© Nadja Schwarzwäller i.A.d. Stadt Marburg
„Astum“ – dieses Wort bedeutet „komm her“. Es ist aus der Sprache, die in der Generation ihrer Großeltern noch gesprochen wurde, wie Nicole Brabant während der Vernissage zu ihrer Ausstellung „New Works“ in der Brüder-Grimm-Stube erklärte. Die Sprache, von der sie selbst schon nichts mehr weiß. Ebenso wie zwei weitere Worte ist „astum“ als Druck an einer der Wände der Brüder-Grimm-Stube zu sehen.
Vor jedem der drei Bilder befindet sich eine Hörstation, an der die Besucher über einen Kopfhörer kurze Interviewsequenzen eingespielt bekommen, die Nicole Brabant vor fast zwanzig Jahren mit ihrer Großtante Mary aufgezeichnet hat. Weil sie selbst „nothing“, nichts mehr von der Sprache ihrer Vorfahren kennt, habe sie die Großtante gebeten, ihr irgendetwas, „anything“, darüber zu erzählen.
„Anything“ ist das dritte Wort, das an der Wand zu lesen ist. Und als sie bei der Vernissage davon erzählte, konnten die gut 30 Besucher hautnah erleben, wie sehr Sprache mit Gefühlen verbunden ist: Die Künstlerin war sichtlich bewegt. Nicht nur in der eigenen Familie, auch in Kanada ist die Sprache ihrer Vorfahren gefährdet. „Michif de Cree“ mischt Verbformen und Grammatikstrukturen der Sprache der Cree-Indianer mit Substantiven aus dem Französischen.
© Nadja Schwarzwäller i.A.d. Stadt Marburg
Es sei unüblich für sie, dass sie so persönliche Dinge in einer Ausstellung präsentiere, verriet Nicole Brabant. Neben den Interviews zeigt die Kanadierin auch Familienportraits, die vier Generationen zurückgehen. Alles in der Ausstellung habe auch mit Verlust und Trauer zu tun, so Brabant. Die vergangenen zwanzig Jahre beschäftige sie sich schon mit der Historie ihrer Familie und erforscht, wie persönliche Erinnerungen mit historischen Ereignissen verwoben sind.
In Kanada hätte sie nicht so viel Persönliches mit dem Publikum einer Ausstellung geteilt, erklärte Nicole Brabant. Ein weiterer Grund für die Auswahl der Arbeiten sei ihre langjährige Verbindung mit ihrer Marburger Künstlerkollegin Dr. Angela Weber. Gemeinsam gaben die beiden eine Einführung in „New Works“, die viele persönliche Erinnerungen und Gedanken enthielt. So berichtete Angela Weber auch vom Dialekt ihrer Großeltern, den sie selbst jetzt wieder spreche – und dabei sofort die Großmutter wieder vor Augen habe.
Nicole Brabant gehört zur Ethnie der „Cree-Métis“ – Nachfahren europäischer Pelzhändler und Frauen des Cree-Volkes. Sie wurde in der kanadischen Provinz Saskatchewan geboren und lebt inzwischen in Vancouver. Brabant ist nicht nur Künstlerin, sondern hat auch Sprache und Literatur studiert und gelehrt, ebenso wie sie als Dozentin für Kunst, Kunstgeschichte und Cultural Studies tätig war und ist.
Eröffnet wurde die Ausstellung von Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und dem Leiter des Zentrums für Kanada-Studien an der Philipps-Universität, Professor Dr. Martin Küster. Spies betonte, die Ausstellung sei als Ergebnis einer Kollaboration zwischen Stadt und Universität typisch für Marburg. Nicole Brabant ist bereits zum dritten Mal zu Gast in Marburg. Einmal war sie bereits als Künstlerin in der Universitätsstadt, beim zweiten Besuch hielt sie einen Vortrag und nun stellt sie erneut aus. Darüber hinaus sprach Brabant im Rahmen des öffentlichen Kolloquiums „Kontexte der Kunst“ im Institut für Bildende Kunst.
Die Ausstellung in der Brüder-Grimm-Stube ist noch bis zum 1. Dezember zu sehen. Die Öffnungszeiten sind von Montag bis Freitag von 13 bis 17 Uhr, sowie samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr.