Zum 38. Mal bereits lädt die Universitätsstadt Marburg zu ihrer Sommerakademie ein. Am Sonntag fand die Eröffnung im Gymnasium Philippinum statt.
Alljährlich verwandeln sich in der Ferienzeit Klassenzimmer und Unterrichtsräume in Ateliers und Werkstätten. Auf dem Schulhof wird gehämmert und gemeißelt, in der Turnhalle geprobt. Menschen aus ganz Deutschland kommen in Marburg zusammen, um für ein, zwei oder drei Wochen künstlerisch tätig zu sein - viele von ihnen als "Wiederholungstäter", wie Stadträtin und Kulturdezernentin Dr. Kerstin Weinbach bei der Eröffnung am Sonntag feststellte. Bereits diese erste Veranstaltung ist geprägt vom ganz besonderen Charakter der Sommerakademie: Wer sich kennt, umarmt sich herzlich, es liegt kreative Energie und jede Menge Vorfreude in der Luft.
"Wir hoffen, dass die Kunst Brücken bauen kann, wo Diplomatie und Politik an ihre Grenzen stoßen", erklärte Weinbach. Bei der Sommerakademie begegnen sich Menschen unterschiedlichster Herkunft und mit verschiedenen Berufen, Voraussetzungen und Kenntnissen. Der jüngste Teilnehmer in diesem Jahr ist 15, der älteste über 80. Von dieser Vielfalt sollen sich alle inspirieren lassen, so der Wunsch der Kulturdezernentin.
25 verschiedene Kurse gehören zur Marburger Sommerakademie 2015; am Tag der Eröffnung lagen 337 Anmeldungen vor, wobei täglich noch weitere Teilnehmer hinzukommen. 30 Prozent kommen aus Marburg, etwas mehr, nämlich 36 Prozent, aus dem Rest von Hessen, 29 Prozent aus den anderen Bundesländern und 5 Prozent aus dem Ausland.
Zur Zielsetzung, den interkulturellen Dialog zu fördern, gehört auch die Vergabe von Stipendien in Marburgs Partnerstädte. Aus Sibiu sind in diesem Jahr zum fünften Mal Stipendiaten bei der Sommerakademie: Andreea Nicoleta Craciun und Diana-Nicole Stinghe. Schon zum elften Mal gehen zwei Stipendien ins französische Poitiers, nämlich an Camille Gouvine und Rojer Feghali. Feghali ist bereits im vergangenen Jahr zu Gast gewesen und setzt sich seitdem in seiner künstlerischen Arbeit auch mit Marburg auseinander - viele außergewöhnliche Perspektiven seien dabei schon entstanden, so Weinbach. Auch Waleed Nizamy konnte in diesem Jahr die Teilnahme an der Sommerakademie ermöglicht werden. Er hat im vergangenen Jahr seine Heimat Syrien verlassen müssen, wo er als Künstler tätig war und lebt seitdem mit seiner Familie in Marburg. Der studierte Designer und Maler wird sich mit der Druckgrafik befassen.
Welche Disziplin sich die Teilnehmer auch ausgesucht haben - Martin Seidemann, künstlerischer Leiter der Marburger Sommerakademie im Bereich der bildenden Kunst, wünscht ihnen "Mut und Entschlossenheit, Neues herauszufordern und zu entdecken". Die anregende Zusammenarbeit in Gruppen sei eine große und besondere Chance.
Anemone Poland, künstlerische Leiterin für den Bereich darstellende Kunst, zitierte zur Begrüßung der Teilnehmer Shakespeare ("Die ganze Welt ist Bühne") und charakterisierte das Theater als einen Erfahrungsraum der besonderen Art. Wer Theater spielt, der ist mehr als nur vernünftiges Wesen, weil das Spielen unvernünftig ist, heißt es in ihrem Vorwort zum diesjährigen Programm. Also: "Auf eine vernünftig-unvernünftige Zeit in Marburg".
Damit diese Zeit eine gute wird, arbeitet das Team rund um Britta Sprengel und Karin Stichnothe-Botschafter vom Fachdienst Kultur der Stadt Marburg schon das ganze Jahr. Sprengel hatte ein Zitat aus den Zeiten der ersten Sommerakademie in Europa, nämlich der in Salzburg 1953, zur Eröffnung mitgebracht. Darin heißt es: "Der Akademiebetrieb als solcher sieht eine enge Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schülern vor." Außerdem ist die Rede von "unterweisender Kritik", "freier Meinungsäußerung" und "gegenseitigem menschlichem Sichnäherkommen". Auch wenn die Formulierungen heute amüsant anmuten - auch nach über 60 Jahren habe sich an den Besonderheiten dieser kulturellen Bildungsform nichts verändert, so Sprengel.
In den kommenden drei Wochen gibt es zusätzlich zum Kursangebot auch ein teilweise öffentliches Rahmenprogramm. Am Dienstag, 4. August, findet die Eröffnung der Begleitausstellung in der Brüder-Grimm-Stube statt. Anna Stangl, Dozentin des Kurses "Die Zeichnung, so nahe am Gedanken" zeigt unter dem Titel "Unter Füchsen" Zeichnungen. Die Ausstellung ist bis zum 30. August täglich von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Am Donnerstag, den 6. August präsentiert der Berliner Mime Oliver Pollak das zwei-Personen-Stück "gefangen - vergangen" in der Waggonhalle (20 Uhr).
Am Freitag, 14. August zeigt sich die "Sommerakademie transparent": Von 13 bis 17 Uhr sind Besucher eingeladen, hinter die Kulissen, in die Ateliers und Werkstätten zu schauen. Der Kurs "Körpertheater - Das Unsichtbare sichtbar machen" bietet eine offene Probe und der Kurs "Schau der Variationen" eine Präsentation. Zum "Marburger Kunstspaziergang", einer besonderen Stadtführung mit Blick auf Orte der Kunst in Marburg, ist am Mittwoch, den 19 August um 17 Uhr eingeladen. Und am Freitag, den 21. August gibt es zum Abschluss Aufführungen aus den Kursen "Werkstatt zeitgenössischer Tanz", "Clown" und "Schauspiel-Training: Stimme und Präsenz".
Alle Informationen zur Sommerakademie finden sich im Internet unter http://www.marburg.de/sommerakademie