© Stadt Marburg, Birgit Heimrich
„Wir wollen die Mittel aus dem Bundesprogramm dafür nutzen, die Luftqualität in Marburg schneller als bisher möglich entscheidend zu verbessern – auch mit kurzfristig realisierbaren Maßnahmen“, sagt Oberbürgermeister und Verkehrsdezernent Dr. Thomas Spies beim Pressetermin zur Vorstellung des neuen Konzepts. Für den Bund gehe es mit dem Sofortprogramm in erster Linie darum, Fahrverbote für Dieselautos zu verhindern. „Uns geht es darüber hinaus vor allem um die Gesundheit der Menschen, sie hat einen ganz entscheidenden Stellenwert“, sagt das Stadtoberhaupt. Der neue Masterplan ordne sich da „in unser kontinuierliches Engagement für gute Luft in Marburg ein“, erklärt Spies.
In sechs großen Themenfeldern will die Stadt mit dem „Green-City-Plan“ den Stickoxiden in der Marburger Atemluft auf den Leib rücken. Dabei geht es um
- Auf- und Ausbau von intelligenten Verkehrsinformationssystemen für den ÖPNV, Autos und Radverkehr,
- intelligente vernetzte Mobilitätsdienste
- Radverkehr
- Elektrifizierung des Verkehrs
- urbane Logistik und
- öffentliche Flotten.
Alle Themen haben mit dem motorisierten Straßenverkehr zu tun – der Hauptursache für die Schadstoffe in der Luft. Seit Jahren setzt sich die Stadt schon mit großem Engagement für mehr umweltgerechte Mobilität ein. Trotzdem gehört Marburg zu den Städten mit der höchsten Stickoxid-Belastung in Deutschland. Deshalb gehört sie auch zu den 60 deutschen Städten, denen die Bundesregierung mit ihrem milliardenschweren Sofortprogramm beim Kampf gegen die Stickoxide finanziell unter die Arme greift. Geld gibt es aber nicht nur für die Strategie, mit der Marburg die Luft in der Stadt deutlich schadstoffärmer machen will, sondern auch für die Projekte selbst. Diese sollen möglichst rasch möglichst zuverlässig und nachhaltig das gewünschte Resultat bringen.
„Wir freuen uns schon über den ersten Teil des Geldes für unseren „Green-City-Plan“, sagt Bürgermeister und Umweltdezernent Wieland Stötzel, der den Förderbescheid für die Konzepterstellung kurz vor Weihnachten in Berlin abgeholt hat. „Wir werden noch weitere Mittel aus dem Gesamttopf beantragen, um konkrete Maßnahmen auch schon kurzfristig auf den Weg zu bringen und umsetzen zu können, damit die Luft dauerhaft besser wird“.
Insgesamt elf Förderprogramme hat die Bundesregierung unter dem Dach von „Saubere Luft 2017-2020“ zusammengefasst. Unter welchem Zeitdruck die Stadt Marburg im vergangenen Herbst zwischen den verschiedenen Dieselgipfel-Runden in Berlin „zuerst den Antrag auf eine Antragstellung und dann innerhalb von 14 Tagen den Antrag selbst“ auf den Weg brachte, um die Fördermittel zu bekommen, schildert Jochen Friedrich, Leiter des städtischen Fachdienstes Umwelt- und Naturschutz, Fairer Handel und Abfallwirtschaft. „Unser Vorteil war, dass wir ohnehin schon viel tun für eine Minderung der Emissionen im Verkehr, darauf konnten wir zurückgreifen“ berichtet Friedrich. Er verweist unter anderem auf Bus- und Radverkehrsbeschleunigung durch intelligente Ampelschaltung, Parkleitsystem, Sharing-Angebote für Autos und Fahrräder oder die Umstellung auf E-Mobilität, bei der die Stadt mit gutem Beispiel vorangeht: 50 Prozent der Fahrzeuge der Stadtverwaltung sind E-Autos, die Dienstwagen von OB und Bürgermeister sind Hybrid-Autos, die auf Kurzstrecken in der Stadt ausschließlich mit Strom betrieben werden.
Trotzdem gibt es noch viel zu tun – zum Beispiel in der Frage der emissionsfreien, aber leistungsstarken Verkehrsverbindung auf die Lahnberge oder des Lieferverkehrs. Letzterer trägt nicht unwesentlich zur hohen Schadstoffbelastung in Marburg bei: „Machen dezentrale Güterverteilzentren für unsere Stadt Sinn, bei denen der Warenverkehr außerhalb oder zumindest am Rand der Stadt zentral ankommt und vor dort dezentral mit kleineren E-Fahrzeugen weiterverteilt wird?“, stellt Stadtentwicklungsplaner Dr. Stefan Blümling eine der strategischen Fragen vor, die im Rahmen der Masterplan-Studie untersucht werden.
Aber: Marburg muss nicht bis zur Fertigstellung der Studie im Sommer warten, um Mittel für Maßnahmen zur Schadstoffminderung zu bekommen. Auch schon während der Konzepterstellung für den „Green-City-Plan“ können Anträge gestellt werden. Zum Beispiel für das Programm zur „Förderung der Anschaffung von Elektrobussen im ÖPNV“. Bis zu 80 Prozent der Mehrkosten für Batteriebusse gibt es als Zuschuss, wenn ein teurerer Elektrobus statt eines vergleichbaren EURO VI-Diesel-Busses angeschafft wird. Bei Plug-In-Hybridbussen sind es 40 Prozent Zuschuss für die Mehrkosten, berichtet Dr. Stefan Blümling. Weitere Förderprogramme können noch kommen, „im Moment gibt es eine unglaubliche Dynamik“, sagt der Stadtentwicklungsplaner. „Wir stehen in der Frage in permanentem Austausch mit dem für uns zuständigen Lotsen. Diese Lotsen wurden eigens von den am Sofortprogramm beteiligten Ministerien zur Unterstützung der Kommunen eingesetzt“, so Blümling.
Dass alle Pläne, Studien, Fördermittel und Maßnahmen nur dann zum gewünschten Erfolg, sprich zu besserer Luft führen, wenn die Marburgerinnen und Marburger selbst mitmachen, betonen OB Spies und Bürgermeister Stötzel. Wenn sie also weniger – oder zumindest weniger allein – im Auto in der Stadt unterwegs sind, dafür mehr Bus oder Rad fahren sowie öfter zu Fuß gehen. „Dafür wollen und müssen wir Überzeugungsarbeit leisten und die Menschen gewinnen“, sagt Oberbürgermeister Spies.
Ein Kurzkonzept für den „Green-City-Plan“ mit Informationen zu den beteiligten Fachdiensten und städtischen Gesellschaften sowie Maßnahme-Schwerpunkten und Luftmesswerten gibt es hier.