© Heiko Krause i.A.d. Stadt Marburg
„Passend zum Hexenjahr, das im März startet, findet heute schon ein ‚Hexentreffen‘ bei uns im Historischen Rathaussaal statt“, sagte Stadträtin Kirsten Dinnebier mit einem Augenzwinkern und hieß rund 90 Frauen herzlich willkommen. Die Teilnehmerinnen des „Hexentreffens“ kamen aus der gesamten Bundesrepublik, etwa aus Aachen, dem sächsischen Kamenz, aus der Nähe von Wilhelmshaven und München oder aus dem Südschwarzwald und sie eint vor allem eins: die Leidenschaft zu fliegen.
Dieser Bezug zum Fliegen spiegelt sich auch in der Bezeichnung des Treffens wider: „Schon immer wurde den Hexen die Fähigkeit des Fliegens zugesprochen, als Herausstellungsmerkmal für ihre Andersartigkeit. Dass wir Luftsportlerinnen uns als Hexen bezeichnen, das tun wir mit einem Augenzwinkern“, teilen die Organisatorinnen, Segelfliegerin und Vorsitzende des Kurhessischen Vereins für Luftfahrt (KVfL) Dr. Edith Mohr sowie die Motorfliegerinnen Dr. Katharina Friebe und Dr. Tanya Syzonenko, Mohrs Vereinskameradinnen, auf der Internetseite zum Treffen mit. Der Name des Treffens geht zurück auf den aus Polen stammenden Originalbegriff „Baba Jaga“, in Anlehnung an eine populäre Märchengestalt aus der slawischen Mythologie.
Das 45. „Hexentreffen“ vom 24. bis 26. Januar stand unter dem Motto „Luftsport, Verantwortung und Leidenschaft“ und unter der Schirmherrschaft der Luftsportjugend im Deutschen Aeroclub. „Ich freue mich sehr, Sie heute anlässlich Ihres jährlich stattfindenden ‚Hexentreffens‘ zu empfangen. Ich bin beeindruckt, wie viele Luftsportlerinnen aus allen Himmelsrichtungen zu diesem Treffen nach Marburg gekommen sind“, sagte die Stadträtin während des Empfangs im Historischen Rathaussaal. „Fliegen in Marburg und Umgebung hat mit dem KVfL eine nunmehr 111 Jahre alte Geschichte, die eng mit der Universitätsstadt Marburg verbunden ist“, berichtete die Sportdezernentin und blickte auf die Anfangszeit zurück, als Ballons, Luftschiffe und Flugzeuge in stadtnaher Lage, auf den Afföllerwiesen, starteten und landeten.
Die Stadträtin erzählte, dass der erste Freiballon des KVfL 1910 „Marburg“ genannt wurde und der damalige Oberbürgermeister Georg Gaßmann in den 1950er-Jahren ein Segelflugzeug auf dem Marburger Marktplatz auf den Namen „Stadt Marburg“ getauft habe. Sie hob besonders die Werte und Ziele des Vereins KVfL hervor, der seit 1970 seinen Flugplatz in Cölbe-Schönstadt betreibt: „Mit dem Luftsport Grenzen zu überwinden, dabei überparteilich und überkonfessionell zu wirken, international zu verbinden, sich weltoffen und als Teil einer weltweiten Gemeinschaft zu verstehen – diese Werte und Ziele passen gut zur Universitätsstadt Marburg. Für ein gutes, friedliches und gleichberechtigtes Miteinander aller Menschen, Vielfalt und Dialog statt Diskriminierung, Gewalt und Ausgrenzung, ist es immer wieder nötig, Grenzen zu überwinden, um das vermeintlich Unmögliche zu erreichen.“
Sie zog einen weiteren Bezug zum Luftsport: „Grenzen wurden auch im Luftsport immer wieder überwunden, und zwar nicht zuletzt durch viele wagemutige und selbstbewusste Frauen. Sie träumten den Traum vom Fliegen, eroberten als Pilotinnen die Lüfte, setzten Rekorde und absolvierten spektakuläre Alleinflüge“. Zu ihnen gehörte auch Ingrid Blecher, die im Jahr 1961 als 16-Jährige als einziges Mädchen im Club mit dem Segelflug begann und sich schnell zu einer ehrgeizigen und erfolgreichen Pilotin entwickelte. 1975 gründete sie das erste „Hexentreffen“ zum Austausch und zur Vernetzung flugbegeisterter Frauen.
Ihr sowie weiteren Gleichgesinnten sei es zu verdanken, dass Strukturen für Frauen im Luftsport geschaffen wurden wie die erste deutsche Segelflugmeisterschaft der Frauen 1979, oder die Einrichtung von Trainingslagern und Bildung einer ersten Nationalmannschaft, sagte Dinnebier. „Damit haben sich diese Frauen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Luftsport eingesetzt.“ Die Sportdezernentin ergänzte, „dass solches Engagement beispielhaft auch für andere Sportarten sein sollte, in denen Frauen möglicherweise zahlenmäßig mehr vertreten sind als im Luftsport, aber ihnen eine strukturelle und gestaltende Teilhabe viel weniger möglich ist“.
Sie dankte den Teilnehmerinnen des Treffens für ihr Engagement, denn auch heute noch sei es im Sinne der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung wichtig, Frauen und Mädchen darin zu unterstützen, ihre Träume zu verwirklichen und ihre eigenen Wege zu beschreiten – insbesondere in den Bereichen, in denen Frauen noch unterrepräsentiert seien und sich möglicherweise gegen Vorurteile und Barrieren durchsetzen müssen. „Das ist eine Aufgabe für unsere gesamte Gesellschaft, für uns als Stadt, und natürlich auch im Sport. Danke, dass Sie sich dafür engagieren“, sagte Dinnebier.
Im Anschluss an die Begrüßung durch die Stadträtin übernahm Sabine Theis, Vorsitzende des Bundesausschusses Frauen und Familie im Deutschen Aeroclub, noch eine Ehrung der Organisatorinnen. Dinnebier wünschte den Frauen, deren Programm bereits am Freitagabend mit mehreren Führungen gestartet war, einen „beschwingten Aufenthalt in Marburg“. Neben dem Empfang standen am Samstag Informationen und eine Abendveranstaltung auf der Tagesordnung. Das Treffen endete am Sonntag mit einer Führung zu „Berühmten Marburger Frauen“. Jedes Jahr wechseln sich Pilotinnen deutschlandweit als Gastgeberinnen ab und bieten Vorträge, Diskussionsrunden und Aktivitäten rund um den Luftsport sowie den Austausch unter Gleichgesinnten.