© Gesa Coordes, i.A.d. Stadt Marburg
„Menschen für eine ernst zu nehmende Auseinandersetzung zu gewinnen, ist immer wertvoll“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Zugleich dürfe man rechtspopulistische Parteien aber nicht wichtiger machen als sie seien. Daher plädierte er auch dafür, „Auseinandersetzungen mit Blödsinn“ zu begrenzen. Holocaustleugner könne man allerdings nicht ignorieren. Wie also „Mit Rechten Reden?!“ – diese Frage bestimmte die Podiumsdiskussion.
Dass Rechtspopulisten unangemessen oft den Diskurs bestimmen, war auch ein Anlass für die Gründung des Vereins „Kleiner Fünf“, für den Devika Herrmann auf dem Podium saß. Die bundesweit agierende Gruppe möchte Menschen dazu befähigen, sich „radikal höflich“ gegen Rechte zu wehren. Dabei gehe es ihnen vor allem um das Gespräch mit Menschen in der Familie, im Freundeskreis, aber auch im Bus oder in der Kneipe. Mit Workshops, Kampagnen, Videos und zahlreichen Informationen im Netz (https://www.kleinerfuenf.de) erklären sie, wie man sich mit Rechtspopulisten auseinandersetzen kann. Sie achten darauf, andere ausreden zu lassen und sich nicht provozieren zu lassen, beziehen angesichts von menschenfeindlichen Äußerungen aber auch klare Positionen. „Am besten erreicht man Menschen in unserem direkten Umfeld, weil man ihnen auf Augenhöhe begegnet“, berichtete Herrmann. Manchmal müsse man Gespräche mit Rechtspopulisten aber auch abbrechen.
Der Soziologe und Politologe Dr. Floris Biskamp, der das Promotionskolleg rechtspopulistische Sozialpolitik der Universität Tübingen koordiniert, sprach über hetzerische Reden von Rechtspopulisten. Diese wüssten allerdings genau, wo die Grenze zur Volksverhetzung liege. Deshalb bewegten sie sich oft genau an, auf und über dieser Grenze und gewännen damit zu viel Aufmerksamkeit. Ein positives Gegenbeispiel sei die aktuelle Diskussion um günstigen Wohnraum. Dabei seien die rechtpopulistischen Parteien nicht präsent gewesen. Das sei der bessere Weg gewesen, sagte der Wissenschaftler.
Oberbürgermeister Spies freute sich auch über die Weltoffenheit der Marburger Bürger*innen: „In dieser Stadt haben wir einen breiten Konsens, dass wir Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nicht dulden.“ So protestierten im September vergangenen Sommer 7500 Menschen gegen Rassismus. Das seien so viele Demonstranten gewesen, dass diese Zahl andernorts kaum geglaubt werde. Um auch gegen latenten Rassismus vorzugehen, hat die Stadtverordnetenversammlung im Herbst ein Handlungskonzept in Auftrag gegeben. Damit sollen bestehende Initiativen und kommunales Handeln gegen Rechtsextremismus unterstützt und weiter verbessert werden. Es sollten auch noch mehr Begegnungsräume und Treffmöglichkeiten zwischen Menschen mit Migrationshintergrund und Einheimischen geschaffen werden, sagte Spies. Je mehr Menschen mit Flüchtlingen und Migranten zu tun hätten, umso seltener wählten sie rechtsextreme Parteien.
© Gesa Coordes, i.A.d. Stadt Marburg
Moderiert wurde die Veranstaltung von Tina Dürr vom Demokratiezentrum Hessen, das regelmäßig mit der Stadt kooperiert. Die an der Philipps-Universität angesiedelte Einrichtung bietet mobile Intervention gegen Rechtsextremismus. Die Berater des Netzwerks reisen in Dörfer und Schulen, zu Vereinen, Eltern und Opfern, wenn rechte Parolen gegrölt, Ausländer*innen angepöbelt oder Friedhöfe mit Hakenkreuzen beschmiert werden.