© Freya Altmüller, Stadt Marburg
„Der Wechsel aus der Herkunftsfamilie in eine Einrichtung der stationären Jugendhilfe ist ein großer, weitreichender und oft auch schmerzhafter Schritt für junge Menschen und ihre Familien. Deshalb brauchen wir ein gut aufgestelltes Jugendhilfesystem mit gut ausgebildeten Fachkräften, die große Empathie und Sachkenntnis mitbringen“, so Bürgermeisterin und Jugenddezernentin Nadine Bernshausen bei der Begrüßung und Einführung ins Thema auf der Fachtagung „Stark nachgefragt“ im Technologie- und Tagungszentrum.
Rund 160 Teilnehmende trafen sich, um sich über die Arbeit in der stationären Jugendhilfe zu informieren. Sie machen an der Philipps-Universität einen Bachelor of Arts in Erziehungs- und Bildungswissenschaft oder beim Marburger Bibelseminar einen Bachelor Professional Sozialwesen und werden dort oder an der Käthe-Kollwitz-Schule stattlich anerkannte Erzieher*innen. Bei dem Fachtag stellten ihnen junge Fachkräfte in Arbeitsgruppen ihre Tätigkeit und ihren Alltag vor.
© Freya Altmüller, Stadt Marburg Der Fachtag war eine gemeinsame Veranstaltung von stationären Jugendhilfeträgern und dem Marburger Jugendamt als Aktion gegen den drohenden Fachkräftemangel. Beteiligt waren die freien Träger St. Elisabeth- Verein, Kerstin-Heim, Deutsche Blindenstudienanstalt, Caritas Jugendhilfe Marburg, Jugendheim Marbach und die Kinderintensivpflegeeinrichtung Bärenfamilie.
„Meines Wissens ist eine Fachtagung dieser Art hessenweit die erste“, sagte Matthias Leibfried-Reuß, der bei der Stadt Marburg für die Qualitätsentwicklung stationärer Hilfen zuständig ist. „Mit dieser Veranstaltung wollen wir die Studierenden und die Marburger Träger zusammenbringen und erste berufliche Kontakte ermöglichen.“
In Marburg werden rund 400 Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen betreut – junge Menschen mit besonderen pädagogischen Bedarfen aus Familien in schwierigen Lebenssituationen. Rund 380 pädagogische Fachkräfte arbeiten im Marburger Stadtgebiet in der stationären Jugendhilfe. Der Generationenwechsel ist in vollem Gange. Da ist es wichtig, das neue Fachkräfte nachkommen.
Allein in Marburg gibt es 86 verschiedene durch die oben genannten Träger betriebene Einrichtungen. „Für jedes Alter und jeden Bedarf gibt es eine spezielle Wohnform“, erklärt Leibfried-Reuß. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Einrichtungen und damit auch Berufsperspektiven: Kinderhäuser, Jugendwohngruppen, Mutter-Kind-Gruppe oder erlebnispädagogisch orientierte sowie geschlechtsspezifische WGs. Auch Kinder und Jugendliche mit besonderen Bedarfen, wie Behinderungen, seelischen oder psychischen Belastungen sowie chronischen Erkrankungen finden in Marburg eine entsprechende Betreuungsform.
© Freya Altmüller, Stadt Marburg Der Fachtag ermöglichte es den angehenden Fachkräften, im gemeinsamen Austausch Vorbehalte abzubauen und alle Fragen zu stellen, sodass sie ein realistisches Bild von der Arbeit in der Jugendhilfe entwickeln konnten. „Man begleitet die Kinder nicht nur den Vormittag, sondern einfach im Leben, hilft etwa bei schulischen Problemen und dem Erlernen von Selbstständigkeit“, erzählt eine Fachkraft auf die Frage, was ihr an ihrer Tätigkeit am besten gefällt.
„Marburg ist ein wunderbarer Ort zum Aufwachsen. Dies wollen wir auch Kindern und Jugendlichen ermöglichen, die im Moment nicht bei ihren Familien leben können. Die Arbeit in den Wohngruppen ist eine hohe fachliche Anforderung gerade an Berufseinsteiger*innen. Umso glücklicher bin ich über die vielen interessierten Studierenden, die heute an unserem Fachtag teilnehmen“, so Stefanie Lambrecht, Leiterin des Fachbereichs Kinder, Jugend und Familie.
Im Anschluss an die Kleingruppenarbeit und ein Podiumsgespräch konnten sich die Teilnehmenden der Fachtagung noch an Infotischen der freien Träger und der Lehrinstitute beim „Markt der Möglichkeiten“ informieren, beispielweise über die Möglichkeit, ein Praktikum in einer Wohngruppe zu machen.