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Ratsinformation

ALLRIS - Vorlage

Beschlussvorlage - VO/0238/2021

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Beratungsfolge

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Beschlussvorschlag

Die Universitätsstadt Marburg setzt mit der Einleitung einer umfassenden Mobilitätswende einen zentralen Baustein zur Bekämpfung der Klimakrise. Damit werden der Klimanotstandsbeschluss in 2019 sowie der Klimaaktionsplan (VO/7430/2020) auf Grundlage der Beauftragung der Verwaltung zur Erstellung eines umfassenden Mobilitätskonzeptes für die Universitätsstadt Marburg umgesetzt. Sie tut dies in Fortsetzung langjähriger Praxis und Beschlusslage sowie unter Ausschöpfung der kommunalen Möglichkeiten.

 

Die zukünftige Mobilitätsentwicklung in der Universitätsstadt Marburg bis zum Jahr 2035 wird ganzheitlich ausgerichtet und orientiert sich ab sofort am Leitziel „Zukunftsorientierte, klimafreundliche und vielfältige Mobilität in Marburg durch die Gestaltung der Mobilitätswende für Alle“.

Diesem Leitziel sind die sechs gleichrangigen Oberziele

  •   A: Sichere Mobilität und Barrierefreiheit
  •   B: Innere und regionale Erreichbarkeit Marburgs
  •   C: Umweltverbund als Rückgrat der Mobilität
  •   D: Stadt- und umweltverträglicherer Kfz-Verkehr
  •   E: Attraktiver öffentlicher Raum in einer Stadt der kurzen Wege
  •   F: Mobilitätswende – Marburg bewegen

zugeordnet. Zwischen den Ober- und Unterzielen bestehen diverse Schnittstellen und Querbeziehungen. Das Zielsystem wird gemäß der schematischen Darstellung mit den Ober- und Unterzielen beschlossen und dient der Herleitung von zielführenden Maßnahmen.

 

Die Universitätsstadt Marburg ist sich ihrer sozialen Verantwortung immer bewusst. Sie strebt eine Mobilitätswende für Alle an, also eine Mobilitätswende, die die Belastungen nicht auf dem Rücken von sozial oder wirtschaftlich Benachteiligten umsetzt. Der soziale Ausgleich ist in der Konkretisierung der Zielumsetzung immer zu beachten.

 

Als übergreifender Indikator für die Zielerreichung wird der Modal Split definiert. Der Anteil des Umweltverbundes (Fuß-, Fahrrad- und ÖPN-Verkehr) soll von derzeit 58 % auf mindestens 68 %, unter Berücksichtigung des Ziels der Klimaneutralität Marburgs, möglichst auf 79 % erhöht, der Anteil des MIV demzufolge bis 2035 möglichst halbiert werden.

 

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Sachverhalt

Am 11. April 2019 hat die Stadtverordnetenversammlung die Erarbeitung einer gesamtstädtischen Mobilitätsstrategie mit umfassender Beteiligung der Bürger*innen beschlossen (VO/6739/2019).

Für die Erarbeitung des gesamtstädtischen Mobilitäts- und Verkehrskonzepts - MoVe 35 - wurde das Planungsbüro Planersocietät aus Dortmund beauftragt. In enger Zusammenarbeit der Fachdienste 61 (Projektsteuerung) sowie 72, dem Planungsbüro sowie dem Moderationsbüro team ewen wurde ein umfassendes Beteiligungskonzept erarbeitet.

In der ersten Projektphase wurde die Bestandsanalyse von MoVe 35 nahezu fertiggestellt (März 2021). Ausgenommen hiervon ist das Verkehrsmodell, wofür umfassende Verkehrszählungen durchgeführt werden mussten. Aufgrund der Corona-Pandemie wurden diese dreimal verschoben, konnten nun aber in der ersten Juli-Hälfte 2021 durchgeführt werden. Die Fertigstellung des Verkehrsmodells steht kurz bevor.

In der zweiten Projektphase ab Anfang April 2021 wurde das Ziel- und Leitliniensystem für MoVe 35 entwickelt. Dieses stellt die Grundlage für die sich nun anschließende Maßnahmenentwicklung und -bewertung dar.

 

Die folgenden Auszüge sind dem Zielbericht zum Zielsystem für MoVe 35 (s. Anlage) entnommen:

Durch MoVe 35 werden strategische Weichenstellungen für die zukünftige Mobilität in der Universitätsstadt Marburg vorgenommen. Aufbauend auf der Bestandsanalyse sind die Ziele das zentrale Bindeglied zum Maßnahmenkonzept und zur späteren Maßnahmenumsetzung: Sie sind Orientierungsrahmen und Bewertungsmaßstab. Zudem sind sie auch die Grundlage für die laufende Evaluation der Maßnahmen in den nächsten Jahren. Im Rahmen von MoVe 35 wird dementsprechend, aufbauend auf den Zielen, noch ein umfassendes Evaluationskonzept mit Indikatoren aufgebaut.

Als zentrale Leitlinie und übergeordnete Zielstellung fungiert das Leitziel des Marburger Zielsystems ‚Zukunftsorientierte, klimafreundliche und vielfältige Mobilität in Marburg durch Gestaltung der Mobilitätswende für Alle‘.

Das Leitziel wurde in seinen Bestandteilen aus übergeordneten Zielen und bereits bestehenden Zielen der Universitätsstadt Marburg abgeleitet:

 

 Aufstellungsbeschluss zu MoVe 35 der Stadtverordnetenversammlung, in dem die Verbesserung der Erreichbarkeit für Nutzer*innen des motorisierten Individualverkehrs, des ÖPNV und des Fuß- und Radverkehrs und eine ganzheitliche Mobilitätsstrategie als Ziel vorgegeben wurde: „vielfältige Mobilität“, „Gestaltung der Mobilitätswende für Alle“

 Beschluss zum Klimanotstand und zur Klimaneutralität der Stadt Marburg bis 2030:

„klimafreundliche Mobilität“ als Beitrag zur sektorenübergreifenden Klimaneutralität Marburgs

Dem Leitziel sind sechs Oberziele zugeordnet, die aus der Bestandsanalyse und ersten Beteiligungsformaten (erste Sitzung der AG MoVe 35, Online-Umfrage im Dezember 2020, erste Sitzung der Ortsvorsteher*innen) abgeleitet wurden. Die Oberziele werden wiederum jeweils durch Unterziele konkretisiert. Das in dieser Struktur vorliegende Zielsystem wurde in zwei Sitzungen der AG MoVe 35 sowie in einem öffentlichen Workshop diskutiert und weiterentwickelt. Dabei wurden auch Indikatoren und erste Zielwerte besprochen und festgelegt.

 

Aufbau und Struktur des Zielsystems

Das Zielsystem setzt sich aus einem Leitziel und mehreren Oberzielen zusammen. Die Oberziele werden jeweils durch eine Unterzielebene weiter differenziert und konkretisiert. Die Benennung der Ober- und Unterziele mit Buchstaben stellt hierbei keine Rangfolge dar, alle Ziele stehen gleichberechtigt nebeneinander. In der Maßnahmenentwicklung können sich Zielbezüge und ggf. auch Zielkonflikte ergeben. Diese werden im integrierten Handlungskonzept dargestellt.

Im Folgenden ist das Zielsystem mit seinen Ober- und Unterzielen dargestellt:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auch wenn die Ziele in insgesamt sechs Oberzielblöcke eingeteilt sind, gibt es zwischen den einzelnen Zielen (Ober- und Unterzielen) zahlreiche Querbeziehungen und Schnittstellen, die insgesamt zur Erreichung des Leitziels ‚Zukunftsorientierte, klimafreundliche und vielfältige Mobilität in Marburg durch Gestaltung der Mobilitätswende für Alle‘ beitragen. Das heißt, dass für die Mobilitätsplanung in Marburg nicht alleine die Verfolgung eines Ziels oder Zielbereichs erfolgsversprechend ist, sondern die Mobilität ganzheitlich betrachtet werden muss. Im Folgenden werden die Oberziele in Kürze mit ihren wichtigsten Querbeziehungen zusammengefasst:

 

Oberziel A: Sichere Mobilität und Barrierefreiheit

Die ‚Sichere Mobilität und Barrierefreiheit‘ soll die Mobilitätsangebote für die Bevölkerungsgruppen jeden Alters, Geschlechts und jeder sozialen Schicht entsprechend ihrer speziellen Mobilitätsbedürfnisse sowie körperlichen Voraussetzungen sicher und barrierefrei zugänglich machen. Die Unterziele sind folgend erläutert:

 A1: Die Erhöhung der Verkehrssicherheit zur Erreichung der „Vision Zero“ ist die kontinuierliche Reduktion der Unfallzahlen und –schwere mit dem Ziel einer Mobilität, in der keine Verkehrstoten und Schwerverletzten mehr zu beklagen sind. Die Vision Zero ist ebenfalls Bestandteil des Landesprogramms „Mobiles Hessen 2030“.

Bei Ziel A1 gab es zur „Vision Zero“ (0 Verkehrstote, 0 Schwerverletzte) in der AG MoVe 35 keinen Konsens. Einzelne Teilnehmende sehen das Ziel als unrealistisch an und wünschen sich eine Formulierung sinngemäß der „Reduzierung der Unfallzahlen und Unfallschwere“ und kein Ziel bzw. keine Vision, die konkret mit einem Zielwert belegt wird.

 A2: Neben der objektiven Verkehrssicherheit, die anhand der Unfallzahlen und -schwere bemessen werden kann, ist das subjektive Sicherheitsgefühl ein wichtiger Faktor für die Verkehrsteilnehmer*innen. Das gilt beispielsweise für Kinder, die auf sichere Schul- und Freizeitwege angewiesen sind, für Senioren, die zum Teil aufgrund kognitiver oder körperlicher Beeinträchtigungen eingeschränkt sind, aber genauso geschlechterspezifisch („Angsträume“) und generell für alle Menschen. Für das Sicherheitsgefühl ist ebenso die gegenseitige Rücksichtnahme der Verkehrsteilnehmenden wichtig. Sie wird auch in § 1 der Straßenverkehrsordnung  festgelegt.

 A3: Die Barrierefreiheit ist eine Grundbedingung für Mobilität. Das betrifft nicht nur offensichtlich in ihrer Mobilität eingeschränkte Personen (Rollstuhlfahrer*innen, Gehbehinderte, Sehbehinderte, ...), sondern auch ältere Menschen, die zum Beispiel auf regelmäßige Ruhe-/Sitzmöglichkeiten angewiesen sind sowie Personen, die mit Kinderwägen unterwegs und durch diese eingeschränkt mobil sind. Generell kommt eine Barrierefreiheit der Verkehrswege, von Bussen und Bahnen allen Menschen zu Gute. Dazu zählt auch, dass Zäsuren, die beispielsweise durch die Lahn, Fern-/und Hauptstraßen oder Schienentrassen entstehen, möglichst einfach überwunden werden können.

 A4: Ein Ausbau der eigenständigen Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen sieht vor, dass möglichst alle Menschen, unabhängig vom Alter, körperlichen Zustand, Geschlecht, Herkunft oder sozialer Schicht, sich eigenständig und selbstbestimmt mit dem passenden Verkehrsmittel bewegen können. Dafür sind sie unter anderem auf eine sichere und barrierefreie Mobilität (siehe Unterziele A1 bis A3) angewiesen, aber auch auf die Erreichbarkeit ihrer Ziele (siehe Oberziel B) mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln (siehe Oberziele C und D).

 

Oberziel B: Innere und regionale Erreichbarkeit Marburgs als Oberzentrum

Die innere und regionale Erreichbarkeit ist für das Oberzentrum Marburg als bedeutender Wohn-, Wirtschafts-, Einkaufs- und Tourismusstandort ein Standortfaktor. Innerhalb von Marburg müssen alle Stadtteile, Stadtbereiche, Wirtschafts- und Bildungsstandorte, die Universität, die Bahnhöfe und weitere wichtige Ziele erreichbar und miteinander vernetzt sein (innere Erreichbarkeit). Ebenso müssen Marburg, die Stadtteile und die wichtigen Ziele für Auswärtige (Kund*innen, Pendler*innen, Student*innen, Tourist*innen, Freizeitbesucher*innen etc.) gut erreichbar sein (äußere/regionale Erreichbarkeit). Auch Marburger*innen, die in andere Städte auspendeln, sind auf gute Verkehrswege bzw. attraktive Verkehrsmittel angewiesen.

Eine gute Erreichbarkeit soll erreicht werden, indem alle Verkehrsmittel (ÖPNV, SPNV, Radverkehr, Fußverkehr, Pkw- und Wirtschaftsverkehr) einbezogen werden, wobei der Fußverkehr vor allem auf kurzen Distanzen eine Rolle spielt (siehe Oberziel C). Die Unterziele verdeutlichen die vielfältigen räumlichen Ziele, die in Marburg wichtig sind. Wie die Bestandsanalyse gezeigt hat, bestehen für viele dieser Ziele noch Erreichbarkeitsdefizite (v.a. für den Radverkehr und den ÖPNV, Zielbezug zu Oberziel C), sodass ihre Erreichbarkeit optimiert werden muss.

 B1: Die Kernstadt ist Wohnstandort, Handelsstandort, Standort von vielen Dienstleistungsbetrieben und touristisches Ziel. Die Erreichbarkeit der Kernstadt aus den Stadtteilen sowie ihre regionale und überregionale Erreichbarkeit ist daher ein zentraler Standortfaktor.

 B2: Die Außenstadtteile sollen nicht nur besser mit der Kernstadt und aus der Kernstadt, sondern auch aufgrund vielfältiger Wechselbeziehungen (z.B. Einkaufswege, Schulwege) besser miteinander verbunden werden. Zudem sind ihre Erreichbarkeit von außerhalb Marburgs sowie ihre Verbindung in Nachbarkommunen zu optimieren.

 B3: Bedeutende Ziele in Marburg, zum Beispiel Verkehrsknotenpunkte wie die Bahnhöfe, Bildungseinrichtungen (wie die Universität), Freizeit- und Tourismusziele und weitere wichtige Infrastrukturen müssen aus den Stadtteilen Marburgs sowie von außerhalb Marburgs besser erreichbar werden.

 B4: Die Gewerbe- und Industriegebiete, bspw. Görzhauser Hof und die Behringwerke, aber auch alle weiteren Gewerbe- und Arbeitsplatzstandorte sollen für alle relevanten Zielgruppen (Pendler*innen, Kund*innen) und die Wirtschaftsverkehre besser erreichbar werden.

 

Oberziel C: Umweltverbund als Rückgrat der Mobilität

Für eine klimafreundliche Mobilität und im Sinne einer „Mobilität für alle“ müssen die Verkehrsmittel des Umweltverbundes, das heißt der Fußverkehr, Radverkehr sowie Bus und Bahn, bedarfsgerecht gestärkt werden. Eine nachhaltige Mobilitätsstrategie im Sinne einer Mobilitätswende impliziert, dass der Umweltverbund schrittweise zur echten Alternative zum Auto und somit zum Rückgrat der Mobilität werden soll. Wie die Bestandsanalyse zu MoVe 35 sowie viele Rückmeldungen aus der Online-Umfrage, der begleitenden AG MoVe 35 sowie aus dem öffentlichen Zielworkshop gezeigt haben, wird hier ein großer Bedarf gesehen – sowohl in der Kernstadt und für die Stadtteile als auch stadtgrenzenüberschreitend.

 C1/D1: Eine schrittweise Stärkung des Umweltverbundes soll im Sinne einer „Mobilität für alle“ dazu beitragen, dass für jedes Mobilitätsbedürfnis das passende Verkehrsmittel bedarfsgerecht zur Verfügung steht. Das ist derzeit, zum Beispiel mit Blick auf das Radverkehrsnetz oder die ÖPNV-Verbindung der Stadtteile, nicht der Fall: Viele sind mangels Alternativen auf das Auto angewiesen.

Erst durch einen attraktiven Ausbau der Alternativen (siehe Unterziele C2 bis C5) kann den Menschen eine Mobilität ermöglicht werden, die zu einem größeren Teil auch autounabhängig funktioniert. Ein anreizbasierter Umstieg auf die Verkehrsmittel des Umweltverbundes hat eine Verringerung der Autoverkehrsmengen und -belastungen (siehe Unterziel D2) sowie des Parkdrucks (siehe Unterziel D3) zur Folge und hilft, die verbleibenden Autoverkehrsmengen emissionsärmer abzuwickeln (siehe Unterziel D4)

Wichtig ist daher: Die Stärkung des Umweltverbundes als Rückgrat der Mobilität (Oberziel C) ist Voraussetzung für eine Reduzierung der Kfz-Verkehrsmengen und -belastungen, sodass der Kfz-Verkehr zukünftig stadt- und umweltverträglicher abgewickelt werden kann (Oberziel D).

Zum Unterziel C1/D1 gab es in der AG MoVe Einzelmeinungen, die eine Verringerung der Kfz-Verkehrsmengen nicht unterstützten und eher eine Verringerung der Kfz-Emissionen als Ziel wünschten. Andere wünschten sich dem hingegen eine Aufnahme der Verringerung der Kfz-Verkehrsmengen im Oberziel D.

 C2: Auf kurzen Wegen innerhalb der Quartiere und Stadtteile sowie auf weiteren kurzen Wegen (bspw. zwischen benachbarten Stadtteilen) sollen die Verkehrsarten der Nahmobilität - der Fuß- und Radverkehr - weiter gestärkt werden. Wie sich in der Bestandsanalyse zeigt, wird mehr als ein Drittel der kurzen Wege (Längen von einem bis drei Kilometern) mit dem Auto zurückgelegt. Eine Attraktivierung der Nahmobilität soll mehr Menschen motivieren, öfter auf diesen relativ kurzen Wegen zu Fuß zu gehen oder Fahrrad zu fahren.

 C3 und C4: Auf längeren Wegen in der Stadt, beispielsweise zwischen den Stadtteilen oder zu den Arbeitsplatzstandorten, aber auch hinsichtlich der Pendler*innen und der Wege in Nachbarkommunen ist derzeit das Auto das dominierende Verkehrsmittel (siehe Zwischenbericht zu MoVe 35). Eine Verbesserung des öffentlichen Verkehrs (v.a. Busverkehr) sowie des Radverkehrs soll echte Alternativen zum Auto schaffen, Reisezeitnachteile abbauen und zum Umsteigen motivieren.

 C5: Einige, vor allem längere Wege lassen sich mit Kombination unterschiedlicher Verkehrsmittel am besten bewerkstelligen. So kann jedes Verkehrsmittel seine individuellen Stärken ausspielen. Auch geteilte Mobilität (Carsharing, Bikesharing) soll zukünftig ein größerer Bestandteil von Mobilitätsketten werden oder auch auf bestimmten Wegen ein Ersatz zum eigenen Auto sein. Voraussetzung hierfür ist, dass Mobilitäts- und Sharingangebote ausgebaut sowie besser physisch miteinander vernetzt werden. Zusammen mit einer verstärkten Digitalisierung entsteht ein vielfältiges, vernetztes und aufeinander abgestimmtes Mobilitätsangebot (siehe Unterziel F4: Mobility as a Service).

 

Oberziel D: Stadt- und umweltverträglicherer Kfz-Verkehr

Auch in Zukunft werden Auto- und kraftfahrzeugbezogene Wirtschaftsverkehre ein wichtiger Bestandteil der Mobilität sein, beispielsweise auf Wegen, auf denen der Umweltverbund (noch) keine Alternative ist oder für Menschen, die aus körperlichen oder sonstigen Gründen auf das Auto angewiesen sind. Mit dem Ziel der Mobilitätswende sollen mehr Menschen zum Umstieg auf den Umweltverbund motiviert werden und somit Kfz-Verkehrsmengen reduziert werden (siehe Oberziel C sowie Unterziel C1/D1). Die weiterhin verbleibenden Kfz-Verkehre sollen soweit wie möglich ohne Belastungen für Umwelt, Wohnumfeld und das städtische Leben abgewickelt werden (stadt- und umweltverträglicherer Kfz-Verkehr).

 C1/D1: siehe Erläuterung zu Oberziel C

 D2: Eine Minimierung der Umweltbelastungen und Emissionen (zum Beispiel weniger Flächenverbrauch durch Verkehr und Mobilität, Minimierung von Lärm und Schadstoffemissionen) stützt sich zum einen auf die Maßnahmen des Lärmaktionsplanes und des Luftreinhalteplanes. Zum anderen ist sie eine nachhaltige Folge der angestrebten Verringerung der Kfz-Verkehre sowie einer Verbreitung emissionsarmer Antriebsformen im Auto- und Wirtschaftsverkehr (siehe Unterziel D4).

 D3: Einige Straßenräume vor allem der Kernstadt sind stark als Parkraum nachgefragt, sodass es hier zu Parkraumüberlastungen und Parksuchverkehren kommt, während insbesondere einige Parkbauten noch Kapazitäten haben (siehe Zwischenbericht zu MoVe 35 ). Ziel ist es daher, das Parkraumangebot effizienter zu nutzen, um Überlastungen im öffentlichen Raum zu vermeiden und diesen zu entlasten. Eine Entlastung des öffentlichen Raumes vom Parken steht vor allem in dicht bebauten Quartieren im Wechselspiel mit der Stärkung der Nahmobilität (siehe Unterziel C2). Eine Reduzierung des Kfz-Verkehrs durch einen anreizbasierten Ausbau der Alternativen (siehe Unterziel C1/D1) soll dazu beitragen, Autoverkehre und somit auch Parkdruck nachhaltig zu reduzieren.

 D4: Eine möglichst emissionsarme oder ggf. auch emissionsfreie Mobilität ist mit elektrisch betriebenen/unterstützten bzw. wasserstoffbasierten Antrieben erst mittel- bis langfristig möglich (u.a. abhängig vom Anteil erneuerbarer Energien an der Stromgewinnung, vom Herstellungsprozess der Batterien) und eine alleinige Umstellung der Fahrzeugflotten auf emissionsarme Antriebe wird Flächenprobleme/-konkurrenzen in Städten nicht lösen können. Eine schrittweise Marktdurchdringung von alternativen Antriebsformen für Pkw oder Lkw kann daher nur ein Baustein unter vielen einer klimafreundlichen Mobilitätswende sein.

Eine Verbreitung von emissionsarmen Antriebsformen soll kommunal (bedingt „aktiv“) unterstützt (bspw. durch Modernisierung kommunaler Fahrzeugflotten) und vor allem „passiv“ durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen (Versorgungssicherheit/Lademöglichkeiten) angegangen werden.

 D5: Für Marburg als Oberzentrum und überregional bedeutender Wirtschaftsstandort ist eine gute Erreichbarkeit für großräumige Wirtschaftsverkehre, aber auch kleinräumlich stattfindende Lieferverkehre sicherzustellen. Zum Teil erzeugen die stattfindenden Liefer- und Wirtschaftsverkehre aber auch Belastungen in der Oberstadt, in der Kernstadt und einigen Stadtteilen. Ein wichtiges Ziel ist daher die bedarfsgerechte, aber verträglichere Abwicklung der Wirtschafts- und Lieferverkehre.

 

Oberziel E: Attraktiver öffentlicher Raum in einer Stadt der kurzen Wege

Das Oberziel E ‚Attraktiver öffentlicher Raum in einer Stadt der kurzen Wege‘ hat zum Ziel, Marburg als attraktiven Lebens-, Arbeits-, Einkaufs- und Freizeitstandort weiterzuentwickeln. Im Fokus steht hier insbesondere die Lebensqualität, die durch vielfältige Faktoren beeinflusst wird, aber auch durch die Stadt- und Mobilitätsplanung mit einer weiteren Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Raumes und einer Mobilitätskultur der Nähe - Stadt der kurzen Wege - unterstützt werden soll. Auch weitere Ziele, wie zum Beispiel stadt- und umweltverträglicher Kfz-Verkehr mit einer Minimierung von Umweltbelastungen und Emissionen (siehe Oberziel D), haben hierzu Querbezüge.

 Unterziel E1: Ein attraktiver öffentlicher Raum setzt eine möglichst hohe Aufenthaltsqualität voraus. Aufenthaltsqualitäten sind aber nicht nur für typische Aufenthaltsqualitäten (Sitzen, Verweilen, Spielen, Unterhaltungen, ...) wichtig, sondern auch für den Fußverkehr als Verkehrsart: Fußgänger*innen nehmen den öffentlichen Raum aufgrund ihrer geringen Geschwindigkeit wesentlich intensiver wahr als andere Verkehrsteilnehmer*innen, sodass Aufenthaltsqualität gleichzeitig Fußverkehrsförderung ist.

 Unterziel E2: Die bereits attraktiven öffentlichen Räume in Marburg, bspw. die Oberstadt, die Lahnufer und Grünflächen in der Kernstadt, sollen durch attraktive Wegeachsen noch besser vernetzt werden. Einerseits entstehen so neue Aufenthaltsqualitäten, andererseits wird durch attraktive Vernetzung auch die Nahmobilität als Faktor einer Stadt der kurzen Wege gefördert.

 Unterziel E3: Viele Straßenräume, insbesondere die Hauptverkehrsstraßen, sind in Marburg funktional vor allem auf den Kfz-Verkehr ausgelegt. Die Folge sind Trennwirkungen, wenig Raum für andere Verkehrsarten und geringe Aufenthalts- und Gestaltqualitäten. Für Straßenräume sollen zukünftig alle Straßenraumansprüche (Mobilitätsansprüche aller relevanten Verkehrsarten, Aufenthaltsansprüche, Wohnumfeldansprüche, Grüngestaltung) berücksichtigt werden. Leitlinie für Neubaumaßnahmen oder zukünftig anstehende Straßenraumumgestaltungen soll die Gestaltung des Straßenraums von „außen“ nach „innen“ mit Orientierung am Prinzip 30:40:30 (Verhältnis Seitenraum : Fahrbahn : Seitenraum) der allgemein anerkannten Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06 der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen) sein. In der situationsbezogenen Einzelfallabwägung der unterschiedlichen Nutzungsansprüche erhalten die Belange von „Seitenraumnutzungen“ (inkl. des Fahrradverkehrs auf der Fahrbahn) gegenüber den Ansprüchen des fahrenden Kfz-Verkehrs bei Baumaßnahmen Priorität.

 Unterziel E4: Eine klimafreundliche Gestaltung des öffentlichen Raumes (Plätze, Wege, Straßenräume, ...) setzt auf die Verbesserung des Mikroklimas (Grüngestaltung, Versickerungsflächen, Entsiegelung, ...) und eine Klimaanpassung (wo möglich Verwendung heller Materialien zur Verringerung der Hitzebildung, Berücksichtigung von Starkregenereignissen in der Stadt- und Verkehrsplanung, ...).

 

Oberziel F: Mobilitätswende – Marburg bewegen

Oberziel F ‚Mobilitätswende – Marburg bewegen‘ hat zum Ziel, die Marburger Bevölkerung sowie die vielen weiteren in Marburg mobilen Menschen (Pendler*innen, Kund*innen, Tourist*innen, usw.) in den Prozess der Mobilitätswende einzubinden und selbst zu Gestalter*innen der Veränderungen zu machen. Eine Aktivierung der Öffentlichkeit setzt voraus, dass Bürger*innen sowie weitere Akteure in geeigneten Formaten Informationen zu den Mobilitätsangeboten erhalten, eingebunden werden und partizipieren können. Über attraktive Angebote werden Bürger*innen zum Mitmachen motiviert (keine Verbote schaffen).

 Unterziel F1: Über die Vielfalt der Mobilitätsangebote für Bürger*innen und Pendler*innen, die in Zukunft weiter ausgebaut werden soll (siehe u.a. Oberziel C), müssen die Verkehrsteilnehmer*innen informiert werden, um eine bewusste Entscheidung treffen zu können, welches Verkehrsmittel das jeweils geeignete ist. Hierfür müssen entsprechend der Zielgruppe (Kinder, Senior*innen, Pendler*innen, Radfahrer*innen, Fahrgäste,...) unterschiedliche Informationen und spezifische Marketinginstrumente gewählt werden. Marketing soll kein finanzieller Selbstzweck sein, sondern die Mobilitätswende bewerben und zu Verhaltensänderungen motivieren.

 Unterziel F2: Die Mobilitätsplanung soll sich an den Bedürfnissen der Marburger*innen, wichtiger Akteure (bspw. Gewerbetreibende) und weiteren Menschen ausrichten, die in Marburg mobil sind (Pendler*innen, Tourist*innen, Freizeitbesucher*innen, auswärtige Studierende oder Schüler*innen, ...). Ziel ist ihre Information über Prozesse der Mobilitätsplanung und ihre zielgerichtete und zielgruppenorientierte Beteiligung (siehe auch Unterziel F1). Eine zielgruppenorientierte Mobilitätsbildung ist wichtig, um die Menschen in die Lage zu versetzen, Zusammenhänge nachvollziehen zu können und ihr Verhalten bewusster zu steuern.

 Unterziel F3: Ein Mobilitätsmanagement in Schulen und Betrieben soll Anreize für Verkehrsverhaltensänderungen als Teil einer Mobilitätswende setzen. Adressaten sind unter anderem die Beschäftigten, Schüler*innen, Studierenden oder Kund*innen. Das Mobilitätsmanagement setzt eher auf weiche Maßnahmen (Information, Organisation, neue Angebote) und weniger auf große infrastrukturelle Maßnahmen. Die notwendige Verbesserung/Entwicklung der Infrastrukturen ist Teil anderer Maßnahmen bzw. Ziele (u.a. Oberziele A, C, D).

 Unterziel F4: Mobilität soll vielfältig sein und für alle Ziele und Wegezwecke das passende Verkehrsmittel anbieten. Mobilität soll somit verstärkt eine Serviceleistung sein. Dazu bedarf es eines Ausbaus der verschiedenen Mobilitätsangebote (siehe andere Oberziele des Zielsystems), einer physischen Vernetzung (bspw. Unterziel C5) und Möglichkeiten, sich einfach und übergreifend über die Mobilitätsangebote zu informieren. Die Chancen der digitalisierten Vernetzung der Mobilitätsangebote (websitegestützt, „Apps“, ...) sind zu nutzen.

 

Erste Indikatoren und Zielwerte

Anhand von Indikatoren soll die regelmäßige Überprüfbarkeit von MoVe 35 gewährleistet und der Maßnahmenfortschritt bzw. die Maßnahmenwirkung nach Umsetzung in jeweils festgelegten Abständen überprüft werden. Die im Folgenden entwickelten und mit der AG MoVe 35 abgestimmten ersten Zielwerte sind zusätzlich zum Zielsystem ein Maßstab für die Ausarbeitung des Maßnahmenkonzeptes. Wo zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Festlegung konkreter Zielwerte möglich ist, ist über die Beschreibung eines Zielzustandes ein qualitativer Zielwert eingefügt worden.

Zur Verringerung der Komplexität sind die Indikatoren insgesamt auf den Zielhorizont 2035 ausgelegt worden. Notwendige Zwischenschritte werden im weiteren Prozess von MoVe 35 im Rahmen der Maßnahmen definiert, da einige Zielwerte aufgrund gesetzlicher Vorgaben auch deutlich früher als 2035 erreicht werden müssen (z.B. Barrierefreiheit im ÖPNV nach PBefG bis 2022). Wichtig ist auch, dass einige Zielwerte (bzw. Maßnahmen) nicht allein durch die Stadt Marburg oder MoVe 35 beeinflusst werden können (z.B. Emissionen entlang von Schienenstrecken, die über den Lärmaktionsplan der Stadt ermittelt werden). Sowohl MoVe 35 als auch andere Pläne wie der Lärmaktionsplan sind aber eine Grundlage für die Stadt Marburg, um zuständige übergeordnete Behörden auf Handlungsbedarfe aufmerksam zu machen.

 

Übergreifender Indikator: Modal Split

Als übergreifender Indikator ist der Modal Split allen Oberzielen zugeordnet. Der Modal Split zeigt als Indikator vereinfacht die Verkehrsmittelwahl für alle Wege der Marburger*innen an  (siehe hierzu auch der Zwischenbericht zu MoVe 35).

Ein wichtiges Ziel von MoVe 35 ist die Mobilitätswende und die „Anreizbasierte Verringerung der Kfz-Verkehrsmengen durch Ausbau attraktiver Alternativen“ (siehe Unterziel C1/D1). Als Indikator wird hierzu der Modal Split hinzugezogen. Das Ziel soll sein, den Anteil der Wege, die mit dem Umweltverbund (Fahrrad, ÖPNV, zu Fuß) zurückgelegt werden, von derzeit 58 % auf mindestens 68 %, unter Berücksichtigung des Ziels der Klimaneutralität Marburgs, möglichst auf 79 % zu erhöhen. Der Vergleich mit anderen Städten, wie Zürich, Karlsruhe oder Freiburg, zeigt, dass sich der Anteil des Umweltverbundes durch geeignete Maßnahmen in einem vergleichbaren Zeitraum von 10-15 Jahren um ca. 15 % steigern lässt. Wird das Ziel der Klimaneutralität Marburgs dem Modal-Split zugrunde gelegt und dafür die Aussagen der Wuppertal-Studie (Wuppertal Institut (2020). CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrages zur Einhaltung der 1,5 Grad-Grenze. Bericht. Wuppertal) herangezogen, muss der derzeitige Kfz-Anteil am Verkehrsgeschehen um 50 % reduziert werden. Daraus ergibt sich ein Anteil des Umweltverbundes von 79 %.

 

 

 

Abbildung 2: Heutiger Modal Split in Marburg & Zielwertspanne für den Modal Split 2035

 

 

Weitere Zeitplanung und Beteiligungsmöglichkeiten im MoVe 35-Prozess:

Im weiteren Prozess, der nun noch etwa ein Jahr in Anspruch nehmen wird, werden mögliche Szenarien einer verkehrlichen Entwicklung in Marburg erarbeitet und das Maßnahmenkonzept mit einer Priorisierung und Umsetzungsstrategie erarbeitet. Weitere Beteiligungen der prozessbegleitenden AG MoVe 35, der Ortsvorsteher*innen sowie des Vorsitzenden der Stadtteilgemeinden, der Politik sowie der Bürger*innen sind hierzu vorgesehen.

 

21_07_12 MoVe 35 Zeitplanung

(Stand: August 2021)

 

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Finanz. Auswirkung

Keine

 

 

 

Dr. Thomas Spies

Oberbürgermeister

 

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