© Simone Schwalm, Stadt Marburg
„Planung kann auch Spaß machen“, fasste Reinhold Kulle den Abend des dritten Workshops „Erschließung“ mit rund 50 Teilnehmenden zusammen. Der Leiter des Fachdienstes Stadtplanung und Denkmalschutz bezog sich dabei auf die inhaltliche Herausforderung des Workshops, denn „lächelnde Gesichter sind bei Verkehrsthemen in Marburg eigentlich nicht üblich.“
Tatsächlich verzögerte sich der Start in das eigentliche Thema zu Beginn etwas: Obwohl es vorrangig um Mobilitätsfragen und Verkehrserschließung innerhalb des Quartiers gehen sollte, war schnell der Verkehr der Gesamtstadt Thema. Manuela Klug, Fachdienst 61, machte darauf aufmerksam, dass für die Gesamtstadt ein nachhaltiges Verkehrs- und Mobilitätskonzept mit umfassender Bürger*innenbeteiligung entwickelt werden soll. Eine Bürger*innenversammlung zum Thema hatte es schon am 29. April gegeben.
Auf Begrüßung, kurzen Rückblick auf die vorangegangenen Workshops und fachlichen Input folgten außerdem Bedenken und Einwürfe einiger Workshop-Teilnehmenden. Eine Bürgerin beispielsweise wollte wissen, warum die Bürger*innenbeteiligung nicht erst starte, wenn die Ergebnisse, etwa von Verkehrs-Gutachten und Umweltbericht, vorliegen. Kulle erläuterte: Für die Entwicklung des neuen Wohnquartiers am Hasenkopf laufen in diesem Jahr diverse Abstimmungsprozesse, Vorbereitungen und Ausschreibungen sowie die verfahrensgemäße Vorbereitung des städtebaulichen Wettbewerbes parallel zum Beteiligungsprozess der Bürger*innen. „Dadurch können die Anregungen aus den Workshops in die Aufgabenstellung für den städtebaulichen Wettbewerb einfließen“, betonte der Fachdienstleiter.
So saßen dann Kritiker*innen, Skeptiker*innen und auch Hoffnungsvolle anschließend mit Vertreter*innen der Stadtpolitik und Expert*innen aus der Verwaltung – etwa Straßenverkehrsbehörde, Tiefbau und Untere Naturschutzbehörde – an vier Tischen zusammen. Gemeinsam beratschlagten sie konstruktiv über die verkehrliche Zukunft des neuen Wohnquartiers und „spielten auch ein bisschen Wunschkonzert“, wie es eine Teilnehmerin ausdrückte.
© Simone Schwalm, Stadt Marburg
Es gab fünf Fragestellungen, die der Fachdienst 61 ausgearbeitet hatte. Gemeinsam mit der Koordinierungsstelle für Bürger*innenbeteiligung der Stadt organisiert er die insgesamt vier Workshops rund um das Wohnen im Marburger Westen. In Kleingruppen diskutierten die Teilnehmenden darüber, welche Verkehrsformen es im Quartier geben soll. Allgemeiner Konsens war, dass der sogenannte motorisierte Individualverkehr (PKW und LKW) eingeschränkt sein sollte, dem Öffentlichen Personennahverkehr wurde daher eine enorm große Bedeutung beigemessen. Für den nicht-motorisierten Verkehr sei es beispielsweise wichtig, Fuß- und Fahrrad-Wege zu trennen.
Die meisten Workshop-Teilnehmer*innen waren der Ansicht, dass ein kompletter Verzicht auf das Auto für viele der potentiellen Bewohner*innen nicht in Frage komme. So beratschlagten sie auch über Möglichkeiten, die PKWs zu parken. Monika Brüning vom Fachdienst 61 erläuterte, dass nach den aktuellen Vorgaben der Städtischen Stellplatzsatzung für die angedachten 300 Wohneinheiten 330 Stellplätze zur Verfügung gestellt werden müssten. Als eine Möglichkeit nannte sie begrünte Sammelgaragen, eingebettet am Hang. Zukünftigen Bewohner*innen könne ermöglicht werden, ihr Auto kurz in Wohnungsnähe abzustellen, um beispielsweise Einkäufe auszuladen. Parken solle dann in Sammel- beziehungsweise Quartiersgaragen möglich sein, so die Idee.
Die Fragestellung „Wie stellen wir uns das Mobilitätsverhalten der neuen Quartiersbewohner vor?“ war zugleich eine Anregung, das eigene Mobilitätsverhalten zu hinterfragen. So ging es etwa darum, für welchen Wegezweck (für den Einkauf, für den Weg zur Arbeitsstelle o.ä.) welches Verkehrsmittel genutzt werden kann. Wie in den beiden vorangegangenen Workshops bestand auch diesmal der Wunsch nach Verkehrsberuhigung. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass dies nur erreicht werden kann, wenn es beispielsweise genügend Car- und Bike-Sharing-Angebote gibt. „Mehr teilen als selbst besitzen“, lautete die Devise eines Teilnehmers. Ausleih-Möglichkeiten etwa für Lastenräder, ausreichend Rad- und Gehwege sowie regelmäßige Busanbindungen seien ebenso wichtig für ein klimagerechtes Mobilitätskonzept. Wie in einem der vorangegangenen Workshops sprachen sich die Teilnehmer*innen wieder für einen Fahrrad-Anhänger für Busse aus. Ebenso einhellig war die Meinung darüber, wie der öffentliche Raum gestaltet sein sollte: „Möglichst grün!“ und „Möglichst kein Durchgangsverkehr!“ Nur Bussen und Fahrrädern solle es gestattet sein, durch das Quartier zu fahren.
Ideen wie eine Mobilitätszentrale oder einen Bürger*innenbus brachten die Mitarbeiter*innen der Fachdienste ins Gespräch. Sie erläuterten zudem gesetzliche Vorgaben, die die Realisierung mancher Vorschläge erschweren oder auch verhindern können – etwa die Einrichtung von verkehrsberuhigten Zonen an bestimmten Stellen. Kulle betonte jedoch, dass die Überlegungen aus den Workshops genau auf ihre Umsetzbarkeit geprüft werden. „Sie müssen ein bisschen Vertrauen in uns haben, dass Ihre Anregungen im weiteren Planungsprozess aufgenommen werden“, warb der Fachdienstleiter.
Die während der Veranstaltung eingebrachten Anregungen und Vorschläge wurden in Schrift und Bild dokumentiert (Bild-Text-Protokoll „Graphic Recording“). Diese Fotodokumentation sowie weitere Infos gibt es im Internet unter www.marburg.de/wohnenimwesten. Der nächste Workshop zum Thema „Umwelt, Natur, Landschaft“ findet am Samstag, 29. Juni, von 10 Uhr bis 13 Uhr in den Räumen der IKJG, Dietrich-Bonhoeffer-Straße 16, statt.