„Sie ist kritisch und scheut keinen Konflikt, dabei agiert sie aber immer mit Respekt vor anderen und deren Meinungen“, führte der Oberbürgermeister in Namen der Stadt Marburg bei der Feierstunde zu Ehren der verdienten Kommunalpolitikerin aus. Mit ihrem Einsatz sei sie darüber hinaus längst unabhängig von politischen Ämtern zu einer der wichtigen und anerkannten Persönlichkeiten im interreligiösen Dialog der Universitätsstadt geworden, habe als Mittlerin, Linke und Christin Anliegen und Standpunkte der religiösen Gemeinschaften in die Politik eingebracht.
„Eine Aufzählung aller Verdienste wird ihr nicht gerecht. Das weiß jeder, der Eva Christiane Gottschaldt kennt“, betonte Spies die außerordentliche Vielfalt des Engagements. Gottschaldt hat sich viele Jahre lang im Parlament kommunalpolitisch für Marburg engagiert. Sie war von April 1997 bis Juli 2005 und von April 2006 bis Januar 2009 Mitglied der Stadtverordnetenversammlung. Von April 2001 bis Juli 2005 und von April 2006 bis Januar 2009 übernahm sie dort das Amt der stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteherin. Zudem brachte sie sich viele Jahre als Fraktionsvorsitzende der Marburger Linken in die politische Arbeit ein. Sie war über die Ausschussarbeit hinaus unter anderem Mitglied im Behindertenbeirat, im Vhs-Beirat sowie im Forensikbeirat. Seit 1997 gehörte sie zudem der Gleichstellungskommission an.
Eva Gottschaldt habe sich immer klar und mit Nachdruck gegen einen von rechtsextremen Burschenschaften vereinnahmten Marktfrühschoppen positioniert, zugleich jedoch versucht, mit dem Teil der Besucherinnen und Besucher Lösungen zu suchen, die dort als Bürgerinnen und Bürger feiern wollten. Sie kämpfte für Zwangsarbeiterentschädigung, für würdevolle Beerdigungen von Sozialhilfeempfängern genauso wie für die Finanzierung von Gebärdendolmetschern bei städtischen Terminen oder für Barrierefreiheit im Rathaus. „Wichtig sind Eva Christiane Gottschaldt in ihrer politischen Arbeit dabei insbesondere der Kampf gegen Rechtsextremismus, die städtische Erinnerungskultur und das Engagement für Menschen, die Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren“, betonte Spies. „Sie hat sich immer für das weltoffene, menschliche, gerechte und soziale Klima in der Stadt eingesetzt.“
Ebenso engagiert hat sich die neue Trägerin der Goldenen Ehrennadel für die Aids-Hilfe Marburg. So trug sie bei der Etablierung zur Akzeptanz einer „Tagesanlaufstelle für DrogengebraucherInnen“ in erheblichem Maße bei, „indem sie Menschen aus sehr verschiedenen Lebenswelten miteinander ins Gespräch brachte und damit Vorbehalte und Berührungsängste abzubauen half.“ Auch daran erinnerte der Oberbürgermeister.
Zudem liegt Gottschaldt der kirchliche Bereich sehr am Herzen. Sie ist Mitglied der Evangelischen Michaelbruderschaft, einer geistlichen Gemeinschaft mit besonderer Nähe zur Bekennenden Kirche. Der Antifaschismus sei für sie stets die Grundlage ihres Handelns, erklärt die Geehrte. Außerdem initiierte Gottschaldt den Arbeitskreis „Linke Christinnen und Christen“ und beteiligte sich konstruktiv und kritisch am „Runden Tisch der Religionen“. Ebenso ist sie seit vielen Jahren verantwortliche Redakteurin von „Kirche in Marburg“. Eva Gottschaldt ist darüber hinaus Gründungsmitglied des 2013 gegründeten Fördervereins für das neue Marburger Kultur- und Bildungszentrum mit Moschee und bis heute im Vorstand an maßgeblicher Stelle aktiv. Sie begleitet jedes Jahr das Ramadanzelt, ist daneben auch hochgeschätzte Gesprächspartnerin und Freundin der Jüdischen Gemeinde und des interreligiösen Dialogs in Marburg.
Henning Köster, Fraktion Marburger Linke, hatte Gottschaldt für die Ehrung vorgeschlagen. Er erinnerte an den März 1997, als die Geehrte in das Stadtparlament einzog - damals als „parteilose Kommunistin und kirchenlose Christin“. Heute sei sie beides nicht mehr, also weder partei- noch kirchenlos. An die Mischung „Sozialistin, Marxistin und Christin“ habe die Marburger Linke sich erst gewöhnen müssen, es aber in der Folge umso mehr geschätzt. Das starke kirchliche Engagement von Gottschaldt sei ein Türöffner gewesen. Scharfzüngig in ihren Reden in der Stadtverordnetenversammlung sei sie gewesen und verantwortlich dafür, dass „braune Flecken in Marburg wahrgenommen und angegangen wurden“ - oftmals einstimmig. „Sie hat den Grundstein gelegt für ein antifaschistisches und weltoffenes Marburg“, so Köster, der Gottschaldt dafür dankte, dass sie der Fraktion bis heute beratend zur Seite stehe.
Tief bewegt bedankte sich Gottschaldt für die Auszeichnung mit der Goldenen Ehrennadel: Sie werde für etwas geehrt, dass sie mit anderen gemeinsam habe tun dürfen. Sie dankte ihren Lehrern und ihrer Familie, dankte für die Liebe und Freundschaft, die sie in Marburg erfahren dürfe. Kritische Worte fand sie zu einer aktuellen Debatte: Der Begriff „Heimat“ sei für sie ein ausgrenzender. „Ich wünsche mir, dass wir alle gemeinsam an einem ,Zuhause‘ arbeiten. Das kann man überall finden, wenn man sich einmischt und mit anderen zusammen an der Beseitigung von Missständen arbeitet. Das schafft Verbundenheit und Wärme“, schloss sie. Für die Auszeichnung von Eva Gottschaldt gab es im Historischen Rathaussaal stehende Ovationen.