© Thomas Steinforth, Stadt Marburg
„Wer einen Spaziergang durch den Heiligen Grund in Ockershausen macht, entdeckt bei genauerem Hinsehen einen großen Reichtum der Flora und Fauna – Feuersalamander, der inzwischen seltene Wiesensalbei und viele besondere Schmetterlings- und Libellenarten, die hier ungestört leben“, sagte Bürgermeister Wieland Stötzel. „Diesen Lebensraum möchten wir in seiner Schönheit und Vielfalt erhalten. Auch sorgt der Heilige Grund für eine Frischluftzufuhr der Stadt, da die Luftströmung des Umlandes durch die Schneise des unbebauten Heiligen Grundes direkt in die Stadt einfließt“, erklärte der Umweltdezernent.
Das Projekt „Grüne Achsen, grüne Orte“ verfolgt das Ziel, Natur und natürliche Ressourcen zu schützen, zu entwickeln, zu pflegen und behutsam zu nutzen. In der Verbindung von Natur und Kultur sollen die Lebens- und Wohnqualität im Stadtteil und das soziale Miteinander verbessert und die Stadträume vernetzt werden. „Grüne Achsen, grüne Orte“ ist Teil des im Jahre 2018 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) im Stadtteil Ockershausen/Stadtwald und wird vom Programm „Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier“ (BIWAQ) unterstützt. BIWAQ fördert gezielt Projekte, die auf die Bedürfnisse der Menschen in den Stadtteilen abgestimmt sind – und die die soziale und städtebauliche Entwicklung miteinander verknüpfen. Der Heilige Grund ist, nicht zuletzt auch mit seinem Apfellehrpfad, ein grüner Ort für die Menschen im Stadtteil – gleichzeitig auch eine grüne Achse, verbindet er doch die Gebiete Stadtwald und Alt-Ockershausen fußläufig miteinander.
© Thomas Steinforth, Stadt Marburg
Die IKJG hat sich gemeinsam mit Stadt, Landkreis, Kreisjobcenter, Jobcenter Waldeck-Frankenberg und den Streuobstfreunden seit vergangenem Jahr auch der Aufgabe angenommen, Arbeits- und Beschäftigungsgelegenheiten in der Landschaftspflege zu schaffen und Menschen die Gelegenheit zu geben, sich in diesem Rahmen zu qualifizieren. Momentan arbeiten bereits drei Beschäftigte in dieser Maßnahme. Einer von ihnen wohnt im Landkreis Waldeck-Frankenberg, weswegen das dortige Jobcenter auch involviert ist. Angestellt sind sie bei der IKJG, die Streuobstfreunde stehen mit fachlicher Beratung zur Seite. „Das Besondere dabei ist, dass wir ganz im Sinne des Projekts ‚Grüne Achsen, grüne Orte‘ die soziale und die naturräumliche Komponente im Stadtteil verbinden“, freute sich Dorothee Griehl-Elhozayel von der IKJG. Klaus-Jürgen Klann vom Jobcenter Waldeck-Frankenberg ergänzte, dass diese Beschäftigungsform ein Paradigmenwechsel sei, da Langzeitarbeitslose so eine Arbeit zum Tariflohn antreten können. Zudem werde auf das Potential der Arbeitnehmer*innen geachtet. „Wir wollen die richtigen Menschen in die passenden Arbeitsverhältnisse bringen“, sagte Klann. So hat einer der Angestellten Geographie studiert und Erfahrungen im Obstbau, ein anderer war Landwirt in Afghanistan. Die Beschäftigten verrichten verschiedene Arbeiten in der Landschaftspflege, momentan liegt die Hauptaufgabe im Gehölzschnitt. Dieser muss vor dem 1. März abgeschlossen sein, weil dann die Nist- und Brutzeit für Vögel und andere Baumbewohner anbricht. Nach Abschluss dieser Arbeiten werden neue Bäume gepflanzt, die die Universitätsstadt Marburg finanziert.
Mit dem Projekt gelingt es den Partnern, Wege der beruflichen Integration anzubieten, für die Stadtteilbewonher*innen im nahen Wohnumfeld einen attraktiven Freizeit- und Naturraum zu erhalten und verschönern sowie die Bio-Diversität zu schützen und einen Beitrag für den Klimaschutz zu leisten.
Zum Hintergrund:
Der Heilige Grund ist durch seine einmalige Lage und den reichen Bestand alter Streuobstbäume ein Kleinod der Natur, das es zu erhalten gilt. Eine große Artenvielfalt der Flora und Fauna konnte sich vor allem dadurch entwickeln, dass es im Heiligen Grund keine Flurbereinigung gegeben hat. Die dadurch noch vorhandene Aufteilung in kleine Parzellen ergibt eine bunte Abwechslung, zum Beispiel auch durch verschiedene Hecken. Auf den zahlreichen Wiesengrundstücken wurden traditionell Kirschbäume gepflanzt, die auf dem fruchtbaren Boden mit Lössauflage hervorragend gedeihen konnten. Der Ockershäuser Kirschenanbau war weit über Marburg hinaus bekannt. In der Nachkriegszeit konnten auch die Kleinbauern Ockershausens von den Erträgen der Kirschernte leben. Dies änderte sich abrupt, als in den 1960er-Jahren die Kirschfruchtfliege aus dem Süden Deutschlands auftauchte und auch in Ockershausen die Erträge ungenießbar machte. Der Kirschenanbau wurde nicht weiter betrieben und die Grundstücke verwilderten. In den abgestorbenen Bäumen finden heute besondere Vogelarten einen großen Nahrungsreichtum, zum Beispiel auch der inzwischen sehr seltene Wendehals.
Die Wiederbepflanzung und Pflege von alten Kirsch- und Apfelsorten im Heiligen Grund wurde zusammen mit dem Naturschutzbund (NABU) und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) von Dr. Norbert Clement, Vorsitzender des Vereins Streuobstfreunde und Berater der Obst- und Gartenbauvereine, seit 1996 initiiert. Die Universitätsstadt Marburg setzte hier einen Schwerpunkt ihrer Arbeit im Naturschutzbereich im Stadtgebiet und förderte die Pflanzung von Obstbäumen kontinuierlich seit vielen Jahren sowohl im Heiligen Grund als auch auf dem angrenzenden Hasselberg.