© Georg Kronenberg, Stadt Marburg
„Es waren wunderschöne Jahre“, sagt Egon Vaupel über seine Zeit als Oberbürgermeister der Universitätsstadt Marburg. Jahre, in denen er durch die Menschen in seinem näheren Umfeld und durch die Bürgerinnen und Bürger sehr viel gelernt habe. „Ich bin dankbar für den Respekt und die Zuneigung“, so Vaupel. Respekt und Zuneigung wurden auch bei seinem offiziellen Abschied wieder bekundet – nachdem in den letzten Wochen bereits bei der internen Feier mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rathaus oder bei seiner letzten Parlamentssitzung sein Engagement für die Universitätsstadt gewürdigt worden war.
Zunächst begrüßte Bürgermeister Dr. Franz Kahle die Gäste in der Sporthalle der Kaufmännischen Schulen. Politiker, frühere Dezernenten, Stadtälteste, Ehrenbürger und Fachbereichsleiter der Verwaltung waren ebenso gekommen wie Vertreter der Kirchen, der Schulen, des Gemeinwesens, der Wirtschaft, des Universitätsklinikums oder der Universität. „Durchhalten ist angesagt“, warnte Kahle augenzwinkernd – er habe das „bedrohliche Programm“ gesehen. Auch wenn die Mitarbeiter dem scheidenden Oberbürgermeister schon an anderer Stelle ihren Dank ausgesprochen haben, sei es ihm ein persönliches Bedürfnis, noch einmal Danke zu sagen, erklärte Kahle. Vaupel sei ein „primus inter pares“ gewesen und habe andere immer als gleichwertige Diskussions- und Handlungspartner gesehen.
Eine Sache liege ihm am Herzen, die er nun endlich einmal ansprechen wolle: Warum der Oberbürgermeister nie erwähnt habe, dass der Dichter der „Schalke-Hymne“ aus Marburg kam? Dann habe er sich den ursprünglichen Text von Ludwig von Wildungen angesehen – und da ist nicht von Blau und Weiß (den Schalker Vereinsfarben, auf die das Lied umgedichtet wurde) die Rede, sondern vom „Lob der grünen Farbe“. Vaupels Begeisterung für den Fußball im Allgemeinen und Schalke 04 im Besonderen war noch mehrfach Thema an diesem Abend. Das Schalker Vereinsmaskottchen Erwin überreichte ein echtes „Bergmannstrikot“ und der Präsident des Hessischen Fußballverbandes Rolf Hocke ein „Vier-Sterne-Trikot“ der deutschen Nationalmannschaft – mit den Unterschriften der Weltmeister von 2014. Jogi Löw habe im „Schwarzwaldboten“ gelesen, dass in Marburg ein großer Fußballfreund verabschiedet wird und ihn dann angerufen, sagte Hocke. Er dankte Vaupel für seine Förderung des Fußballs.
Die Laudatio zur Verabschiedung hielt Bertram Hilgen, Oberbürgermeister der Stadt Kassel und Präsident des Hessischen Städtetages. Er habe gemeinsam mit Egon Vaupel nicht nur inhaltlich vieles bewegt und angestoßen, es sei auch ein Stück Freundschaft entstanden. Er hob insbesondere Vaupels Einsatz für die Flüchtlinge hervor – eine Aufgabe, der sich der scheidende Marburger Oberbürgermeister mit Herzblut verschrieben habe. Auch wenn die Politik als Beruf ursprünglich nicht zum Lebensentwurf von Egon Vaupel gehört habe: „Er hat den richtigen Beruf gewählt“. Er sei ein Kommunalpolitiker aus ganzem Herzen und – obwohl er als Kind Flugkapitän werden wollte – dabei nie abgehoben, sondern „gut und fest geerdet“ geblieben. Sein Abschied sei hoffentlich nur ein Abschied von den Amtsgeschäften und nicht von den Menschen, so Hilgen.
„Ein großer Mann mit einem ganz großen Herzen für die kleinen Leute“, sei Vaupel. „Du hast viel geleistet, Du kannst stolz auf das sein, was Du auf den Weg gebracht hast“, sagte Hilgen an seinen Amtskollegen gewandt. Und dafür erhielt Vaupel dann eine ganz besondere Würdigung: Stadtverordnetenvorsteher Heinrich Löwer ernannte ihn in Anerkennung seiner Verdienste um die Universitätsstadt Marburg zum Ehrenbürger. Es sei stets Mittelpunkt seines Handelns gewesen, „nah bei den Menschen zu sein und sie ernst zu nehmen“, zitierte Löwer aus der Begründung. Wo immer es möglich war, habe Vaupel versucht, praktische Hilfe zu leisten. Der sichtlich bewegte Oberbürgermeister durfte sich dann noch ins Goldene Buch der Stadt eintragen und bekam die ersten stehenden Ovationen des Nachmittags. Eine weitere Auszeichnung hatte Staatsminister Dr. Thomas Schäfer aus Wiesbaden mitgebracht: den hessischen Verdienstorden.
Vaupel sei „hart im Streiten für seine Sache“ gewesen, lobte Schäfer. Wenn man mit ihm eine Verabredung getroffen habe, dann habe er mit seinen 1,90 Meter zu dieser Verabredung gestanden – und wenn der Wind von vorne kam, überlegt, in welchem Neigungswinkel er diese 1,90 Meter ausrichten musste, um weiterzugehen. Schäfer hatte die Personalakten des Oberbürgermeisters aus der hessischen Finanzverwaltung eingepackt und zitierte aus einem Zeugnis aus dem Jahr 1988. Darin heißt es, Vaupel leiste hervorragende Arbeit; er sei „geistig sehr rege“, lege Einfühlungsvermögen und einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn an den Tag und passe durch seine Eigenwilligkeit in kein Schema. Schäfer lobte die Art und Weise der Zusammenarbeit mit Vaupel – auch wenn man politisch „unterschiedlichen Blutgruppen“ angehört habe.
Dr. Lars Witteck, Regierungspräsident a.D., hob zwei Facetten seiner Zusammenarbeit mit dem scheidenden Oberbürgermeister hervor. Für die Neustrukturierung des Regionalmanagements habe sich Egon Vaupel so eingesetzt wie kein anderer mittelhessischer Politiker: „Es war ein großes Glück, dass Sie in dieser Zeit in der politischen Verantwortung waren“, so Witteck. Dabei habe Vaupel es aber zu keiner Zeit versäumt, die herausragende Stellung Marburgs deutlich und ausführlich herauszustellen, ergänzte der ehemalige Regierungspräsident schmunzelnd. Beim Thema der Unterbringung von Flüchtlingen seien ihm die Menschen, die in Marburg Schutz suchen wie auch das Land Hessen zu großem Dank verpflichtet. Nirgendwo sonst stünde der Mann an der Verwaltungsspitze auch so an der Spitze der Bewegung der Willkommenskultur. Es gebe eine ganz eigene Art des solidarischen Miteinanders in Marburg. „Danke, dass Sie nicht immer gefragt haben, was es bringt und ob es lohnt, sondern gehandelt haben“, sagte Witteck. „Marburg und Mittelhessen wäre ärmer und kälter ohne Sie!“
Die Präsidentin der Philipps-Universität Professor Dr. Katharina Krause erklärte, die Chance der Symbiose zwischen Stadt und Universität sei noch nie so ernst genommen und zum Element der Stadt- und Universitätsentwicklung gemacht worden wie in Vaupels Amtszeit. Sie lobte Vaupel als einen „Brückenbauer“ in allen Angelegenheiten der Universität. Auch wenn zu seinem Amtsantritt Zweifel bestanden haben, wie einer, der nicht studiert hat, etwas von diesen Angelegenheiten verstehen solle – „Sie haben mehr davon verstanden als viele Studierte und Sie haben mehr für die Universität getan als zu hoffen gewagt werden konnte“, resümierte Krause. Auch Vaupels „Festhalten an unverbrüchlichen Überzeugungen“ stellte die Universitätspräsidentin heraus.
Diesen Punkt griff auch Landrätin Kirsten Fründt in ihrem Grußwort auf: Überzeugung und Rückgrat, Haltung und Konsequenz. Wenn es um Themen wie Flüchtlinge, Migration und Religion geht – „da habe ich Dich als beispielhaft erlebt, da hast Du nicht gewackelt“, sagte die Landrätin an Vaupel gewandt. Er sei als Mensch und Oberbürgermeister ein wichtiger Begleiter für sie gewesen. Sie betonte ebenfalls, er könne stolz sein auf das, was er für Marburg und für Marburgs Menschen erreicht habe. Sie haben ihn als jemanden kennengelernt, der Potenziale erkenne und fördere, aber auch fordere.
Aus den Reihen der Stadtverwaltung kamen Jürgen Rausch, Leiter des Fachbereichs Planen, Bauen, Umwelt und Dr. Richard Laufner, Leiter des Fachdienstes Kultur, gemeinsam auf die Bühne. Sie hatten sieben Aphorismen für den Oberbürgermeister zusammengestellt und in Beziehung zu seinem Wirken und Arbeiten gesetzt – begleitet von fotografischen Eindrücken aus seiner Amtszeit. Die Palette reichte von „Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht“ bis hin zu „Die Schwächsten sind der Maßstab für die Gerechtigkeit“. Rausch und Laufner betonten Vaupels Spontanität und Einfallsreichtum, sein Mitgefühl und seine Hilfsbereitschaft und dass er sich die ihm eigene Herzlichkeit bewahrt habe. „Der Ball ist rund und ein Spiel dauert neunzig Minuten“ durfte als Fußball-Zitat natürlich nicht fehlen – und der „Meister der Herzen“, das sei nicht auf Schalke 04 bezogen, als die Mannschaft 2001 für knapp fünf Minuten die Meisterschale sicher geglaubt hatte, sondern auf Egon Vaupel selbst.
Zu den Überraschungen des Abends gehörten die Auftritte der Band „Oh, Alaska“ – die Egon Vaupel 2011 vor dem Marburger Cineplex spielen gehört und sozusagen „von der Straße weg“ für den nächsten Neujahrsempfang engagiert hatte und ein Wiedersehen mit „Softeis“. Werner Eismann und der Oberbürgermeister kennen sich noch aus den gemeinsamen Zeiten, als sie ihre Finanzamts-Lehre gemeinsam begonnen haben. Das Hessische Landestheater präsentierte für Egon Vaupel noch einmal Ausschnitte aus „Cinderella“ und den „Blues Brothers“. „Du warst immer mit Herz und Seele dabei – Du bist ein wahrer ‚Soul Man‘“, rief Ogün Derendeli Egon Vaupel zu. Für Franziska Knetsch ist er „ein großer Bürgermeister, großer, großer Oberbürgermeister, ein Entertainer und ein wahrer Menschenfreund“. Moderiert wurde der Abschiedsnachmittag von Brigitte Bohnke, die bis 2013 Vaupels persönliche Referentin gewesen ist.
Bevor er seine Amtskette an seinen Nachfolger Dr. Thomas Spies übergab, durfte er seine Dankesworte aussprechen. „Ich bin überwältigt und ich bin dankbar“, sagte Vaupel. Die Wertschätzung, die ihm entgegengebracht worden sei – zwischendurch habe er immer wieder gedacht „Über wen reden die denn?“ – werde ihn noch lange beschäftigen. Dass er einmal Ehrenbürger der Universitätsstadt Marburg werden würde – der Stadt, für deren Bürgerinnen und Bürger er „aus vollem Herzen und mit voller Kraft“ als Oberbürgermeister gearbeitet habe: Das habe er nicht zu träumen gewagt. Sein Anspruch sei gewesen, nie zu vergessen, dass ihm dieses Amt von diesen Bürgerinnen und Bürgern gegeben wurde. Die Nähe zu ihnen sei ein realer Auftrag, eine Bedingung des Amtes. Und diese Nähe habe er sich auch nie vermiesen lassen. „Ich habe, wo immer es war, das Gespräch gesucht und unendlich viel von den Menschen zurückbekommen.“
Er rief dazu auf, keine Art von Diskriminierung und Ausgrenzung in Marburg zuzulassen. Das sei auch die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg der Stadt. Die gemeinsame Fertigschreibung der Thora-Rolle der jüdischen Gemeinde durch den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde und den Vorsitzenden der islamischen Gemeinde sei ein Signal, „das wir gerade heute weltweit brauchen“. Dies miterleben zu dürfen, sei ein Höhepunkt für ihn zum Ende seiner Amtszeit gewesen. Vaupel empfahl daher der Politik, die Vertreter der Religionen und hier vor allem Amnon Orbach und Bilal El-Zayat für die gemeinsame Zeichnung der Thorarolle besonders zu würdigen.
Sein Dank ging an die vielen Freiwilligen, die sich in Marburg engagieren, ohne die es sich nicht so gut leben ließe; ebenso wie an seine „Rathausmannschaft“ und zum Schluss seiner Ehefrau Rita und den beiden Enkeln Tim und Ben. Die haben ihn gelehrt, „dass wir alten Männer nicht nur für alte Männer Politik machen müssen, sondern für die jungen Menschen“.
Seinem Nachfolger Dr. Thomas Spies übergab Egon Vaupel dann nicht nur die Amtskette, sondern auch ein Lot und einen Pflasterstein mit dem Namen einer Frau, die in einem Konzentrationslager ums Leben kam, aus seinem Büro. Spies richtete seine Dankesworte an die Bürger der Stadt, die ihm ermöglicht haben, Oberbürgermeister zu werden, an alle, die ihn zuvor in seinen 16 Jahren als Abgeordneten unterstützt haben und natürlich auch an seinen Vorgänger. „Ich hätte es auf keinen Fall besser treffen können“, so Spies. In punkto Chancengleichheit setze Marburg Maßstäbe, das sei kaum ausreichend zu würdigen. Die Kette sei schwerer, als er gedacht habe, gestand er. Der Moment fühle sich trotzdem noch besser an, als gedacht. Auch an seine Frau ging ein großer Dank, „dass ich das machen darf und sie das mitträgt“. Als er ihr eröffnet habe, für den hessischen Landtag zu kandidieren, habe sie gesagt, sie habe schließlich einen chirurgischen Assistenzarzt geheiratet und schlimmer könne es nicht kommen. Aber Oberbürgermeister – auch das habe er von Vaupel gelernt – sei man immer, morgens, abends, nachts. Dennoch: Oberbürgermeister der Universitätsstadt Marburg zu sein – „das ist ohne jeden Zweifel das Allerallerbeste, was einem im Leben passieren kann“.
Bei dem anschließenden Empfang gab es für die Gäste reichlich Gelegenheit, sich in Gesprächen mit den vielen gemeinsamen Jahren des scheidenden Oberbürgermeisters zu befassen und sich persönlich zu verabschieden.