Der Monat Februar steht im Zeichen des „Black History Month“ und zahlreiche Marburger Institutionen entwickeln ein facettenreiches Programm. Auch Kultur Mobil beteiligt sich an der Aktion und bietet eine Plattform für Schwarze Künstler*innen.
Der Black History Month will weltweit die Anerkennung historischer Leistungen von People of Color sichtbar machen und zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit struktureller Diskriminierung Schwarzer Menschen aufrufen. Seinen Ursprung hat er im 20. Jahrhundert in Nordamerika und wird dort seit den 1970er-Jahren als offizielle Veranstaltungsreihe durchgeführt. Ab der Jahrtausendwende wurde dieser in Europa öffentlich bekannter und ist inzwischen auch in Deutschland präsent.
Einen Monat im Jahr Schwarzer Geschichte zu gedenken und sie aufzuarbeiten, reicht selbstverständlich nicht aus, um mit historisch gewachsener und struktureller Diskriminierung zu brechen. Aus diesem Grund ist der diesjährige Black History Month in Marburg ein Auftakt, ein Sichtbarmachen von gesellschaftlichen Missständen und eine Möglichkeit für das Empowerment Schwarzer Menschen und People of Color.
Auf dieser Seite finden Sie wöchentlich neue Inhalte zum Thema.
Der erste Beitrag, auf den wir aufmerksam machen möchten, ist die DW-Dokumentation Afro.Deutschland – moderiert von Jana Pareigis. Der Film lässt ausschließlich afrodeutsche Menschen zu Wort kommen. Darunter der Ex-Nationalspieler Gerald Asamoah, der Schauspieler Theodor Wonja Michael oder der Rapper Sammy Deluxe. Sie alle haben der TV-Moderatorin Jana Pareigis erzählt, wie sie Rassismus in Deutschland erleben und was sie selbst in ihrer Musik, ihrer Kunst oder im Gespräch dagegen tun.
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Pareigis hat einen polyethnischen Migrationshintergrund mit Angehörigen in Deutschland, Schweden und Simbabwe. Sie studierte Politologie und Afrikanistik in ihrer Heimatstadt Hamburg sowie in New York und Berlin. Ab 2010 war sie TV-Moderatorin der Nachrichtensendung Journal bei DW-TV sowie freie Redakteurin u. a. für den WDR, Zeit Online und die Deutsche Welle. Seit April 2018 ist sie Hauptmoderatorin des ZDF-Mittagsmagazins.
Katharina Oguntoye, May Opitz/Ayim, Dagmar Schultz:
Farbe Bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, Berlin 1986.
'Sie sprechen aber gut deutsch', sagt man zu ihnen. 'Woher kommen Sie denn?' fragt man sie. Und tröstet sie schließlich mit den Worten: 'So schwarz sind Sie ja gar nicht.' Solche Phrasen sind selbst weißen Menschen nicht unbekannt. Obwohl das Buch Mitte der 80er-Jahre erschienen ist, hat es an Aktualität nichts eingebüßt. Hierbei handelt es sich um ein zeitloses Werk, die Probleme haben sich bis heute kaum geändert. Mit ihrem Buch versuchen die Autorinnen, sich auf die Suche nach ihrer Geschichte zu begeben, gesellschaftliche Zusammenhänge von Rassismus offenzulegen und auf ihre besondere Situation aufmerksam zu machen. Eine Situation, die sich, im Zeichen zunehmend rassistischer Übergriffe und Anschläge, verschärft hat.
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Auch fast 15 Jahre nach seinem Tod wird der Reggae-Musiker Lucky Dube in weiten Teilen der Welt, und vor allem in Afrika wie eine Legende verehrt. Auch für den lokalen Musiker Oggie Wisdom Lauer ist er der wichtigste Einfluss seines Schaffens und zollt ihm im Rahmen des zweiten Beitrags zum Black History Month Tribut.
Künstlerisches Lucky Dube Portrait von "Jona Ras Tarzan".
Der 1964 geborene charismatische Sänger hinterließ nach seinem rund 30-jährigen Wirken ein beispielloses Vermächtnis, das vor allem Reggae-Künstler*innen bis heute inspiriert. Dube wuchs im südafrikanischen Apartheids-Regime in ärmlichen Verhältnissen auf und musste bereits als Teenager seinen Beitrag zum Familieneinkommen leisten. Zugleich arbeitete er intensiv an seiner musikalischen Karriere, sammelte frühzeitig Banderfahrung und war vor allem durch die Musik Bob Marley´s und Peter Tosh´s geprägt.
Mitte der 80er-Jahre gelang Dube mit der Veröffentlichung des Albums „Rastas never die“ der Durchbruch, da es sich vor allem mit der rassistischen Politik des Apartheid-Regimes kritisch auseinandersetzte. Die Regierung verbot das Album prompt, was ihm jedoch letztlich zu mehr Popularität verhalf. Auch nach dem Sturz des Regimes ließ es sich Dube nicht nehmen, politisch wichtige Themen anzusprechen wie soziale Ungleichheit, Rassismus und die Verfolgung politisch Andersdenkender. 2007 kam Dube in Johannesburg in Folge eines Raubüberfalls ums Leben. Die Regierung Südafrikas ehrte ihn mit einem Staatsbegräbnis.
© Bild: Apartheid Museum Entrance, Johannesburg von Annette Kurylo. Lizenz: CC BY-SA 3.0Eigentlich ist Apartheid ein harmloses Wort aus dem Afrikaans und steht für “Gesondertheit” beziehungsweise “Trennung”. Der Begriff hat aber im Laufe der Jahrzehnte dauernden strikten “Rassentrennung” in Südafrika seine Bedeutung gewandelt. Apartheid steht nun für die systematische Unterdrückung einer nicht weißen Bevölkerungsmehrheit von rund 41 Millionen Menschen durch vier Millionen Weiße.
Ab 1948 wurde das gesamte öffentliche Leben von einer strikten “Rassentrennung” gekennzeichnet, immer zahlreicher wurden die diskriminierenden Gesetze, deren Einhaltung mit massiver Polizeigewalt durchgesetzt wurde. Ziel war es, die Rechte und Privilegien der weißen Minderheit zu schützen und zugleich schwarze Arbeitskräfte verfügbar zu haben.
Die Gründung sogenannter Homelands, formell unabhängige Stammesgebiete der Schwarzen, wie Transkei, Ciskei, Venda und KwaZulu untermauerte die Rassentrennung auch räumlich. Mit diesen ‘Riesenghettos’, in denen ausschließlich Schwarze lebten, versuchte sich die südafrikanische Regierung vollständig der politischen, ökonomischen und sozialen Verantwortung zu entziehen.
Ende der 80er-Jahre stieg der außen- wie innenpolitische Druck, sodass das Regime wichtige Zugeständnisse machen musste, um bürgerkriegsähnliche Zustände zu verhindern. Dies beinhaltete die Aufhebung der Gesetze zur Rassentrennung und die Freilassung politischer Gefangener, wie etwa dem späteren Präsidenten Nelson Mandela. Zwar herrscht nun auf dem Papier Gleichheit, doch soziale und wirtschaftliche Ungleichheit sind geblieben. In kaum einem anderen Land ist die soziale Ungleichheit zwischen Hautfarben und gesellschaftlichen Klassen so groß und ausgeprägt wie in Südafrika. Es ist das Erbe der Apartheid.
Aus: Wolfgang Neumann-Bechstein, Geschichte Südafrikas. Apartheid, in: https://www.planet-wissen.de/kultur/afrika/geschichte_suedafrikas/pwieapartheid100.html
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Orry Mittenmayer ist Experte für demokratische Mitbestimmung und intersektionale anti-rassistische Arbeit. Er engagiert sich bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und kämpft für mehr Mitbestimmung von prekär Beschäftigten in der Plattformökonomie und den Lieferdiensten. Zum Anlass des Black History Months liest er aus dem Buch „Nach der Flut das Feuer“ von James Baldwin einige eindrückliche Textstellen vor.
Hier gehts zu Orry Mittenmayers Instagram Account
© Bild: "James Baldwin 37" von Allan Warren. Lizenz: CC BY-SA 3.0.Kaum ein Schriftsteller des 20. Jahrhunderts hat in den vergangenen Jahren eine ähnliche Renaissance erfahren wie James Baldwin. Er gilt als eine zentrale intellektuelle Figur der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und bringt wie nur wenige andere Literaten sein Hadern mit seinem Herkunftsland und seiner Heimatstadt New York zum Ausdruck.
Geboren im Jahr 1924, wuchs Baldwin in Armut und strenger Religiosität auf. Trotz Druck seines Stiefvaters wandte er sich frühzeitig vom Predigerdasein ab, hin zu einer Karriere als Schriftsteller. Dem ständigen Rassismus und der Homophobie überdrüssig, lebte und arbeitete er zwischenzeitlich in Paris, ehe er sich in den 60er-Jahren verstärkt für die Bürgerrechtsbewegung engagierte.
Mit den Morden an Malcolm X und Martin Luther King jr. und den damit einhergehenden gesellschaftlichen Spannungen entschloss Baldwin sich erneut nach Frankreich zurückzuziehen und blieb dort bis zu seinem Tod 1987.
Die meisten seiner Arbeiten beschäftigen sich mit Rassismus und Sexualität. Seine Erzählungen sind berühmt für den persönlichen Stil, in dem Fragen der Identität von Schwarzen und Homosexuellen und damit verbundener sozialer und psychologischer Druck zur Sprache kommen, lange bevor die soziale, kulturelle oder politische Gleichstellung dieser Gruppen erkämpft wurde.
Zu seinen bekanntesten Werken zählen beispielsweise Go Tell It on the Mountain, Giovannis Room, sowie If Beale Street could talk. Letzterer wurde verfilmt und erhielt 2018 einen Golden Globe und eine Oscar-Auszeichnung.
© 2019 hanserblau in der Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München.Wer Rassismus bekämpfen will, muss Veränderung befürworten – und die fängt bei einem selbst an.
„Darf ich mal deine Haare anfassen?“, „Kannst du Sonnenbrand bekommen?“, „Wo kommst du her?“ Wer solche Fragen stellt, meint es meist nicht böse. Aber dennoch: Sie sind rassistisch. Warum, das wollen weiße Menschen oft nicht hören.
Alice Hasters erklärt es trotzdem. Eindringlich und geduldig beschreibt sie, wie Rassismus ihren Alltag als Schwarze Frau in Deutschland prägt. Dabei wird klar: Rassismus ist nicht nur ein Problem am rechten Rand der Gesellschaft. Und sich mit dem eigenen Rassismus zu konfrontieren, ist im ersten Moment schmerzhaft, aber der einzige Weg, ihn zu überwinden.
© 2019 hanserblau in der Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, München
© 2020 Suhrkamp Verlag
In diesem Beitrag wollen wir auf den Podcast von Deutschlandfunk über das Buch
"Afropäisch – Eine Reise durch das Schwarze Europa" von Johny Pitts
aufmerksam machen.
Ihr findet den Link zum Podcast hier.
Fünf Monate lang bereiste Autor und Journalist Johny Pitts die Metropolen Europas von den Favelas am Rande Lissabons bis zur einstigen Patrice-Lumumba-Universität in Moskau. Herausgekommen ist ein eindrucksvolles Journal über das facettenreiche Alltagsleben Schwarzer Minderheiten in Europa. Auf der Suche nach postkolonialen Identitäten tauscht sich Pitts nicht nur mit Menschen aus Musik, Kultur und Politik aus. Er trifft ebenso einfache Arbeiter*innen und Selbstständige, so etwa ghanaische Restaurantbesitzer*innen aus Berlin. Es wird deutlich, wie sehr Schwarze Minderheiten seit Generationen die Gesellschaft und die Kultur dieses Kontinents geprägt haben und immer noch prägen. Und was die meisten von ihnen gemein haben: Rassismus und Armut sind Teil des Alltags vieler Schwarzer Europäer*innen.
Pitts ist Mitbegründer des Online-Journals Afropean. Adventures in Black Europe. Für sein Engagement für eine afropäische Identität wurde er vielfach ausgezeichnet, unter anderem vom Europäischen Netzwerk gegen Rassismus. 2020 erhielt er den Jhalak Prize for Book of the Year by a Writer of Color.
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Der nächste Act ist die gebürtige Marburgerin Doro Idahor, Sängerin der Band Phimus.
Für den Black History Month hat die Sängerin Ihren Song „When I‘m Down“ mitgebracht. In dem Song singt sie über schwierige Familienverhältnisse und einer Schwarzen Perspektive in einer vorwiegend weißen Welt. Angesichts solcher Bedingungen artikuliert der Song die Erkenntnis, sich am Ende nur selbst retten zu können und appelliert daran, nach eigenen Regeln und Werten zu leben. Doro wohnt mittlerweile in Wiesbaden und arbeitet aktuell an weiteren eigenen Kompositionen. Sie wird von David Christ, dem Gitarrist und Produzent von Phimus, begleitet.
In freundlicher Zusammenarbeit mit dem mit dem Hessischen Landestheater Marburg (HLTM), dem Theater neben dem Turm (TNT), dem Erwin-Piscator-Haus (EPH) und weiteren im Rahmen des