© Freya Altmüller, Stadt Marburg
„Gewalt gegen Frauen ist kein Frauenthema, sondern geht uns alle an“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei einer Kundgebung auf dem Vorplatz des Erwin-Piscator-Hauses (EPH). „Jeden Tag versucht ein Mann, seine Partnerin oder Ex-Partnerin umzubringen und jeden dritten Tag gelingt es“. Zudem gebe es eine hohe Dunkelziffer von Frauen, die Gewalt gegen sie nicht kenntlich machten. Dabei sei es doch eine wesentliche Aufgabe des Staates, die Sicherheit aller Menschen zu gewährleisten. Diskriminierung und frauenfeindliche Äußerungen seien der Schritt vor dieser Gewalt. „Daher sollten wir nicht nur im stillen Kämmerlein dagegen sein, sondern uns auch offen dagegen positionieren“, so Spies.
Um ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen, erstrahlte das EPH anlässlich des internationalen Tages „Nein zu Gewalt gegen Frauen“ in Orange. In Solidarität mit Betroffenen wurden am 25. November weltweit Gebäude orangefarben beleuchtet. Die Farbe soll eine bessere, hellere Zukunft und die Hoffnung auf ein gewaltfreies Leben symbolisieren.
„In 2020 haben Frauen 119.164 Fälle von Partnergewalt gemeldet“, sagte Dr. Christine Amend-Wegmann, Leiterin des Gleichberechtigungsreferats der Universitätsstadt Marburg, das die Aktionen gemeinsam mit dem kommunalen Frauenbüro des Landkreises Marburg-Biedenkopf und dem Zonta-Club Marburg organisiert hat, in Kooperation mit einem breiten Aktionsbündnis. Das Problem beginne auch schon da, wo Grenzen überschritten werden, wo Zugänge zu gesellschaftlichen Ressourcen und Teilhabe beschnitten werden, so Amend-Wegmann. Sexismus trage auch zu einem Machtgefälle bei. Die Leiterin des Gleichberechtigungsreferats sprach in dem Zusammenhang die Unterrepräsentation von Frauen in politischen Ämtern und ihren geringeren Anteil an Führungspositionen an sowie den Gender Pay Gap an und Altersarmut bei Frauen.
Amend-Wegmann machte das Ausmaß von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz deutlich: 2019 gaben 68 Prozent der befragten Frauen an, das im Laufe ihres Erwerbslebens erfahren zu haben. „Das hat oft schlimme Folgen für das Selbstwertgefühl und macht auch krank. Hier muss sich viel ändern“, so Amend-Wegmann. Insbesondere sei auch wichtig, dass Frauen mit adäquater Hilfe rechnen können. Das Gleichberechtigungsreferat wolle sich daher im kommenden Jahr auch dafür einsetzen, gesetzliche Regelungen dazu bekannter zu machen und Sexismus am Arbeitsplatz zu bekämpfen.
© Freya Altmüller, Stadt Marburg
Die Intendantinnen des Hessisschen Landestheaters Marburg, Carola Unser und Eva Lange, haben eine gemeinsame Erklärung des Deutschen Städtetages „Gemeinsam gegen Sexismus und sexuelle Belästigung“ unterzeichnet. Stellvertretend für die beiden sprachen Saskia Boden-Dilling und Jorien Gradenwitz vom Theater bei der Kundgebung. „Die Zahlen der Opfer sind einer Demokratie nicht würdig“, sagte Boden-Dilling. Es gelte, Strukturen aufzubrechen, die Gewalt ermöglichen, ergänzte Gradenwitz. Beide erklärten, dass auch Sätze wie „Jetzt lächle doch mal“ oder „Jetzt stell dich doch mal nicht so an“ gegenüber Frauen Teil des Problems seien.
Kirsten Eckardt, Präsidentin des Zonta Clubs Marburg, sagte: „Die Zahl der von Gewalt betroffenen Frauen ist 2020 um knapp fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen.“ Angesichts der Zahlen erfahre auch etwa das Thema Partnergewalt nicht die Aufmerksamkeit, die es verdiene. Zonta fordert in der Petition „Zonta says no“ eine staatliche Koordinierungsstelle um jeglicher Gewalt gegen Frauen in Deutschland wirksam entgegen zu treten.
© Freya Altmüller, Stadt Marburg
Neben der Kundgebung gab es auf dem Vorplatz des EPH auch Informationsstände, an denen Marburger Initiativen und Vereine ihre Arbeit vorstellten. Im Capitol-Kino wurde der Film „Niemals Selten Manchmal Immer“ gezeigt. Er erzählt die Geschichte einer jungen Amerikanerin, die ungewollt schwanger wird und für eine Abtreibung von dem ländlichen Pennsylvania nach New York reist. Zudem wurde in Marburg an verschiedenen Stellen die Fahne „Nein zu Gewalt an Frauen“ von Terres des Femmes gehisst, beispielsweise am Marburger Rathaus und vor dem Kreishaus.
Auch der Landkreis positioniert sich klar gegen Gewalt an Frauen: „Wir als Landkreis Marburg-Biedenkopf stehen für eine offene Gesellschaft, in der Gewalt und Diskriminierung aufgrund des Geschlechts keinen Platz haben“, betont der Erste Kreisbeigeordnete Marian Zachow. „Die Weltgesundheitsorganisation WHO benennt Gewalt als eines der größten Gesundheitsrisiken für Frauen, dagegen müssen wir vorgehen“, ergänzt Leiterin des kommunalen Frauenbüros des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Janet Miller. „Dieses Jahr haben wir uns im Landkreis mit dem Thema Online-Gewalt gegen Frauen auseinandergesetzt und bieten gemeinsam mit dem Open Government des Landkreises mehrere Online-Seminare an, z. B. „Sicher im Umgang mit Handy, App & Co.“ mit Antje Marschall von der Cyberkriminalitätsabteilung der Polizei.“