© Heike Döhn, i.A.d. Stadt Marburg
„Mit dem „Marburger Leuchtfeuer“ würdigen die Universitätsstadt Marburg und die Humanistische Union keine großen Organisationen, sondern bewusst einzelne Menschen, die sich für ein gutes Zusammenleben, für Teilhabe, einsetzen“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei der Verleihung an Stefan Diefenbach-Trommer. „Wir würdigen Vorbilder. Und das sind Sie eindeutig: Mit Ihrem Einsatz für die demokratische Rechte wie auch Pflichten der Bürger*innen sind Sie ein Demokrat im besten Sinne“, so der OB. Er lobte dessen klare Haltung, seine Fähigkeit zum kritisch-besonnenen Diskurs und sein breites ehrenamtliches Engagement. Die komplette Rede des Oberbürgermeisters finden Sie hier.
Die Auszeichnung verliehen der Magistrat der Stadt und die Humanistische Union (HU) Diefenbach-Trommer „als leuchtendes Beispiel für sein unermüdliches Eintreten zugunsten der Gemeinnützigkeit und Anerkennung bürgerschaftlichen Engagements in der freiheitlichen Demokratie“, wie es in der Urkunde heißt. „Gerade jetzt während der Corona-Pandemie haben wir deutlich gesehen, wie unverzichtbar bürgerschaftliches Engagement in der demokratischen Gesellschaft ist“, erläuterte der ehemalige Marburger Oberbürgermeister und Ehrenbürger sowie Jury-Sprecher Egon Vaupel zur Arbeit des aktuellen Preisträgers.
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Einstimmig für Diefenbach-Trommer entschieden hatte sich die Jury bereits Mitte Februar – „in Anerkennung seines herausragenden Engagements für ehrenamtliche Arbeit zugunsten sozialer Gerechtigkeit und einer lebendigen Demokratie“. In der Preisbegründung, die Vaupel vortrug, heißt es, dass die Jury mit der Auszeichnung das breit aufgestellte Engagement des Preisträgers in unterschiedlichsten Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens würdigt. Insbesondere zeichne sie sein Engagement für die finanzielle Unabhängigkeit politisch aktiver Organisationen aus. „Ausschlaggebend bei unserer Entscheidung war vor allem die steuerrechtliche Begünstigung ehrenamtlichen politischen Engagements, für die Stefan Diefenbach-Trommer eintritt wie kein anderer", sagte Vaupel.
Ein Grußwort kam per Videobotschaft von der Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ehemals Bundesministerin der Justiz, die dem Preisträger dafür dankte, dass er sich für ein modernes Gemeinnützigkeitsrecht einsetzt. Die Laudatio auf Diefenbach-Trommer hielt die Journalistin und Aktivistin Jutta Sundermann, eine Weggefährtin des Preisträgers. Sie machte deutlich, was die Entziehung der Gemeinnützigkeit für Organisationen wie beispielsweise Attac bedeutet: unter anderem durch den Verlust von Spenden und Zuschüssen auch den Verlust der finanziellen Basis. „Es ist gut, dass die Zivilgesellschaft in diesem Land Menschen wie Stefan hat“, sagte sie und animierte die Gäste der Feier zu einem kleinen Spontan-Flashmob für den Geehrten.
Diefenbach-Trommer dankte nach der Verleihung all jenen Menschen, die für Freiheit und Gerechtigkeit weltweit kämpfen. Er hatte bereits vor der Preisverleihung erläutert, dass es bei der „steuerrechtlichen Begünstigung ehrenamtlichen politischen Engagements“ um den Einsatz dafür geht, was als gemeinnützig anerkannt wird. Dabei ist „gemeinnützig“ definiert als „selbstlose Förderung des Allgemeinwohls beziehungsweise der Allgemeinheit“. Diefenbach-Trommer ist es wichtig, sich für politische Teilhabe einzusetzen, die nicht nur durch Wahlen und das Engagement in Parteien stattfinde, sondern auch in Form von Protest, um auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen – beispielsweise eben darauf, was als „gemeinnützig“ anerkannt wird. „Gerade marginalisierte Gruppen brauchen starke Stimmen, brauchen andere, die für sie die Stimme erheben“, sagte er. Genau das hob auch Oberbürgermeister Spies würdigend hervor: „Sie setzen sich klug und bedacht für eine Neuregelung der Gemeinnützigkeitskriterien im Vereinsrecht ein. Lassen Sie mich klar sagen: Das ist auch zwingend notwendig.“
Berufliche Laufbahn und Engagement Stefan Diefenbach-Trommers
Diefenbach-Trommer ist in München geboren und studierte in Leipzig Arabistik mit Nebenfach Verwaltungsrecht. Im Juli 2000 kam er für ein Redaktionsvolontariat bei der Oberhessischen Presse nach Marburg. Er leitet als Vorstand die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, an deren Gründung er seit 2014 beteiligt war. Es handelt sich dabei um einen Zusammenschluss von aktuell mehr als 170 Organisationen. Zuvor war der gelernte Journalist sechs Jahre als Geschäftsführer der Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“ tätig, außerdem bei dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac sowie der Kampagne „Bahn für Alle“.
Nebenher arbeitet der Vater dreier erwachsener Kinder als Berater für Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit, Strategie und Organisationsentwicklung, ist Mitglied des Stiftungsrats der Bewegungsstiftung und Autor zahlreicher Fachbeiträge zu Gemeinnützigkeitsrecht und politischer Teilhabe, Kampagnenführung und Fundraising. Außerdem ist er ehrenamtlich engagiert bei dem Freundeskreis Marburg-Sfax.
Vorherige Preisträger*innen und Erweiterung der Jury
Im vergangenen Jahr erhielten die beiden Ärztinnen Kristina Hänel und Ruby Hartbrich die undotierte Auszeichnung. Zu den vorherigen Preisträger*innen zählen beispielsweise außerdem die Hörfunkjournalistin Ulrike Holler und der katholische Sozialethiker Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ aus Frankfurt, die Marburger Gewerkschafterin Käte Dinnebier und die Tibetologin Sabriye Tenberken, der Psychiater Prof. Dr. Horst-Eberhard Richter und Katja Urbatsch aus Gießen, Dr. Bernhard Conrads und Hilde Rektorschek sowie Lutz Götzfried aus Marburg. „In diese illustre Reihe fügt sich Stefan Diefenbach-Trommer nahtlos ein“, sagte der Marburger HU-Regionalvorsitzende Franz-Josef Hanke. „Um soziale Bürgerrechte überhaupt wahrnehmen zu können, benötigt die Gesellschaft gemeinnützige Strukturen, die auch politische Aussagen treffen und auf Verbesserungen hinarbeiten können. Ehrenamtsförderung ist ohne ein breites Verständnis von Gemeinnützigkeit nicht zielführend für die freiheitliche Demokratie.“ Hanke dankte allen, die sich politisch für das Gemeinwohl engagieren und betonte: „Zivilgesellschaft ist gemeinnützig!“
© Heike Döhn, i.A.d. Stadt Marburg
Mitte Februar hatte die Jury neben der Vergabe des Marburger Leuchtfeuers an Diefenbach-Trommer auch noch eine weitere einstimmige Entscheidung getroffen: Die bisher siebenköpfige Jury hat die HU Marburg auf acht Mitglieder erweitert. Neu in die Jury berufen haben die HU und die Jury die 41-jährige Wunsch-Marburgerin Kalkidan Chane. „Von Beginn an waren immer Menschen in der Leuchtfeuer-Jury vertreten, die Armut, die Abhängigkeit von Hartz IV, eine Behinderung oder andere diskriminierende Alltagserlebnisse aus eigener Erfahrung kennen“, erläuterte Hanke. „Mit Kalkidan Chane beziehen wir eine geflüchtete Frau in unsere Entscheidungen ein, die gleich mehrere Diskriminierungserfahrungen machen musste: als politisch engagierte Oppositionelle, als – in Bezug auf Bildungsweg und Beruf benachteiligte – Frau in Afrika, als Geflüchtete in Europa und als Person of Color. Damit wollen wir ihr wie auch allen anderen Menschen unseren Respekt bezeugen und ein beispielhaftes Zeichen für die Teilhabe aller Menschen auch an politischen und kulturellen Entscheidungen setzen“, führte der HU-Regionalvorsitzende aus.
Wegen der Corona-Pandemie war es nur geladenen Gästen möglich, an der Feierstunde teilzunehmen. Allerdings hat die HU alle Reden auf Video aufgezeichnet und wird sie online stellen, wie sie es bereits in den vorangegangenen Jahren gemacht hat. Zudem veröffentlicht sie auch alle verfügbaren Redemanuskripte auf der Internetseite www.marburger-leuchtfeuer.de.