Die Universitätsstadt Marburg und der Landkreis Marburg-Biedenkopf haben im Rahmen ihrer gemeinsamen Initiative „Gesundheit fördern – Versorgung stärken“ zum zweiten Mal eine Versorgungskonferenz veranstaltet, diesmal ging es um geschlechtergerechte Medizin. Landrätin Kirsten Fründt eröffnete die Konferenz in diesem Jahr, auch im Namen von Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies.
Die Landrätin wies darauf hin, wie wichtig die geschlechterspezifischen Unterschiede in der Versorgung der Menschen sind. Das führte Dr. med. Ute Seeland vom Institut für Geschlechterforschung in der Medizin an der Charité Berlin in ihrem Vortrag aus. Sie zeigte am Beispiel von Herz-Kreislauferkrankungen, wie unterschiedlich die Symptome bei Frauen und Männern sein können und „warum wir eine geschlechtersensible Versorgung brauchen“. Die Gendermedizin berücksichtige diese Geschlechterunterschiede und trage dazu bei, die Qualität der medizinischen Versorgung von Frauen und Männern zu verbessern.
Im zweiten Vortrag zeigt Frau Prof. Dr. Sabine Pankuweit, Klinik für Kardiologie des UKGM und Frauenbeauftragte des Fachbereichs Medizin, geschlechtergerechte Behandlungskonzepte in der kardiovaskulären Medizin auf. „Wie läuft die geschlechtergerechte Versorgung am UKGM? Wie läuft das in der Kardiologie? Wie ist das Notarztsystem da eingebunden?“ – solche und andere Fragen behandelte Pankuweit in ihrem Vortrag. Die derzeitige Situation sei so, dass Männer und Frauen zwar denselben Zugang zur medizinischen Versorgung haben, Frauen aber meist später ins Krankenhaus eingeliefert und Herzerkrankungen weniger häufig diagnostiziert würden. Das liege daran, dass Frauen andere Symptome zeigten als Männer.
Pankuweit stellte außerdem die in Marburg aufgebaute „Chest-Pain-Unit (CPU)“ vor. Hierbei handelt es sich um eine Schnittstelle zwischen dem kardiologischen Notfallbereich, dem Herzkatheter-Labor und der Intensivstation. Seit ihrer Einrichtung sei die Zahl der Todesfälle gesunken. Ziel sei es, in Nordhessen noch weitere dieser CPUs aufzubauen.
Pankuweit erklärte auch, dass „im Landkreis Marburg–Biedenkopf und der Stadt Marburg überdurchschnittlich oft reanimiert wird“. In 44,4 Prozent aller Notfälle werde mit Hilfe telefonischer Anleitung reanimiert (bundesweit 20,2 Prozent), in 55,6 Prozent (bundesweit 42,7 Prozent) aller Fälle werde eine Laienreanimation durchgeführt. „Die Stadt Marburg und der Landkreis Marburg-Biedenkopf sind ziemlich herzsicher“, sagte sie.
Der beste Schutz vor einer Herzerkrankung seien jedoch Vorsorge, Prävention und Aufklärung. In Marburg werde da einiges gemacht. Es gebe beispielsweise den Marburger Herzlauf, themenbezogene Symposien und eine gute Dichte an Laien-Defibrillatoren. Was noch fehle sei mehr Zeit, um den Patientinnen und Patienten eine differenziertere Beratung zu bieten, so Pankuweit.
Gemeinsam mit weiteren Akteurinnen und Akteuren aus dem Gesundheitssektor der Region diskutieren die Referentinnen im Anschluss auf dem Podium über die Fragestellung, wie es gelingen kann eine flächendeckende geschlechtergerechte Versorgung zu gewährleisten.
Mit Seeland von der Charité in Berlin und Pankuweit vom UKGM kamen Dr. Erich Wranze-Bielefeld (Ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes Landkreis Marburg-Biedenkopf), Dr. med. Payam Katebini (Ärztegenossenschaft PriMa) sowie Karl Hans Schuhmacher (Selbsthilfegruppe „Rund ums Herz“) über Versorgung ins Gespräch. Am Ende der Podiumsdiskussion lud Susanne Hofmann, Leiterin der „Gesunden Stadt“ Marburg, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung dazu ein, das Thema „Geschlechterspezifische Versorgung“ weiter voranzubringen und Netzwerke zu nutzen, um für das Thema weiter zu sensibilisieren.