© Georg Kronenberg, Stadt MarburgFür Bildungsgerechtigkeit will sich das Marburger Stadtoberhaupt mit dem Bildungsbauprogramm "BiBaP" einsetzen und in den kommenden fünf Jahren verlässlich und planbar rund 30 Millionen Euro in Sanierungs- und Bauprojekte an Marburgs Schulen investieren. Der Raumbedarf auf dem Weg zur Ganztagsschule soll gedeckt, Inklusion konsequent gesichert werden, Fachräume und Schulsporthallen werden modernisiert und Arbeitsbedingungen verbessert.
„Die Anzahl der Dinge, die zu wissen für den Menschen wichtig und deren Kenntnis zu seinem Glück notwendig ist, ist vielleicht sehr gering, aber so gering sie auch sein mag, sie ist ein Gut, das ihm gehört, das er wo er es antrifft, ein Recht hat einzufordern.“ Bildungserfolg sei Bringschuld der Erwachsenen, übersetzte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies dieses Rousseau-Zitat in die Gegenwart.
Jeder Mensch habe das Recht, die Bildung zu erhalten, die er oder sie benötige, um ein glückliches und zufriedenes Leben zu führen. Jedes Kind habe ein Recht auf die bestmöglichste Förderung seiner geistigen, emotionalen, musischen und körperlichen Fähigkeiten. „Bildungsgerechtigkeit ist die zentrale Voraussetzung für gleiche Lebenschancen und soziale Gerechtigkeit“, machte Spies deutlich. Dazu könne die Stadt auf zwei Wegen beitragen: in der außerschulischen Bildungsarbeit und mit dem Rahmen, in dem Schule stattfinde. Bereits jetzt sei die Universitätsstadt Marburg mit ihren Kindertagesstätten, Schulen der verschiedenen Schulformen, Abendschulen, der Stadtbücherei, dem Medienzentrum und der Volkshochschule der größte Bildungsträger vor Ort. Mit der Investition in Bildung über das Bildungsbauprogramm „BiBaP“ seien zwei Dinge verbunden: Beteiligung der Schulgemeinden und größtmögliche Planbarkeit. „Jede Schule soll verbindlich wissen, woran sie in den nächsten fünf Jahren ist“, bekräftigte der Oberbürgermeister.
Zur Gerechtigkeit gehöre auch Wohnen, oder die Frage: wer darf in die Stadt, wer soll im Herzen der Stadt wohnen können? Alle hätten das gleiche Recht, in den zentralen Teilen der Stadt leben zu können. Und gerade ärmere Menschen müssten das auch, stärker angewiesen auf den öffentlichen Transport. Daher sei ein maßvoller Ausbau wichtig, um auch für Menschen mit niedrigem Einkommen, für Studierende sowie für Familien bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, so Spies weiter. „Ich möchte, dass hier alle gut miteinander leben, Arme und Reiche, Junge und Alte, Kulturen und Religionen. Das setzt voraus, dass auch wirklich alle beieinander wohnen“, hob der Oberbürgermeister hervor. Deshalb sei es richtig, dass in der Nordstadt wie in einem Teil des Vitos-Geländes nicht nur sozialer Wohnungsbau, sondern auch Mittelschichtwohnungen entstehen, verdeutlichte Spies.
Auch Kunst und Kultur werden künftig weiter gefördert, insbesondere die "Kunst am Bau" stehe dabei im Mittelpunkt, wie der Oberbürgermeister betonte. Teilhabe an Kultur sei Grundlage für Bildung. Kunst und Kultur bestimme die Denkfähigkeit für andere Lebensbereiche. „Kunst tut aber noch viel mehr: sie ist – neben aller dekorativen, aller vergnüglichen Anteile – immer Interpretation der Gegenwart und damit Zugang zur Reflexion unserer Lebensverhältnisse. Kunst muss sein“. Nichts sei so geeignet, wie begreifbare Kunst im öffentlichen Raum, um einen spielerischen Zugang zu ermöglichen.
Unter dem Aspekt der gerechten Chancen auf gute Gesundheit kündigte Spies einen besonderen sozialpolitischen Schwerpunkt im Bereich der Gesundheit an. Mit Initiativen zur Verbesserung der Prävention im Kindesalter, am Arbeitsplatz und für Senioren oder mit einem lokalen Programm "Marburg gegen Krebs" will die Universitätsstadt zur "Gesundheitsstadt" werden, so Spies. Dafür sollen soziale Einrichtungen, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie das Uniklinikum mit seinem onkologischen Schwerpunkt, Rehabilitation und Selbsthilfe gewonnen werden.
Beim Thema Mobilität und Verkehr erinnerte Oberbürgermeister Spies an Rücksichtnahme. In einer kleinen, engen, mittelalterlichen Stadt gehe es nicht um Ideologie, um das Rechthaben oder schneller Sein. „Verkehr kann in Marburg nur gelingen, wenn wir bereit sind, Rücksicht zu üben und aufeinander einzugehen“, machte Spies klar. Deshalb komme es darauf an, ein angemessenes Gleichgewicht der gleichberechtigten Verkehrsmittel zu erreichen und Mobilität für alle zu sichern. Die Universitätsstadt Marburg werde alles tun, „damit das zentrale Zukunftsprojekt Nordstadtentwicklung ein Erfolg wird und zwischen Campus, Kirche und Steinweg einerseits und dem schönsten Bahnhof Deutschlands andererseits der Boulevard entsteht, der Elisabethstraße und Bahnhofstraße sein können.“
Im Zusammenhang mit den Menschen, die in der Universitätsstadt Zuflucht gesucht haben, sagte der Oberbürgermeister: „Wir Marburgerinnen und Marburger stehen für die Vielfalt der Pluralität der Lebensentwürfe, für eine weltoffene Gesellschaft, die sich gegen Ausgrenzung richtet. Nur wenn wir einander mit Offenheit, Freundlichkeit und mit Respekt begegnen, kann Zusammenleben gelingen.“ Ganz besonders dankte er den vielen ehrenamtlich engagierten Menschen. Aus der Willkommenskultur müsse jetzt eine Bleibekultur werden.
Mit Besonnenheit sei die positive finanzielle Situation der Stadt zu behandeln. „Wir sind in der einzigartigen Situation, dass uns - im Unterschied zu vielen anderen - keine Schuldenlast den Hals zudrückt.“ Das schaffe Handlungsspielräume, von denen andere träumten und das müsse so bleiben“, verdeutlichte der Kämmerer.
Wer eine gute Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erreichen möchte, der müsse vor allem eines, gut zuhören. „Ich wünsche mir in der Stadt der ältesten protestantischen Universität der Welt einen Umgang des rationalen Diskurses. Wie Habermas es nennt: ein Umgang, der beherrscht wird vom ,zwanglosen Zwang des besseren Arguments und dem Ziel der kooperativen Wahrheitssuche‘“, richtete sich der Oberbürgermeister an alle.
Zur Kommunalwahl am 6. März rief der Oberbürgermeister auf, wählen zu gehen: „Was auch immer Sie tun, gehen Sie hin. Wen auch immer Sie wählen, tun Sie es und tragen Sie zur Legitimation der Gremien teil, die besonnen und überlegt, respektvoll und mit Rücksicht auf alle Belange aller Bürgerinnen und Bürger den Rahmen für ein gutes, gerechtes und freundliches Miteinander in unserer Stadt setzen müssen. Ich wünsche Ihnen allen ein frohes, glückliches, gesundes gutes neues Jahr 2016.“
Musikalische Beiträge von der Musikschule Marburg mit Gabriel Büneman und Mai Epping, vierhändig am Klavier, und Youssef Nasif auf dem Kanun, einem zitherähnlichen Instrument, gaben der Veranstaltung den gebührenden Rahmen. Schließlich sorgten die Jazzrobots für den entspannten Ausklang eines festlichen Abends.