© Stadt Marburg, Patricia Grähling
Die Steinmetze sind von der ersten Stunde der Bauarbeiten an vor Ort. Und sie werden bis zum Schluss im Spätsommer 2019 an der Weidenhäuser Brücke arbeiten. Denn sie kümmern sich mit viel Liebe zum Detail und einer Menge Fachwissen um die alten Sandsteine, mit denen die stadtbildprägende Brücke Ende des 19. Jahrhunderts erbaut wurde. Und das benötigt Zeit.
© Stadt Marburg, Patricia Grähling
„Wir stellen die Weidenhäuser Brücke denkmalgerecht wieder her. Nicht nur, weil der Denkmalschutz es fordert, sondern auch, weil sie ein wichtiges Bauwerk in Marburg ist, der das Stadtbild prägt“, erklärt Baudezernent Wieland Stötzel. „Wer kennt nicht die vielen schönen Fotoansichten mit der Brücke, die die Lahn überspannt, und der Alten Universität, die dahinter in den Himmel ragt?“, fragt er. Das gelte es zu erhalten – und wieder zu verschönern. Denn: Im Zuge von Betonarbeiten in den 1960er-Jahren wurden die detailliert behauenen Gesimse und Konsolensteine an der Nordseite der Brücke komplett entfernt. An der Südseite sind sie noch erhalten – nun kopieren die Steinmetze diese, um auch an der Nordseite wieder die hübsch behauenen Steine einfügen zu können.
„Die Steine an der Südseite sind allerdings so sehr verwittert, dass wir die ursprünglichen Formen kaum herausarbeiten konnten“, erklärt Thomas Engelbach, Fachdienstleiter Tiefbau. „Zum Glück gibt es sehr detaillierte Zeichnungen aus der Bauzeit.“ Damit haben die Fachleute vier verschiedene Formen für die Konsolensteine, die unterhalb der Brückengesimse angebracht sind, rekonstruiert. „Diese Formen für die Nordseite haben wir nun aus Beton gegossen“, sagt Engelbach. Nach einigen Versuchen wurde dabei der Farbton des verwendeten Marburger Sandsteins so gut getroffen, dass die Betonsteine mit dem bloßen Auge kaum von den Sandsteinen zu unterscheiden sind.
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„Die Betonkonsolensteine mit den gerundeten Formen werden mit quaderförmigen, neuen Sandsteinen verklebt und an ebenfalls angeklebten Eisenstücken dann in die Brücke eingebaut“, erklärt der Steinmetz Caspar Fischer. Und dann geht es wieder ins liebevolle Detail: Damit die Sandsteine nicht zu makellos und neu aussehen, versieht Fischer sie mit dem Meißel per Hand mit einem Muster, das eine mittelalterliche Technik aus der Steinbearbeitung nachahmt.
Die Steine an der Südseite werden restauriert. Sie wurden in den ersten Wochen nach Beginn der Brückenbauarbeiten vorsichtig entfernt und in eine Steinmetz-Werkstatt gebracht. Dort liegen sie in einem Wasserbad, um das mit Tauwasser eingedrungene Streusalz zu entziehen. Dunkle Patina auf den Steinen wird durch Sandstrahlen entfernt.
Und dann gibt es da noch die Steine, die komplett gerissen sind und ganz ausgetauscht werden müssen. Das ist etwa bei einigen der Postamente passiert – den schmuck behauenen großen Steine, die auf den Brückenpfeilern saßen. Beim Ausbau sind Risse deutlich geworden, die sich tief durch das Gestein ziehen. Diese gerissenen Postamente werden komplett ersetzt. Bei anderen reicht es, abgebrochene Ecken durch neue zu vervollständigen. Noch sind die alten von den neuen Sandsteinen unterscheidbar: Die alten erkennt man an der dunklen Patina, die sich unter anderem durch die Autoabgase gebildet hat, die neuen an der gelblich-glitzernden Farbe. „Das wird noch angeglichen“, erklärt der Steinmetz. Entweder erhält der neue Teil auch eine Art dunklere Patina – oder der alte Teil wird aufgehellt.
So oder so – die Weidenhäuser Brücke wird nach der Sanierung dem ursprünglichen Bau aus dem 19. Jahrhundert wieder ähnlicher sehen. Dafür wird möglichst jeder Stein liebevoll restauriert, der ein oder andere ersetzt – und die fehlenden Steine wieder neu hergestellt. Neu in Erscheinungsbild rückt der Fußgängersteg, der an der Nordseite angebracht wird. Aber auch dieser hat einen ästhetischen Nutzen: Die Kabel, Leitungen und Rohre, die vor den Sanierungsarbeiten deutlich sichtbar an beiden Seiten der Brücke über die Lahn verlegt waren, verschwinden dann unter dem Steg sind nicht mehr sichtbar.
© Stadt Marburg, Patricia Grähling