Stadträtin und Jugenddezernentin Kirsten Dinnebier begrüßte das Fachpublikum im voll besetzten Saal. „Bildungsangebote sind dann gut und kommen gut an, wenn sie an die Bedürfnisse angepasst sind“, sagte Dinnebier. Und genau das biete das Jugendbildungswerk nun bereits erfolgreich seit drei Jahrzehnten. Das außerschulische Bildungsangebot zeichne sich durch Methodenvielfalt und handlungsorientiertes Lernen aus. „Es hat stets die Interessen der Zielgruppe der 12- bis 27-Jährigen im Blick und ist dadurch so erfolgreich“. Zugleich gehe das Jugendbildungswerk auch immer mit der Zeit und gleiche seine Angebote der aktuellen Situation an. In diesem Sinne beantworteten die Jubiläumsvorträge unterschiedliche Fragestellungen, aus denen entsprechende Schlüsse gezogen werden könnten.
Patrick Amend vom Jugendbildungswerk bestätigte das. Der Vortrag über den Bericht sei mit „Die Wiederentdeckung der Jugend“ überschrieben, weil die Politik lange Zeit die Jugend nicht als eigenständige Lebensphase wahrgenommen habe. „Wir schauen nun, was der Bericht für unsere Arbeit bedeutet und welche Chancen er bietet.“
Züchner freute sich, als Marburger in der Universitätsstadt seine Arbeit vorstellen zu können. Im Kinder- und Jugendbericht, der seit 1985 kontinuierlich fortgeführt wird, seien exemplarisch auch junge Menschen selbst zu Wort gekommen, um ihre Lebenssituation und Lebenswelten möglichst realistisch aufzeichnen zu können, betonte der Erziehungswissenschaftler.
Der Bericht trage den Untertitel „Zwischen Freiräumen, Familie, Ganztagsschule und virtuellen Welten – Persönlichkeitsentwicklung und Bildungsanspruch im Jugendalter“. Er könne in seinem Vortrag natürlich nur auszugsweise das 580 Seiten starke Werk vorstellen, so Züchner. Den Schwerpunkt legte er deshalb auf Persönlichkeitsentwicklung und Bildungsauftrag sowie auf die Rolle der Kinder- und Jugendarbeit.
Die Gesellschaft fordere von Jugendlichen unter anderem soziale und berufliche Handlungsfähigkeit und Verantwortungsübernahme. Dem stünden die Kernherausforderungen Qualifikation und Verselbstständigung gegenüber. Dazwischen agierten die Jugendlichen durch Lernen und Experimentieren, erläuterte Züchner. Klar sei aber, dass es unterschiedliche Jugendphasen gibt, die unter anderem durch Herkunft bestimmt werden. Entsprechend verschieden müssten Jugendliche betrachtet werden.
Laut der zentralen Aussagen der Jugendberichtskommission, so Züchner weiter, brauchen Jugendliche Unterstützung, um Handlungs- und Gestaltungsspielräume zu erlangen. Jugendarbeit spiele in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. „Sie hat immer auch eine sozialintegrative Perspektive, die Einbeziehung Jugendlicher in besonderen Problemlagen ist eine besondere Herausforderung“. Züchner nannte hier unter anderem den Inklusionsanspruch, die Ganztagsschule, politische Bildung und dabei immer die Freiräume Jugendlicher zu beachten.
Politische und gesellschaftliche Verantwortung, so stellte Züchner klar, bedeute, „Jugend als eigenständige Lebensphase ermöglichen“. Das wiederum heiße, die Verselbstständigung und Selbstpositionierung der jungen Menschen neben der Qualifizierung ernst zu nehmen und dabei Übergangsphasen zu berücksichtigen. Soziale Ungleichheiten gelte es zu beachten, digitale Medien als „Ermöglichungsraum“ wahrzunehmen – mit allen Risiken, die Jugendlichen bewusst seien. Schließlich solle das Ringen junger Menschen nach Freiräumen nicht beschnitten werden. „Beteiligung ist dabei immer die Voraussetzung für demokratische Aneignungsprozesse“, so der Professor abschließend.