© Patricia Grähling, Stadt Marburg
„Wir haben es geschafft! Wir eröffnen heute eine zentrale Verkehrsachse Marburgs wieder“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies beim Fest zum Abschluss der Sanierungsarbeiten. Schon bevor es um 13 Uhr losgehen sollte, flanierten die Menschen über die frisch markierte Fahrbahn und die neuen Gehwege, begutachteten den angebauten Steg und die sanierten Sandsteinpostamente. Etwa 800 Gäste hatten sich zu dem Zeitpunkt schon versammelt, als der Oberbürgermeister zur Feier willkommen hieß. Rund um die Bühne an den Brückenpfeilern auf Weidenhäuser Seite gab es kaum noch ein Durchkommen. „Brücken verbinden und bringen zusammen“, sagte Thomas Spies, „sie schaffen Verbindung, ermöglichen Begegnung und Austausch.“ Das gelte auch gerade für Marburg schönste und herausragendste Brücke – und für das heutige Brückenfest.
Der Oberbürgermeister dankte allen Beteiligten für ihren Einsatz in den zurückliegenden Monaten – immer wieder unterbrochen von Applaus der Bürger*innen für die jeweils Genannten – vom städtischen Bauamt über das Ordnungsamt mit der Straßenverkehrsbehörde und der Feuerwehr, das Schulamt sowie die Fachdienste Kinderbetreuung oder Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, den DBM, die Stadtwerke bis natürlich hin zu den Baufirmen. „Sie haben diese denkmalgerechte Sanierung im Schweiße ihres Angesichts hart erarbeitet.“
© Patricia Grähling, Stadt Marburg
Auch den Gewerbetreibenden dankte das Stadtoberhaupt, die die Bauarbeiten konstruktiv begleitet und durch die veränderten Verkehrsströme von spürbaren Konsequenzen zu berichten haben. Diese Stelle der OB-Rede nutzte einer von ihnen zur Einlösung einer Brücken-Wettschuld: Eine Kiste Sekt hatte Rudolph Braun-Elwert vor sechs Monaten mit OB Spies darauf gewettet, dass die Brücke nicht zum Ende der Sommerferien fertig werde. „Ich habe verloren“, räumte der Buchhändler Braun-Elwert vor der versammelten Menge ohne jegliches Bedauern ein. Der mitgebrachte Sekt wurde an die Bürger*innen ausgeschenkt. „Ihnen gehört heute eindeutig unser allergrößte Dank: den Marburger*innen, besonders den Anwohner*innen der Weidenhäuser Brücke“, fuhr Spies fort. Denn sie hätten viele Strapazen in den vergangenen Monaten ausgehalten – vor allem den Baulärm in den Morgenstunden zum Ende hin.
© Patricia Grähling, Stadt Marburg
Bürgermeister und Baudezernent Wieland Stötzel schloss sich den Dankesworten des OB an. Er warf einen kurzen Blick zurück: „Die Bauarbeiten haben unter teils widrigen Bedingungen stattgefunden: Zweistellige Minusgrade im Winter, extreme Hitze in beiden Sommern und Hochwasser, als die Lahn abschnittsweise trockengelegt werden musste, um die Traggerüste einzubauen. Das waren besondere Herausforderungen, denen wir uns stellen mussten. Dazu konnte erst beim Freilegen der Brücke festgestellt werden, dass die Höhen in den alten Plänen aus der Bauzeit der Brücke nicht ganz korrekt waren.“ Gemeinsam mit den Baufirmen habe die Stadt die Zeit jedoch wieder herausarbeiten können. „Die Entscheidung, in der zweiten Bauphase nicht schon einspurig Fahrzeuge über die Brücke fahren zu lassen, hat sich als goldrichtig bewiesen. Die Baufirmen konnten ihre Arbeiten flexibler und schneller durchführen, weshalb wir den ohnehin ambitionierten Zeitplan halten und sogar beschleunigen konnten. Die Brücke wird daher schon jetzt im Sommer und nicht, wie zuvor geplant, erst im Herbst geöffnet. Daneben konnten wir noch zusätzliche Arbeiten im Bereich des Rudolphsplatzes durchführen, die erst in den Folgejahren geplant waren“, so Stötzel. „Schon während der Sanierung war ich beeindruckt von den umfangreichen handwerklichen Tätigkeiten, die mit großem Einsatz und Hingabe ausgeführt wurden. Das Ergebnis, das wir heute sehen, ist hervorragend gelungen!“
© Patricia Grähling, Stadt Marburg
Die Brücke ist wieder voll funktions- und verkehrstüchtig. Zur Frage, welche Verkehrsarten die Brücke künftig wie nutzen, erklärte der Oberbürgermeister: „Zwei Fahrradspuren auf der Brücke, dazu zwei Spuren für den motorisierten Verkehr stadteinwärts und auch noch eine stadtauswärts, sofort barrierefreie und vom Verkehr abgetrennte Fußwege – das wäre ideal. Aber Marburg ist nicht Berlin. Und das ist auch gut so.“ Bei der Sanierung einer mehr als 120 Jahre alten Brücke brauche es Kompromisse und kluge Lösungen. Zwei Fahrspuren stadteinwärts seien nötig, um keinen Stau bis zum Erlenring zu haben. Der bisherige Gehweg und der neue Fußgängersteg sowie ein Fußgängerüberweg am BiP sorgten dafür, dass Marburg eine „begehbare Stadt für Menschen“ sei. Und „weil wir eine gesunde und nachhaltige Stadt sein wollen, braucht es die neuen schönen Radwege Am Grün, am Rudolphsplatz und Pilgrimstein. Weil wir besonders das Fahrradfahren noch mehr zum Spaß und praktischen Alltagswerkzeug machen wollen, haben wir jetzt die grüne Welle für Fahrräder von der Kurt-Schumacher-Brücke bis zum Rudolphsplatz und darüber hinaus“, erklärte Spies an.
Während es bei der ersten Eröffnung – am 14. Oktober 1892 bei der „landespolizeilichen Abnahme“ der Weidenhäuser Brücke – kein Fest gegeben hatte, feierte Marburg die Wiedereröffnung nach der Sanierung nun umso mehr. Daran beteiligten sich auch Vereine und Gastronomen. Fehlen durfte natürlich die Weidenhäuser Bürgergarde nicht. Zwischen ihren zwei Wachhäuschen mit Schlagbaum auf der Brücke war das Absperrband gespannt, dahinter nahm die Garde selbst in Uniform Aufstellung. Um die Brücke endgültig zurück an die Stadtgesellschaft zu übergeben, durchschnitten OB Spies und Bürgermeister Stötzel das Band unter den „Augen“ zahlreicher Kamerateams und dem Applaus der Besucher*innenschar.
Neu aufbereitete historische Geländer, ein ganz neuer Fußgängersteg, aufwendig sanierte oder neu eingesetzte Sandsteine, eine neue, ebene Fahrbahn: Zu Fuß entdeckten die Gäste aus Marburg und dem Landkreis ihre Brücke neu und ungestört – denn Autos dürfen erst ab Sonntagabend um 18 Uhr wieder über die Brücke fahren.
Zum Fest gab es natürlich auch Musik: Die Musikabteilung des TSV 1898 Ockershausen spielte. Für Unterhaltung sorgten auch die Weidenhäuser Bürgergarde und „Hoffmanns Lieschen“. Und für Kinder drehte sich ein nostalgisches Kinderkarussell, es gab Kinderschminken und Seifenblasen-Kunst. Mit dem bunten Kinderprogramm, der vielfältigen Unterhaltung und dem kulinarischen Angebot der benachbarten Gastronomen wurde das Brückenfest zu einem Fest für die ganze Familie.
Wer sich für die Geschichte der Brücke und die Sanierungsarbeiten interessierte, der erhielt außerdem beim Vortrag von Ulrich Klein vom Freien Institut für Bauforschung und Dokumentation interessante Einblicke. Daneben gab es noch eine Präsentation, in der die Gäste sich historische Bilder und Fotos vom Ablauf der Bauarbeiten anschauen konnten.