© Heiko Krause, Stadt MarburgIn ihrem Grußwort verwies die Stadträtin und Vorsitzende der Gleichstellungskommission, Dr. Marlis Sewering-Wollanek, darauf, dass der 9. November ein Datum sei, das vor allem für die Pogromnacht und die Verbrechen der Nationalsozialisten steht. Es gebe durchaus einen Bezug zur Lesung, denn die Gedichte beschreiben auch Flucht und Vertreibung.
Sie selbst habe als Kind immer Angst vor Krieg gehabt, sagte Sewering-Wollanek. Als naive Jugendliche habe sie dann gedacht, es werde nie wieder Krieg geben. „Heute weiß ich, dass Unrecht und Menschenrechtsverletzungen viele Gesichter haben und leider immer wieder auftreten - aber die Folgen für die Menschen ändern sich nicht.“
Die Leiterin des Gleichstellungsreferats, Christa Winter, stellte die beiden Autorinnen kurz vor: Die Psychiaterin und Psychotherapeutin Elke Therre-Stahl, seit 2005 auch Stadtverordnete, ist Mitglied der Schreibwerkstatt Marburg und des Marburger Kammerorchesters und hat unter anderem Gedichte und Kurzgeschichten veröffentlicht. Shaima Ghafury ist in Kabul geboren. In Marburg arbeitet die studierte Agraringenieurin als Sozial- und Schuldnerberaterin. Für ihr soziales Engagement wurde sie mehrfach ausgezeichnet.
© Heiko Krause, Stadt MarburgIhre ersten beiden Gedichte, noch in Afghanistan entstanden, trug Shaima Ghafury auf Persisch mit anschließender Übersetzung vor. Unter anderem ging es in einem Frühwerk um die Hoffnungslosigkeit eines Jungen ohne Aussicht auf Schule oder Bildung: „Vater und Mutter haben weder Wissen noch Sprache.“ In späteren Gedichten arbeitet die Autorin ihre Flucht auf. Rosen stehen als Metapher für Zivilisten in einem Text über moderne Kriegsführung mit Drohnen.
© Heiko Krause, Stadt MarburgAuch Elke Therre-Stahl schreibt von durchreisenden Flüchtlingen und wehmütigen Erinnerungen an die Heimat, in ihrem Fall an das baltische Meer: „Die Kinderwiege im Niemandsland, die Geburtsurkunde in Polen.“ Hoffnung müsse aus dem Weiterleben geschöpft werden, heißt es in einem ihrer Gedichte.
Vor ihrer Lesung hatte Therre-Stahl an der Viola zusammen mit Johannes Becker am Klavier mit dem „Lied ohne Worte“ zum Gedenken an die Pogromnacht auf den Abend eingestimmt. Die Lesung wurde außerdem musikalisch untermalt von den afghanischen Musikern Hussain Riaz an der Schalenhalslaute Rubab und Mirweis Nada mit dem Schlaginstrument Tabla.
Der Erlös der Veranstaltung kommt der von Shaima Ghafury ins Leben gerufenen „Initiative afghanisches Hilfswerk“ zugute. Sie unterstützt auch die Integration von Afghanen in Deutschland mit zahlreichen Projekten.