Beschlussvorschlag:

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Magistrat wird beauftragt, im Rahmen der Flüchtlingshilfe innerhalb des nächsten halben Jahres zwei Versammlungen zu organisieren:

1.      Alle Freien Träger, gemeinnützigen Einrichtungen und Initiativen, die sich im Kontext der Willkommensmaßnahmen und der Integration von in Marburg seit 2015 lebenden Geflüchteten mit eigenen oder Förderprojekten engagiert haben, sollen zu einem Austauschtreffen eingeladen werden. Im gemeinsamen Gespräch sollen

• die dabei gemachten Erfahrungen zusammengetragen werden,
• über die jeweils durchgeführten Maßnahmen zur individuellen Unterstützung der Geflüchteten und für die Integration in das städtische Leben bzw. in das des Stadtteils berichtet werden,
• über die bereits bestehenden kooperativen Strukturen zwischen Stadtverwaltung, Politik und Freien Trägern informiert werden,
• die aus der jeweiligen Sicht erkennbaren Bedarfe bei der Hilfe, Begleitung und Unterstützung benannt werden
• und Vorschläge dazu gemacht werden, in welcher Form ein Austauschtreffen der Geflüchteten stattfinden sollte, bei dem diese ihre Erfahrungen miteinander kommunizieren und die weiteren Bedarfe für eine Perspektive und das Zusammenleben in dieser Stadt benennen können. 

2.      Alle engagierten Freiwilligen/Ehrenamtlichen sollen zu einem Austauschtreffen eingeladen werden, die im Kontext der Willkommensmaßnahmen und/oder der Unterstützung der Geflüchteten bei der Entwicklung einer Lebensperspektive in Marburg tätig sind/waren. Hierbei sind nicht nur die Freiwilligen anzusprechen, die der städtischen Flüchtlingshilfe bekannt sind, sondern auch jene, die sich bei Maßnahmen Freier Träger, bei neu gegründeten Zusammenschlüssen oder auf eigene Initiative engagieren/engagierten. Bei diesem Austauschtreffen sollen verschiedene Aspekte eine Rolle spielen:

• Den freiwillig Engagierten soll die Möglichkeit gegeben werden, über ihre Erfahrungen zu berichten, ob und wie ihr Engagement den Geflüchteten geholfen, ob und wie es eine Zusammenarbeit mit anderen Freiwilligen gegeben hat, wie sie die Rolle der Hauptamtlichen bei den Freien Trägern und der städtischen Verwaltung im Verhältnis zu den Freiwilligen sehen.
• Das Austauschtreffen soll es den Freiwilligen ermöglichen, die von ihnen wahrgenommenen Handlungsbedarfe bezüglich der Unterstützung der Geflüchteten aber auch bezüglich des Verhältnisses von Haupt- und Ehrenamt zu benennen, was gut läuft und wo es Verbesserungsbedarf gibt.
• Gleichzeitig sollten auch Vorschläge der Freiwilligen dafür gesammelt werden, in welcher Form ein Austauschtreffen der Geflüchteten stattfinden sollte, bei dem diese ihre Erfahrungen miteinander kommunizieren und die weiteren Bedarfe für eine Perspektive und das Zusammenleben in dieser Stadt benennen können. 
• Die Stadtverwaltung sollte bei diesem Treffen auch darüber berichten, welche Angebote sie den Ehrenamtlichen macht und wie diese Angebote angenommen werden. 
• Und schließlich soll dieses Treffen genutzt werden, den freiwillig Engagierten/Ehrenamtlichen für ihre Leistungen und ihre große Hilfebereitschaft zu danken.

Begründung:

Die Beantwortung der Großen Anfrage zur Situation der in Marburg seit 2015 lebenden Geflüchteten und ihrer Integration in das Leben der Stadt hat wichtige Daten für die Weiterentwicklung der Flüchtlingshilfe in Marburg gebracht. Sie hat gezeigt, in welchem Umfang die städtische Verwaltung für die Betreuung, Begleitung, Unterbringung und das gemeinsame Leben von Geflüchteten in Marburg tätig ist und was sie bisher geleistet hat.

Weitgehend offen blieb aber, in welchem Umfang und in welcher Form die Zivilgesellschaft mit ihren Verbänden, Vereinen, Initiativen wie auch die unorganisierten Ehrenamtlichen durch ihre Maßnahmen und Aktivitäten zur Integration von Geflüchteten in Marburg beigetragen haben. Da für eine erfolgreiche Integration die Leistungen der Zivilgesellschaft unverzichtbar sind, müssen für eine Weiterentwicklung der Marburger Flüchtlingshilfe diese fehlenden Informationen gewonnen werden. Die vorgeschlagenen Austauschtreffen sollen dazu beitragen, diese Lücke baldmöglichst zu schließen. Das kann allerdings nur gelingen, wenn eine externe Moderation sicherstellt, dass die aufgeführten Fragen hinreichend behandelt und die Antworten möglichst ausführlich protokolliert werden.

Das Engagement der zivilgesellschaftlichen Einrichtungen und der Freiwilligen/Eh­renamtlichen für die Willkommenskultur und die Bleibekultur in Marburg muss sichtbarer werden. Dies sollte gleichzeitig auch Ausdruck dafür, dass die Politik ihre wichtigen Leistungen für ein friedliches Zusammenleben in unserer Stadt sieht und anerkennt.

Und schließlich sollte nach den erfolgten Austauschtreffen der zivilgesellschaftlichen Organisationen und der freiwillig/ehrenamtlich Engagierten auch den Menschen ein Austauschforum eröffnet werden, denen die Hilfe ersterer gilt. Da es auch bei der Flüchtlingshilfe darum geht, Hilfe zur Selbsthilfe, Hilfe zu einem autonomen Leben zu leisten, müssen auch deren Erfahrungen und Bedarfe ernst genommen werden, muss ihre Autonomie auch in dieser Form gestärkt werden.

Dr. Christa PeraboMadelaine Stahl