© Stadt Marburg, i. A. Heiko Krause
Bürgermeister und Jugenddezernent Dr. Franz Kahle eröffnete die Jubiläumsveranstaltung gemeinsam mit den Fachdienstleiterinnen der Jugendförderung, Ulrike Munz-Weege und Susanne Hofmann. Auch die Jugendamtsleiterin Stefanie Lambrecht und der ehemalige Leiter des Marburger Jugendbildungswerkes, Matthias Nicolai, begrüßten die Gäste.
„Es waren bewegte Zeiten“, erinnerte sich Munz-Weege an den Anfang.“ Wie Bürgermeister Kahle hervorhob, hat sich die Arbeit des Jugendbildungswerkes im Kontext der vergangenen drei Jahrzehnte durch einen Wandel der Themen, Strukturen und Inhalte ausgezeichnet. Die Bandbreite erstreckt sich von Alpenökologie in den Gründungsjahren, Hörmedienarbeit in den 90ern bis zum Aufbau der Computerarbeit und Partizipationsprojekten in den frühen 2000er Jahren.
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„Die Resonanz ist sehr gut und das Jugendbildungswerk geht immer mit der Zeit“, erklärte Kahle. Es habe aber auch immer eine Konstante gegeben: das Ziel Auszubildenden aufzuzeigen, was Politik ausmacht. „Die Bildungsangebote“, so Lambrecht, „sind der Garant für ein freiheitliches und selbstbestimmtes Lernen“.
Weitere Arbeitsfelder wie die Berufsorientierung, Umweltbildung und kulturelle Jugendbildung ziehen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte des Marburger Jugendbildungswerkes, wie Nicolai berichtete. Das wohl bekannteste Projekt sei sicher das Marburger Kinder- und Jugendparlament.
Auch die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen veränderten sich im Laufe der Zeit maßgeblich. Während die Anfangszeiten von Grundsatzfragen zu Stellenwert und Daseinsberechtigung der außerschulischen Bildungsarbeit geprägt waren, führte die Festschreibung im Kinder- und Jugendhilfegesetz zu Verstetigung und Ausbau der Inhaltsfelder.
„Das Jubiläum ist kein Anlass stehen zu bleiben, es warten noch viele Themen“, hob Munz-Weege hervor. Hofmann nannte unter anderem die Herausforderungen der Integration und Inklusion. Zudem müsse die Jugendbeteiligung weiterentwickelt werden.
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Die heutige Ausrichtung des Marburger Jugendbildungswerkes fußte auf einer engen und partnerschaftlichen Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule sowie der Vernetzungsarbeit mit verschiedensten Akteuren aus den Bereichen Bildung, Gesellschaft und Kultur. Derzeit fokussiert sich die Arbeit der Einrichtung auf die vier übergeordneten Schwerpunktfelder „Berufsorientierung“, „Medienarbeit“, „Politische Bildung und Partizipation“ sowie „Kulturelle Bildung“. Im Zentrum aller Aktivitäten des Jugendbildungswerkes stehen damals wie heute die Heranwachsenden. Das Jugendbildungswerk soll passgenaue Erfahrungs- und Beteiligungsräume herstellen, in denen Jugendliche sich erproben und weiterentwickeln können. Damit diese Aufgabe gelingen kann, braucht es eine kontinuierliche Anpassung und Veränderung von Angeboten und Formaten, die sich nach den sich permanent verändernden Lebenswelten und gesellschaftlichen Entwicklungen ausrichten.
Ausgehend von dieser Prämisse stellte Marc Melcher im Marburger Rathaus zum Jubiläum die Ergebnisse der aktuellen Sinus-Studie vor, die einen Blick auf die Einstellungen, Werte und Vorstellungen von Heranwachsenden und damit auch auf die zukünftigen Handlungsfelder der außerschulischen Bildung erlaubt.
Die von Melcher behandelte Studie liefert nach den Jahren 2008 und 2012 bereits zum dritten Mal eine offene und alltagsnahe Bestandsaufnahme der soziokulturellen Verfassung von 14- bis 17-Jährigen in Deutschland. Statt auf eine breit angelegte Umfrage setzt das Sinusinstitut mit Sitz in Heidelberg und Berlin auf qualitative Interviews. Ein weiteres Element sind Fotodokumentationen von Jugendzimmern und insbesondere von „Hausaltären“, also Arrangements persönlich bedeutungsvoller Gegenstände. Insofern sei die Studie zwar nicht statistisch, dafür aber „psychologisch repräsentativ“, erläuterte Melcher. Auftraggeber der Studie sind unter anderem die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung und die Bundeszentrale für politische Bildung.
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Aufwachsen heute, so Melcher, sei durch den gesellschaftlichen Wandel geprägt. „Digitale Teilhabe ist inzwischen soziale Teilhabe“, gleichwohl sei bereits eine digitale Sättigung zu beobachten. Generell tendierten Jugendliche heute zum „Mainstream“. Es sei kein Schimpfwort mehr, vielmehr bedeute es doch, etwas gemeinsam zu haben. Darüber hinaus trennten sich Jugendliche heute später von ihren Eltern. Kulturelle und ethnische Vielfalt seien Alltagrealität und religiöse Toleranz als Norm unter den jungen Leuten anerkannt. „Es gibt kaum Abgrenzungstendenzen“, so der Experte. Für die Zukunft wünschten sich die meisten eine stabile Beziehung.
Die Studie identifiziert sieben nach wie vor unterschiedliche Lebenswelten von Jugendlichen, die in Grenzbereichen näher zusammenrücken. Gleichwohl zeigt die Studie, so verdeutlichte der Vortrag, dass es noch erhebliche Unterschiede gibt, die auch von der Herkunft abhängen. Die Bandbreite der Grundorientierung reicht von traditionell mit festem Familienbild bis hin zu modern. Sie beschreibt unter anderem Heranwachsende, die sich über das was sie haben, etwa Markenkleidung, definieren oder sozial und nachhaltig denken, bis hin zu postmodernen individuellen Jugendlichen, die sich eher von den Eltern abgrenzen und sich ausprobieren wollen. „Es gibt komplett unterschiedliche Werte“, so Melcher.