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Ratsinformation
Antrag der Fraktion Marburger Linke - VO/0687/2009
Grunddaten
- Betreff:
-
Antrag der Fraktion Marburger Linke betr. Rosenstraße 9
- Status:
- öffentlich (Vorlage abgeschlossen)
- Vorlageart:
- Antrag der Fraktion Marburger Linke
- Federführend:
- 09 - Unterstützung kommunaler Gremien
- Bearbeiter*in:
- Melanie Drusel
- Beteiligt:
- 60 - Bauverwaltung und Vermessung
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Bau- und Planungsausschuss, Liegenschaften
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Vorberatung
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22.10.2009
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Erledigt
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Stadtverordnetenversammlung
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Entscheidung
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30.10.2009
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Erledigt
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Magistrat
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Kenntnisnahme
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Beschlussvorschlag
Der
Magistrat wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass im Zuge der
Realisierung der Neubebauung des Gebiets zwischen
Lahn/Bahnhofstraße/Rosenstraße das Haus Rosenstraße 9 weder abgerissen noch
abgetragen, sondern unter Beibehaltung der Bausubstanz in ihrer jetzigen Form
erhalten und in dieser Form in das neu zu gestaltende Umfeld integriert wird.
Sachverhalt
Begründung
Der
Marburger Historiker, Erforscher der Marburger Häusergeschichte und
international anerkannte Spezialist für Denkmalschutz Angus Fowler begründet
die volle Erhaltungswürdigkeit dieses Gebäudes so:
„Das
Haus Rosenstraße 9 - zur Geschichte und Bedeutung
Das
Haus Rosenstraße 9 wurde 1876 vom bereits 1868 in Marburg ansässigen
Maurer/Maurermeister/Bauunternehmer Johann Georg Heres (auch Heeres genannt)
als Eigentum für sich selbst errichtet. Mit klassizistischer Form und reichem
Terrakotta-Dekor stellt sich das Haus als
gediegener, anspruchs- und qualitätsvoller Bau der Gründerzeit dar. Das
Haus galt seinerzeit offensichtlich als Musterhaus, als Visitenkarte seines
Bauherrn und Erbauers und seines Berufes. Wohl von Heres stammt auch das
ähnliche, 10 Jahre ältere Haus Ketzerbach 14 , 1865 erbaut, ebenfalls mit
Terrakotta-Dekor, das älteste Haus mit sichtbarem Ziegelmauerwerk überhaupt in
Marburg. Heres hatte nachweislich 1880 am Wohnhaus-Teil dieses Hauses und am
Nachbarhaus Ketzerbach 15 (ein Fachwerkbau) gearbeitet. Bauherr von Ketzerbach
14 und 15 war Otto von Heusinger (1830-1901), ein in Marburg angesehener
praktischer Arzt, Gerichtsmediziner, Medizinalrat, Professor an der
Universität, 30 Jahre lang Stadtrat und 1900 Ehrenbürger der Stadt, aus bekannter Marburger Ärzte- und Professorenfamilie (sein Vater wurde
offensichtlich in preußischer Zeit nach 1866 geadelt). Das Haus Ketzerbach 14
ist wohl an das etwas ältere benachbarte, ebenfalls steinsichtige Gebäude,
Ketzerbach 11 angelehnt, in einfacherer, schlichter Form1860 vom Maurermeister
Benedikt Dauber - wie Rosenstraße 9 von und für Heres - als Eigentum für sich
selbst errichtet. Vielleicht auch von Heres stammt das Haus Barfüsserstraße 19,
das älteste Haus mit vollsichtbarem Ziegelmauerwerk in der Marburger Oberstadt.
Im
Hause Rosenstraße 9 hat Heres - zumindest bis 1884 - nicht gewohnt. Nach
Ausweis der Marburger Adressbücher hat er 1868 und 1874 im Haus, damals mit der
Nr. 443, in Zwischenhausen, d.h. in einem Vorgängerbau der 1892 erbauten
Ketzerbach-Schule gelebt. Spätestens 1876 ist er in das große, verputzte Haus,
damals mit der Nr. 496 (nach 1884 mit der Straßennummer Ketzerbach 18) gezogen,
wo er 1884 noch lebte.
Es
scheint so, als habe sich Johann Georg Heres mit diesen Bauten mit sichtbarem
Ziegel- und Bruchsteinmauerwerk in
der Stadt Marburg erstmals als Maurer bzw. Maurermeister und Bauunternehmer
sich überhaupt mit diesen Baumaterialien befasst - Baumaterialien, die
insbesondere in Brandenburg-Preußen (z.B. Kirchen im Mittelalter und wieder im
19. Jh., aber im 19. Jh. auch Hausbauten und landwirtschaftliche Gebäude)
verwendet wurden und - wohl durch den Einfluss des Architekten und
Architekturtheoretikers Georg Gottlob Ungewitter (1820-1864), Lehrer an der
kurhessischen Höheren Gewerbeschule in Kassel - zunehmend auch in Kurhessen
Eingang fanden. Allein aus baugeschichtlichem Grund schon hat das Haus
Rosenstraße 9 eine hohe Bedeutung. Die noch vorhandenen Gebäude, Stallungen
usw. im Hinterhof und die dazu gehörige, leider inzwischen abgebrochene
Schmiede zeugen überhaupt von einem bedeutenden Baukomplex bzw. Anwesen.
Zusätzlich
aber kommt dem Hause Rosenstraße 9 zusätzlich durch seine Bewohner eine
weitergehende hohe sozial- bzw. kulturgeschichtliche Bedeutung zu: Spätestens
1881 wohnte hier Professor Ferdinand Justi (1837 - 1907), ein Germanist und
sehr bedeutender Orientalist seiner Zeit (Verfasser einer Grammatik der
kurdischen Sprache), Volkskundler, Trachtenforscher (Verfasser des Hessischen
Trachtenbuches) und Maler bzw. Zeichner (mehrere Werke von ihm sind abgebildet
bei Ingeborg Schnack, Marburg/Bilder einer alten Stadt, Honnef/Rhein 1961). Im
Haus Rosenstraße 9 wuchs Justis Sohn, der weltbekannte Kunsthistoriker Ludwig
Justi (1876-1957), auf, der Direktor der Nationalgalerie in Berlin und später
Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin wurde und der sich - wie sein
Kunsthistoriker-Kollege, der Marburger und Berliner Professor Richard Hamann
- 1950 für den Erhalt des Berliner
Schlosses - leider vergeblich - einsetzte. Älterer Bruder von Ferdinand Justi
war der Philosoph und Professor für Kunstgeschichte in Bonn, Carl Justi
(1832-1912). 1884 wohnten im Hause neben der Familie Justi der Rentier (ehemals
Buchhändler) Carl Kratz und der Hauptmann von Appell (der Aufsätze in der Zeitschrift des Vereins
für Hessische Geschichte und Landeskunde veröffentlichte). Wenn solche
Persönlichkeiten 1884 im Hause Rosenstraße 9 gewohnt haben, kann das Haus für
sie nicht ganz ohne Bedeutung bzw. Stil gewesen sein!
Erst
vor drei Jahren in die Druckvorlage der immer noch nicht veröffentlichten Denkmaltopographie
der Stadt Marburg, Band 2 (Grundlage der Denkmalliste) verbindlich aufgenommen,
wirkt die Aufgabe des Hauses jetzt ohne genaue Prüfung oder detaillierte
Bestandsaufnahme außen und innen wie ein Hohn. Wie aber bereits im Falle des
Behring-Labors Wannkopfstr. 14(13) (Bedeutung des Labors als authentische
Stätte des Wirkens Emil von Behrings mit Anklängen des Baues durch
Verbretterung an Behrings westpreußischem Heimat) wurde ebenfalls hier im Falle
von Rosenstraße 9 offensichtlich durch Ignoranz bzw. fehlendes Wissen, da keine
weitergehende Erforschung des Hauses stattgefunden hat, die Bedeutung des Baues
durch die Denkmalbehörden jetzt gänzlich verkannt bzw. nicht wahrgenommen und
heruntergespielt. Nur so konnte das Haus, Wirkungsort der Familie Justi,
leichtfertig von der Denkmalliste gestrichen werden, um einem Neubau geopfert
zu werden. Die Aufnahme einiger der Bauelemente des Hauses in den Neubau bzw.
die nach Abtragung wieder aufgebaute Vorderfassade können den Verlust des
Hauses im Ganzen nicht wieder gut machen! Der Öffentlichkeit gegenüber sind die
Denkmalbehörden eine Antwort schuldig, warum sie erst das Haus auf die
Denkmalliste gesetzt und nun gestrichen haben. Eine solche Vorgehensweise
stellt Sinn und Zweck des Denkmalschutzes völlig in Frage und macht den
Denkmalschutz und die Denkmalbehörden in einer Stadt, die sich nach eigenem
Bekenntnis anschickt, Welt-Kulturerbestadt zu werden, unglaubwürdig.
Für
den Investor und sein Vorhaben und für die künftig zu erwartenden Besucher des
Kongress-Zentrums würde die Erhaltung des authentischen Denkmals Rosenstraße 9
im Ganzen (und nicht nur eine vorgeblendete Fassade) eine weitaus positivere
Wirkung als Abbruch bzw. Abtragung erzielen.“
Wir
schließen uns dieser Stellungnahme von Herrn Fowler an und verweisen darauf,
dass eine Abtragung des Hauses Rosenstraße 9, wobei lediglich die Fassade
erhalten bleibt (und dies u. U. auch nur teilweise) § 16 des Hessischen
Denkmalschutzgesetzgesetzes, Abschnitt B § 16, widerspricht.
Halise
Adsan
Georg
Fülberth
Astrid
Kolter
Birgit
Schäfer
Dr.
Michael Weber
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