jahres. Zur Absicherung der Planinhalte ist es daher erforderlich, dass der Bebauungsplan im März d. J. in Kraft tritt.

 

Bei der Aufstellung von Bauleitplänen sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, zu ermitteln und zu bewerten. Die Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gemäß § 1 (7) BauGB wird im Folgenden vorgenommen.

Die unter den Punkten 3 und 4 aufgeführten Stellungnahmen und damit auch die entsprechenden Abwägungen sind nahezu identisch, da beide Anlieger durch das Rechtsanwaltsbüro Becker, Schmidt und Kollegen in Marburg vertreten werden und beiden Stellungnahmen eine gutachterliche Stellungnahme der Umweltconsulting GmbH GEO-NET zugrunde liegt. Da sich die Einwendungen in Nuancen unterscheiden, wird nicht mit Verweisen gearbeitet, sondern die Stellungnahmen werden jeweils ausführlich abgewogen.

 

Ergebnis der Prüfung der während der Offenlage gemäß § 3 (2) und § 4 (1) BauGB eingegangenen Stellungnahmen:

 

1.

Stellungnahme Regierungspräsidium Gießen vom 05.06.2014

 

1.1

Oberirdische Gewässer: Empfehlung zur Erstellung einer Machbarkeitsstudie zum Umfang einer möglichen Offenlegung des verrohrten Marbachs.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.2

Planungsrechtlicher Hinweis:

Ein Hinweis auf einen Umweltbericht und die bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen in der Auslegungsbekanntmachung ist nach § 3 (2) Satz 2 BauGB nicht ausreichend.

 

 

Die Stellungnahme wir nicht berücksichtigt.

 

 

 

Zu 1.1

Aufgrund der originären, mit dem Bebauungsplan verfolgten Zielsetzungen besteht in dieser Hinsicht kein Planungserfordernis.

Eine Offenlegung des gegenwärtig verrohrten Marbaches erscheint zudem als fragwürdig, da die damit verbundenen Arbeiten zum Verlust mehrerer, im direkten Bachbereich wachsenden Hochstamm-Obstbäume führen würden. Problematisch bei einer Öffnung des Marbachs ist ebenfalls der Umstand, dass der Bachlauf bereits an verschiedenen Stellen überbaut ist bzw. die vorhandene Bebauung direkt an den Bachlauf angrenzt. Die notwendigen Flächen befinden sich zudem zum größten Teil in privater Hand.

Der B-Plan setzt den Talbereich als „von Bebauung freizuhaltende Fläche“ fest. Grundsätzlich ist damit bei Vorliegen der Voraussetzungen auch eine spätere Öffnung des Bachlaufes möglich.

 

Zu 1.2

Die Aufstellung des Bebauungsplanes erfolgt als Bebauungsplan der Innenentwicklung nach § 13a BauGB; eine Umweltbericht wurde/wird nicht erstellt. Nach § 13a i. V. m. § 13 (3) BauGB wurde von der Durchführung einer Umweltprüfung, der Erstellung eines Umweltberichtes und von der Angabe nach § 3 (2) Satz 2 BauGB, welche Arten umweltbezogener Informationen verfügbar sind, abgesehen.

 

2.

Stellungnahme Untere Naturschutzbehörde (67.2), vom 05.06.2014

 

„Im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Abriss zweiter ehemaliger Gewerbegebäude und dem von Bebauung freizuhaltenden verrohrten Marbach bietet es sich an, den Marbach in diesem Bereich offen zu legen und den Mühlteich wiederherzustellen“.

 

 

Die Stellungnahme wird nicht berücksichtigt.

 

 

 

Siehe Stellungnahme zu 1.1

3.

Stellungnahme Anlieger vom 03.06.2014

(mit gutachterlicher Stellungnahme GEO-NET)

Die Anlieger werden durch Rechtsanwälte Becker, Schmidt und Kollegen / Marburg vertreten

 

3.1

Das Planungsziel „Erhaltung und Sicherung des lokalen Kaltluststromes und der Frischluftzufuhr für die Marburger Nordstadt“ wird nicht infrage gestellt.

Die im Bebauungsplan verankerte Freihaltung eines 20 m breiten Kalt- und Frischluftkorridors im Bereich der Flste. 35/4 und 35/8 sei jedoch in dieser Breite nicht zwingend zum Erreichen des Planungszieles erforderlich; die diesbezüglichen Festsetzungen seien insofern unverhältnismäßig und abwägungsfehlerhaft.

Vielmehr wird aufgrund technisch bedingter Varianzen von Modell-ergebnissen eine metergenaue Ausweisung von Abstandsflächen als problematisch erachtet und eine geringfügige Abweichung um 3 m von der Vorgabe 20 m durchströmbarer Talquerschnitt als vertretbar erachtet, um die Luftaustauschprozesse aufrecht zu erhalten.

Nach Ansicht des Mandanten und Grundstückseigentümers sei die Sicherung der Frischluftzufuhr für die Marburger Nordstadt durch seine geplanten Baumaßnahmen nach dem vorgelegten Gutachten (GEO-NET) nicht beeinträchtigt.

 

 

 

 

 

 

 

 

3.2

Der Gutachter (GEO-NET) begründet diese Einschätzung bzw. die Unterstellung einer rechtsfehlerhaften Festsetzung zur Freihaltung eines mindestens 20 m breiten Korridors von baulichen Anlagen zu jeder Zeit durch die nachfolgend angeführten 5 Punkte:

 

3.2.1

Die im ÖKOPLANA-Gutachten (auf dem die Festsetzungen des Bebauungsplanes fußen) angenommenen Kaltluftströme sind aufgrund der vorhandenen Beeinträchtigungen durch vorhandene Industrie-/ Gewerbebauten oberhalb des Bauvorhabens anzuzweifeln. Der Kaltlufthaushalt in diesem Talzug ist bereits massiv gestört.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3.2.2

Bei der Begutachtung der vorgesehenen Planung im Bereich des Flste. 35/4 und 35/8 fließt die Summenwirkung mit der bestehenden Kindertagesstätte mit ein; die alleinige Auswirkung des Bauvorhabens kann aufgrund eines fehlenden Prognose-Null-Szenarios ohne Kindertagesstätte nicht adäquat eingeschätzt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3.2.3

Der Beurteilungsort für die Bewertung der bebauungsbedingten Folgeerscheinungen für den lokalen Kaltluftstrom, der in unmittelbarer Nähe zum geplanten Baukörper gewählt wurde, wird kritisiert. Nach GEO-NET wäre ein Bewertungsstandort am Talausgang Marbach zu wählen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3.2.4

Die seitlichen Hangzuflüsse sind ebenfalls relevant.

 

 

 

 

 

 

3.2.5

Es wird die Frage aufgeworfen, ob beim Modellansatz MISKAM Vegetationselemente Berücksichtigung fanden und ob aus den Modellrechnungen die Unterscheidung zwischen einer 17 m und 20 m breiten (= geringfügige Abweichung) Kaltluftabflussbahn abzuleiten ist.

 

 

 

 

Die Stellungnahme wird nicht berücksichtigt.

 

 

 

 

 

 

 

Zu 3.1

Der Gesetzgeber räumt den Belangen des Klimaschutzes und den lufthygienischen und klimatischen Wirkungen eine hohe Bedeutung ein (vgl.

§ 1 (5) u. 1 (6) Nr. 7 Buchst. a BauGB und § 1 (3) Nr. 4 BNatSchG).

So sollen nach § 1 (5) BauGB die Bauleitpläne den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, nicht nur berücksichtigen sondern zu einer Förderung beitragen.

Nach § 1 (3) Nr. 4 BNatSchG sind zur dauerhaften Sicherung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes insbesondere (….) Luft und Klima auch durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu schützen; dies gilt insbesondere für Flächen mit günstiger lufthygienischer oder klimatischer Wirkung wie Frisch- und Kaltluftentstehungsgebiete oder Luftaustauschbahnen ….

Der Deutsche Städtetag (2012) hat in seinem Positionspapier „Anpassung an den Klimawandel – Empfehlungen und Maßnahmen der Städte“ als gegensteuernde Maßnahmen z. B. vorgeschlagen: Im gesamten Stadtgebiet sollen die zur Belüftung der innenstadtrelevanten Kaltluftschneisen ermittelt, erhalten und in ihrer Funktionsfähigkeit entwickelt und verbessert werden.

Genau diesen Zielesetzungen will die Stadt Marburg mit ihrer Aufgabe zur vorsorgenden Planung gerecht werden und – unter Wahrung privater Interessen, d. h. der Sicherung einer auch baulichen Nutzbarkeit von Grundstücken – den klimaökologischen Zielen und Belangen in einem gesicherten Umfang Rechnung zu tragen.

In dem Zusammenhang wird auch auf die Urteile des VG Stuttgart mit den Az.: 13 K 2206/10 vom 12.07.2011 und Az.: 13 K 1876/10 vom 15.11.2011 hingewiesen. (Stichworte: Rücknahme bestehender Baurechte durch B-Planänderung mit Begründung Klimaschutz und Durchgrünung).

Die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen sind Ausdruck des kommunalen Vorsorgeprinzips im Rahmen der Planungshoheit der Stadt und beziehen sich auf das vom Büro ÖKO PLANA erarbeitete Gutachten.

 

Zu 3.2

Die Stellungnahme der RA Becker, Schmidt & Kollegen und die Einschätzungen von GEO-NET Umweltconsulting GmbH wurden der Fa. ÖKOPLANA, Mannheim, (das die fachlichen/gutachterlichen Grundlagen für die Festsetzungsinhalte des Bebauungsplanes bereitgestellt hat) vorgelegt.

Die Erwiderungen des Gutachterbüros ÖKOPLANA sind in die hier vorliegende Abwägung eingeflossen:

 

 

Zu 3.2.1

Die im ÖKOPLANA-Gutachten vom 09.11.2012 für das Plangebiet angenommene Kaltluftmächtigkeit wurde aus den Messungen im Jahr 1998 abgeleitet. Seit dieser Zeit sind im Kaltlufteinzugsgebiet zwar kleinräumige Baumaßnahmen erfolgt, die in der GEO-NET-Stellungnahe angeführte Industrie-/Gewerbebebauung bestand jedoch größtenteils bereits zu diesem Zeitpunkt. Die Messung kann daher noch als repräsentativ und somit der zu Grunde gelegte Kaltluftstrom als realistisch angesehen werden.

Bei einem geringeren Kaltluftvolumenstrom wären die baulichen Auswirkungen des Planungsvorhabens im Bereich der Flste. 35/4 und 35/8 als noch gravierender einzustufen.

Es kann allerdings bestätigt werden, dass der Kaltlufthaushalt entlang des Talzuges bereits gestört ist. Die talparallel verlaufende Emil-von-Behring-Straße mit ihren versiegelten Flächen und dem hohen werktäglichen Verkehrsaufkommen (Luftschadstoffeintrag) kann zwar als bebauungsinterne Kaltluftleitbahn eingestuft werden, trägt jedoch nicht aktiv zur Kalt- und Frischluftbildung bei. Allein die im Bebauungsplan festgesetzte nicht überbaubare Fläche zwischen Emil-von-Behring-Straße im Osten und Bienenweg im Westen kann entlang des Talzuges noch die Funktion als Kalt- und Frischluftleitbahn mit aktiver Kaltluftbildung ausüben. Gerade diese Tatsache erhöht die kleinklimatische Bedeutung der verbliebenen Freiraumachse im Bereich der Talsohle.

Wird der Kaltluftstrom entlang der Talsohle zusätzlich blockiert, nimmt die Belüftungsintensität ab, wodurch insbesondere im näheren Umfeld die thermischen/ hygrischen Belastungen zunehmen werden.

 

Zu 3.2.2

Bei der Begutachtung der vorgesehenen Planung im Bereich der Flste. 35/4 und 35/8 wurde die Summenwirkung mit der bereits bestehenden Kindertagesstätte an der Brunnenstraße berücksichtigt. Laut VDI-Richtlinie 3787 Blatt 5 ist bei der Bewertung der möglichen Beeinträchtigung lokaler Kaltluftbewegungen durch eine Bebauung ein Vergleich mit dem Ist-Zustand anzusetzen. In Abstimmung zwischen der Stadt Marburg und dem Klimagutachter wurde dieser „Nullpunkt“ auf die Zeit vor Realisierung der Kindertagesstätte gelegt. Damit soll vermieden werden, dass die bauliche Summenwirkung außer Acht bleibt.

Der Bau der Kindertagesstätte wurde erforderlich, um genügend Betreuungsplätze im Stadtteil zur Verfügung stellen zu können. Dafür mussten die öffentlichen Belange Klimaschutz und sozialen Belange/Bereitstellung von Betreuungsplätzen gegeneinander abgewogen werden. Beim Bau der Einrichtung wurde darauf geachtet, dass der Baukörper möglichst wenig Windwiderstand bietet. Eine Einbeziehung ist unabdingbar, um bei weiteren baulichen Veränderungen die Gesamtwirkung betrachten zu können.

 

Zu 3.2.3

Der Kritik bezüglich des Beurteilungsortes kann nicht gefolgt werden: Die Kalt-/Frischluft ist lt. VDI-Richtlinie 3787 Blatt 5 in den Wirkungsräumen (Ort der Beeinflussung) zu bestimmen. Dieser beginnt nicht erst im Talausgang zum Lahntal (Stadtzentrum Marbach), sondern bereits unmittelbar am Rande des Planungsstandortes. Durch den vermehrten Kaltluftstau im bodennächsten Luftraum und dem damit verbundenen „Abheben“ der Kaltluftströmung auf Dachniveau kommt es im Lee zu vermehrten Stagnationserscheinungen. Der Luftmassenwechsel wird (s. Klimagutachten ÖKOPLANA, 09.11.2012) deutlich reduziert, was sowohl lufthygienisch (parallel verlaufende Hauptverkehrsachse Emil-von-Behring-Straße) als auch bioklimatisch (ansteigende) Luftfeuchte negativ zu bewerten ist.

Für die Beurteilung ist die Auswirkung der bestehenden und geplanten Bebauung im Geltungsbereich entscheidend.

 

Zu 3.2.4

Bei der Abschätzung der örtlichen Kaltluftmächtigkeit wurden die seitlichen Kaltluftzuflüsse (z. B. über den Hangeinschnitt am Bruchwiesenweg) berücksichtigt. Die Kaltluft, die in der durchgrünten Hangbebauung westlich des Plangebietes entsteht, wird in die talspezifische Kaltluftströmung mit einbezogen und talparallel nach Südosten abgeführt.

 

Zu 3.2.5

Bei den abzuschätzenden MISKAM-Modellrechnungen wurde die Vegetation allein über Rauigkeitsfaktoren berücksichtigt. Einzelne Vegetationselemente, wie Bäume und dichte Sträucher wurden nicht explizit berücksichtigt, da insbesondere die Hinderniswirkung der Baukörper interessierte. Vegetationsstrukturen können im Gegensatz zu Gebäuden bei Bedarf vergleichsweise einfach modifiziert werden (z. B. Ausdünnung des Vegetationsbestandes, Begrenzung der Wuchshöhen und –breiten durch Schnitt).

Die Barrierewirkung von dichten Vegetationsbeständen wird nicht in Abrede gestellt. Im ÖKOPLANA-Gutachten vom 09.11.2012 wird auf S. 13 auf die strömungsdynamische Wirkung von dichten Pflanzenbeständen hingewiesen.

Bei den Modellrechnungen wurde ein Rechengitter von

2 m in der horizontalen und 1 m in der vertikalen bis

15 m Höhe ü. G. und darüber von 2 m bis auf 5 m ansteigend (25 Höhenschichten) gewählt. Reine Kaltluftabflussmodelle wie bspw. KLAM_21 oder KALM verwenden Gittergrößen von >= 5 m. Ihr Einsatz wurde bei der vorliegenden mikroskaligen Fragestellung als nicht zielführend erachtet.

Die Ergebnisse lassen die Unterschiede zwischen 17 m und 20 m breiten Freihaltezone mit ausreichender Genauigkeit ableiten.

Die von GEO-NET als vertretbar erachtete „geringfügige“ Abweichung von 3 m von der 20 m-Vorgabe wird von ÖKOPLANA-Seite als „deutlich“ und somit als nicht empfehlenswert eingestuft. Die Verengung der Kaltluftleitbahn um 15 % kann nicht mehr als „geringfügig“ bewertet werden. In der VDI-Richtlinie 3787 Blatt 5 wird eine Verringerung des Kaltluftvolumens bzw. der Kaltluftströmungsgeschwindigkeit um über 10 % bereits als „hoch“ eingestuft. Dieses Maß ist im vorliegenden Fall ebenfalls als Richtwert anzusetzen.

Bei der angedachten Planung werden die örtlichen Kaltluftbewegungen zusätzlich gestört und stehen damit der Sicherung und Entwicklung stadtklimatisch relevanter Kalt- und Frischluftleitbahnen entgegen.

 

 

Abwägung privater und öffentlicher Belange gemäß § 1 Abs. 7 BauGB:

Mit dem hier vorliegenden Bebauungsplan wird dem Grundstückseigentümer gegenüber dem Bebauungsplan aus dem Jahr 1972 Baulandqualität in gewissem Umfange entzogen. Gleichwohl hat die Stadt Marburg unter Beachtung der sehr wesentlichen, mit dem Bebauungsplan verfolgten Zielsetzung und unter Abwägung öffentlicher und privater Belange das Mögliche getan, um jedem Grundstückseigentümer im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplanes auch bauliche Entwicklungsmöglichkeiten zu ermöglichen bzw. zu gewährleisten.

Die Klimaschutzbelange erfahren bereits im Zuge der Aufstellung des Bebauungsplanes sowie in der nunmehr vorliegenden kommunalen Abwägung eine besondere Gewichtung, ohne dass zugleich die privaten Belange unverhältnismäßig beeinträchtigt würden oder gar unberücksichtigt blieben.

Vor dem Hintergrund dessen sowie unter Beachtung des am Gemeinwohl orientierten allgemeinen Gebotes zur Verhinderung einer weiteren Konfliktverschärfung im Zuge der Bauleitplanung bzw. einer Verbesserung der klimaökologischen Situation durch Maßnahmen auf der Grundlage des Bebauungsplanes, sind die getroffenen Festsetzungen zur Sicherung der Bildung von Kaltluft und des Abflusses des Kaltluftstromes erforderlich.

Zugleich wird darauf geachtet, dass (obgleich der Bebauungsplan das Grundeigentum zwar einschränkt) eine bauliche Nutzung bzw. Entwicklung auf den einzelnen Grundstücken in einem gemäß den fachgutachterlichen Empfehlungen vertretbaren Umfang und unter Beachtung des Gleichbehandlungs-grundsatzes möglich bleibt.

Damit ist im Ergebnis der Planung und der bauleitplanerischen Abwägung darauf geachtet worden, dass der Eingriff in private Eigentumsrechte und die Belange des Gemeinwohls in eine ausgewogene Relation gebracht sind.

 

4.

Stellungnahme Anlieger vom 05.06.2014

(mit gutachterlicher Stellungnahme GEO NET)

Die Anlieger werden durch Rechtsanwälte Becker, Schmidt und Kollegen / Marburg vertreten.

 

4.1

Die Festsetzung einer Fläche, die von der Bebauung freizuhalten, bzw. die Festsetzung einer überbaubaren Fläche im Bereich des Flsts. 45/1, in direkter nord-nordwestlicher Linie zur Bestandsbebauung auf Flst. 47/4 seien unverhältnismäßig und abwägungsfehlerhaft.

Es wird unterstellt, dass das in Rede stehende Grundstück bislang nach § 34 BauGB bebaubar war. Der fast vollständige Entzug dieser nach § 34 BauGB gegebenen Bebaubarkeit sei abwägungsfehlerhaft.

Das (öffentliche) Interesse an der Sicherung einer ausreichreichenden Frischluftzufuhr für die Marburger Nordstadt sei gemäß der vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme (GEO-NET Umweltconsulting GmbH) nicht zu halten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.2

Der Gutachter (GEO-NET) begründet diese Einschätzung bzw. die Unterstellung einer rechtsfehlerhaften Festsetzung der Freihaltefläche bzw. der überbaubaren Fläche im Bereich des Flst. 45/1 durch die nachfolgend angeführten 5 Punkte:

 

4.2.1

Der Kaltlufthaushalt in diesem Talzug ist bereits massiv gestört.

Die im ÖKOPLANA-Gutachten (auf dem die Festsetzungen des Bebauungsplanes fußen) angenommenen Kaltluftströme sind anzuzweifeln.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.2.2

Der Beurteilungsort für die Bewertung der bebauungsbedingten Folgeerscheinungen für den lokalen Kaltluftstrom, der in unmittelbarer Nähe zum geplanten Baukörper gewählt wurde, wird kritisiert. Nach GEO-NET wäre ein Bewertungsstandort am Talausgang Marbach zu wählen; damit ließe sich auch das Kaltluftvolumen erfassen, welches das geplante Gebäude überströmt

 

 

 

 

 

4.2.3

Die seitlichen Hangzuflüsse sind ebenfalls relevant.

 

 

 

 

 

 

4.2.4

Bei der Begutachtung der vorgesehenen Planungen im Bereich des Flste. 35/8 und 45/1 fließt die Summenwirkung mit der bestehenden Kindertagesstätte mit ein; die alleinige Auswirkung des jeweiligen Bauvorhabens kann aufgrund eines fehlenden Prognose-Null-Szenarios ohne Kindertagesstätte nicht adäquat eingeschätzt werden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.2.5

Das ÖKOPLANA-Gutachten ermittelt die Verringerung der Strömungsgeschwindigkeit in unmittelbarer Nähe zum geplanten Baukörper. Eine Beurteilung an anderer Stelle würde wahrscheinlich zu einem anderen Ergebnis führen.

 

 

 

 

4.3

Die Festsetzung zur Erhaltung von Grünflächen (Gehölzstrukturen) zum Bienenweg sei aufgrund der Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes abwägungsfehlerhaft.

 

 

 

Die Stellungnahme wird nicht berücksichtigt.

 

 

 

 

 

 

 

Zu 4.1

Der Gesetzgeber räumt den Belangen des Klimaschutzes und den lufthygienischen und klimatischen Wirkungen eine hohe Bedeutung ein (vgl. § 1 (5) u. 1 (6) Nr. 7 Buchst. a BauGB und § 1 (3) Nr. 4 BNatSchG).

So sollen nach § 1 (5) BauGB die Bauleitpläne den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, nicht nur berücksichtigen sondern zu einer Förderung beitragen.

Nach § 1 (3) Nr. 4 BNatSchG sind zur dauerhaften Sicherung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes insbesondere (….) Luft und Klima auch durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu schützen; dies gilt insbesondere für Flächen mit günstiger lufthygienischer oder klimatischer Wirkung wie Frisch- und Kaltluftentstehungsgebiete oder Luftaustauschbahnen ….

Der Deutsche Städtetag (2012) hat in seinem Positionspapier „Anpassung an den Klimawandel – Empfehlungen und Maßnahmen der Städte“ als gegensteuernde Maßnahmen z. B. vorgeschlagen: Im gesamten Stadtgebiet sollen die zur Belüftung der innenstadtrelevanten Kaltluftschneisen ermittelt, erhalten und in ihrer Funktionsfähigkeit entwickelt und verbessert werden.

Genau diesen Zielesetzungen will die Universitätsstadt Marburg mit ihrer Aufgabe zur vorsorgenden Planung gerecht werden und – unter Wahrung privater Interessen, d. h. der Sicherung einer auch baulichen Nutzbarkeit von Grundstücken – den klimaökologischen Zielen und Belangen in einem gesicherten Umfang Rechnung zu tragen.

In dem Zusammenhang wird auch auf die Urteile des VG Stuttgart mit den Az.: 13 K 2206/10 vom 12.07.2011 und Az.: 13 K 1876/10 vom 15.11.2011 hingewiesen. (Stichworte: Rücknahme bestehender Baurechte durch B-Planänderung mit Begründung Klimaschutz und Durchgrünung).

 

Die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen sind Ausdruck des kommunalen Vorsorgeprinzips im Rahmen der Planungshoheit der Stadt und beziehen sich auf das vom Büro ÖKOPLANA erarbeitete Gutachten.

Im Hinblick auf die Festsetzung der überbaubaren Fläche im Bereich des Flsts. 45/1 wird auf die nachfolgend angeführte Textpassage der ergänzenden Klimastudie (ÖKOPLANA) vom 03.06.2013 verwiesen:

„Eine potenzielle Bebauung auf dem Flurstück Nr. 45/1 kann ausschließlich in direkter nord-nordwestlicher Linie zur Bestandsbebauung (3 Geschosse + DG) erfolgen. Damit würde sich der Baukörper bei vorherrschenden Kaltluftabflüssen aus NW in direkter Lee-Lage zur geplanten Bebauung auf dem Flurstück Nr. 35/8 und in direkter Luv-Lage zum Gebäude Flurstück Nr. 47/4 befinden. Die zusätzlichen strömungsdynamischen Negativwirkungen wären sehr gering. Ein Hineinkragen in der Bebauung in die festgesetzte Kaltluftabflussbahn/Belüftungsachse ist jedoch auf alle Fälle zu vermeiden„ (ÖKOPLANA, Mannheim, 03.06.2013).

Der letzte Satz wird auch im Grundsatz auch von GEO-NET mitgetragen.

 

Der Bebauungsplan Nr. 24/4 aus dem Jahr 1972 ist nach wie vor rechtskräftig. Damit bestand und besteht, entgegen der Ausführungen der RA Becker, Schmidt & Kollegen, kein Baurecht nach § 34 BauGB.

Mit dem hier vorliegenden Bebauungsplan wird den Grundstückseigentümern gegenüber dem Bebauungsplan aus dem Jahr 1972 Baulandqualität in gewissem Umfange entzogen. Gleichwohl hat die Universitätsstadt Marburg unter Beachtung der sehr wesentlichen, mit dem Bebauungsplan verfolgten Zielsetzung und unter Abwägung öffentlicher und privater Belange das Mögliche getan um jedem Grundstückseigentümer im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplanes auch bauliche Entwicklungsmöglichkeiten zu ermöglichen bzw. zu gewährleisten.

Die Klimaschutzbelange erfahren bereits im Zuge der Aufstellung des Bebauungsplanes sowie in der nunmehr vorliegenden kommunalen Abwägung eine besondere Gewichtung, ohne dass zugleich die privaten Belange unverhältnismäßig beeinträchtigt würden oder gar unberücksichtigt blieben.

Vor dem Hintergrund dessen sowie unter Beachtung des am Gemeinwohl orientierten allgemeinen Gebotes zur Verhinderung einer weiteren Konfliktverschärfung im Zuge der Bauleitplanung bzw. einer Verbesserung der klimaökologischen Situation durch Maßnahmen auf der Grundlage des Bebauungsplanes sind die getroffenen Festsetzungen zur Sicherung der Bildung von Kaltluft und des Abflusses des Kaltluftstromes erforderlich.

Zugleich wird darauf geachtet, dass (obgleich der Bebauungsplan das Grundeigentum zwar einschränkt) eine bauliche Nutzung bzw. Entwicklung auf den einzelnen Grundstücken in einem gemäß den fachgutachterlichen Empfehlungen vertretbaren Umfang und unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes möglich bleibt.

Damit ist im Ergebnis der Planung und der bauleitplanerischen Abwägung darauf geachtet, dass der Eingriff in private Eigentumsrechte und die Belange des Gemeinwohls in eine ausgewogene Relation gebracht sind.

 

 

Zu 4.2

Die Stellungnahme der RA Becker, Schmidt & Kollegen und die Einschätzungen von GEO-NET Umweltconsulting GmbH wurden der Fa. ÖKOPLANA, Mannheim, (das die fachlichen/gutachterlichen Grundlagen für die Festsetzungsinhalte des Bebauungsplanes bereitgestellt hat) vorgelegt.

Die Erwiderungen des Gutachterbüros ÖKOPLANA sind in die hier vorliegende Abwägung eingeflossen:

 

 

Zu 4.21

Die im ÖKOPLANA-Gutachten vom 09.11.2012 für das Plangebiet angenommene Kaltluftmächtigkeit wurde aus den Messungen im Jahr 1998 abgeleitet. Seit dieser Zeit sind im Kaltlufteinzugsgebiet zwar kleinräumige Baumaßnahmen erfolgt, die in der GEO-NET-Stellungnamhe angeführte Industrie-/Gewerbebebauung bestand jedoch größtenteils bereits zu diesem Zeitpunkt. Die Messung kann daher noch als repräsentativ und somit der zu Grunde gelegte Kaltluftstrom als realistisch angesehen werden.

Bei einem geringeren Kaltluftvolumenstrom wären die baulichen Auswirkungen des Planungsvorhabens im Bereich des Flst. 45/1 als noch gravierender einzustufen.

 

Es kann allerdings bestätigt werden, dass der Kaltlufthaushalt entlang des Talzuges bereits gestört ist. Die talparallel verlaufende Emil-von-Behring-Straße mit ihren versiegelten Flächen und dem hohen werktäglichen Verkehrsaufkommen (Luftschadstoffeintrag) kann zwar als bebauungsinterne Kaltluftleitbahn eingestuft werden, trägt jedoch nicht aktiv zur Kalt- und Frischluftbildung bei. Allein die im Bebauungsplan festgesetzte nicht überbaubare Fläche zwischen Emil-von-Behring-Straße im Osten und Bienenweg im Westen kann entlang des Talzuges noch die Funktion als Kalt- und Frischluftleitbahn mit aktiver Kaltluftbildung ausüben. Gerade diese Tatsache erhöht die kleinklimatische Bedeutung der verbliebenen Freiraumachse im Bereich der Talsohle.

Wird der Kaltluftstrom entlang der Talsohle zusätzlich blockiert, nimmt die Belüftungsintensität ab, wodurch insbesondere im näheren Umfeld die thermischen/hygrischen Belastungen zunehmen werden.

 

Zu 4.2.2

Der Kritik bezüglich des Beurteilungsortes kann nicht gefolgt werden: Die Kalt-/Frischluft ist lt. VDI-Richtlinie 3787 Blatt 5 in den Wirkungsräumen (Ort der Beeinflussung) zu bestimmen. Dieser beginnt nicht erst im Talausgang zum Lahntal (Stadtzentrum Marbach), sondern bereits unmittelbar am Rande des Planungsstandortes. Durch den vermehrten Kaltluftstau im bodennächsten Luftraum und dem damit verbundenen „Abheben“ der Kaltluftströmung auf Dachniveau kommt es im Lee zu vermehrten Stagnationserscheinungen. Der Luftmassenwechsel wird (s. Klimagutachten ÖKOPLANA, 09.11.2012) deutlich reduziert, was sowohl lufthygienisch (parallel verlaufende Hauptverkehrsachse Emil-von-Behring-Straße) als auch bioklimatisch (ansteigende) Luftfeuchte negativ zu bewerten ist.

Für die Beurteilung ist aber die Auswirkung der bestehenden und geplanten Bebauung im Geltungsbereich entscheidend.

 

Zu 4.2.3

Bei der Abschätzung der örtlichen Kaltluftmächtigkeit wurden die seitlichen Kaltluftzuflüsse (z. B. über den Hangeinschnitt am Bruchwiesenweg) berücksichtigt. Die Kaltluft, die in der durchgrünten Hangbebauung westlich des Plangebietes entsteht, wird in die talspezifische Kaltluftströmung mit einbezogen und talparallel nach Südosten abgeführt.

 

Zu 4.2.4

Bei der Begutachtung der vorgesehenen Planungen wurde die Summenwirkung mit der bereits bestehenden Kindertagesstätte an der Brunnenstraße berücksichtigt. Laut VDI-Richtlinie 3787 Blatt 5 ist bei der Bewertung der möglichen Beeinträchtigung lokaler Kaltluftbewegungen durch eine Bebauung ein Vergleich mit dem Ist-Zustand anzusetzen. In Abstimmung zwischen der Universitätsstadt Marburg und dem Klimagutachter wurde dieser „Nullpunkt“ auf die Zeit vor Realisierung der Kindertagesstätte gelegt. Damit soll vermieden werden, dass die bauliche Summenwirkung außer Acht bleibt.

Der Bau der Kindertagesstätte wurde erforderlich, um genügend Betreuungsplätze im Stadtteil zur Verfügung stellen zu können. Dafür mussten die öffentlichen Belange Klimaschutz und sozialen Belange/ Bereitstellung von Betreuungsplätzen gegeneinander abgewogen werden. Beim Bau der Einrichtung wurde darauf geachtet, dass der Baukörper möglichst wenig Windwiderstand bietet. Eine Einbeziehung ist unabdingbar, um bei weiteren baulichen Veränderungen die Gesamtwirkung betrachten zu können.

 

 

Zu 4.2.5

Wie unter Pkt. 4.2.2 ausgeführt, sind mögliche Auswirkungen in den Wirkungsräumen (Ort der Beeinflussung) zu bestimmen.

Eine Beurteilung an anderer Stelle würde im Übrigen zu keiner veränderten Empfehlung des Gutachters hinsichtlich der Gebäudeausrichtung führen.

Auch durch GEO-NET wird die Notwendigkeit einer Ausrichtung der Gebäudekörper im Bereich der Flste. 35/8, 45/1 und 47/4 längs zum Kaltluftabfluss hinsichtlich der klimafunktionalen Zusammenhänge im Plangebiet grundsätzlich geteilt.

 

Zu 4.3

Neben den Festsetzungen und Maßnahmen zur Freihaltung von Bebauung und zur Verhinderung weiterer Versiegelungen, die mittelbar auch als Maßnahmen im Rahmen der Zielsetzungen des § 9 (1) Nr. 20 BauGB zu beurteilen sind, stellt die Erhaltung der vorhandenen Gehölzstrukturen einen wesentlichen Festsetzungsinhalt des Bebauungsplanes dar.

Im Plangebiet konzentrieren sich die Gehölzbestände auf die steilen Böschungskanten am Westrand des Gebietes zum Bienenweg und bilden eine Nord-Süd ausgerichtete, mehr oder minder zusammenhängende lineare Struktur. Damit ist/wird die Funktion der Kaltluftabflussbahn nicht beeinträchtigt.

 

Der Grünordnungsplan (GOP) für den gesamten Bebauungsplan Nr. 24/7 „Marbach“ charakterisiert die Strukturen als „Baumstrauchgehölz, überwiegend heimische Arten“ und ordnet diese einer mittleren bis hohen Wertstufe (Wertstufe 2-3) zu.

Neben den wichtigen ökologischen Habitatfunktionen stellt die Festsetzung zum Erhalt der Gehölze zugleich die Umsetzung der im städtebaulichen Rahmenplan (2001) formulierten Entwicklungsziele „Erhaltung und Stabilisierung/Verknüpfung naturräumlicher Potenziale und Qualitäten“ und „Verhinderung von städtebaulich nicht wünschenswerter Nachverdichtung“ dar.

Das lineare „Gehölzband“ trägt maßgeblich zu einer stadtgestalterisch attraktiven Strukturierung des Ort- und Siedlungsbildes und einer verbesserten Wohn- und Lebensqualität bei.

 

An der historisch begründeten Typologie  „Bebauung zur Emil-von-Behring-Straße, rückwärtige Freiflächen- und Gartennutzung und Bestockungsflächen zum Bienenweg“  ändert sich mit der hier vorgenommenen Festsetzung nichts. Im Gegenteil entspricht es dem Gestaltungswillen der Universitätsstadt Marburg diese Typologie im Grundsatz ablesbar beizubehalten, auch wenn diese typische Struktur durch Bebauung im Bereich rückwärtigen Grundstücksflächen teilweise durchbrochen ist.

 

Angesichts der baulichen, topographischen und vegetationsmäßigen Bestandssituation und gemäß der mit dem Bebauungsplan verfolgten Zielsetzungen ist im Ergebnis der Abwägung aller privaten und öffentlichen Belange (s. o.) eine vollständige Gleichbehandlung aller Grundstückseigentümer im Hinblick auf die Erhaltung von Vegetationsstrukturen weder möglich noch notwendig.

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Franz Kahle

Bürgermeister

 

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