Die Nordstadt ist ein sensibler Verkehrsknotenpunkt: Tausende Verkehrsteilnehmer*innen sind täglich zwischen Hauptbahnhof, Elisabethkirche und Universitätsbibliothek unterwegs – allein durch den neuen Campus Firmanei kommen nochmal rund 6000 Menschen zusätzlich in oder durch die Nordstadt – viele davon mit dem Fahrrad. Um das damit verbundene höhere Aufkommen unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer*innen gut zu lenken, hat die Stadt Marburg in den letzten gut zwanzig Jahren gemeinsam mit Anwohnenden, Gewerbetreibenden und Interessierten ein Konzept für die Verkehrsführung in der Nordstadt erstellt. Das sieht im ersten Schritt vor, durch neue Radspuren das Radfahren insbesondere für Studierende und Angestellte der Philipps-Universität wesentlich attraktiver und sicherer zu gestalten.
„Die Verbesserungen für den Radverkehr in der Elisabeth- und westlichen Bahnhofstraße sind ein Meilenstein für den Radverkehr in der Nordstadt“, freute sich Oberbürgermeister Spies zu Beginn der Veranstaltung. „Auf diesen Moment freue ich mich schon seit meinem ersten Tag als Oberbürgermeister“, so der Verkehrsdezernent, der erinnerte, dass dieser Neuerung viele Jahre an zum Teil hart geführten politischen Auseinandersetzungen vorausgegangen waren. „Dass wir dieses große Ziel heute gemeinsam erreichen, ist ein Erfolg aller Marburger*innen, die sich für besseren Radverkehr und ein Miteinander im Verkehr eingesetzt haben“, dankte Spies den Anwesenden. Den Kolleg*innen der Verwaltung sei es gelungen, ein kluges Konzept auszuarbeiten, das „erhebliche Verbesserungen für den Radverkehr erreicht und zugleich für Fußgänger*innen, Busse und Autos ein sinnvoller und funktionaler Kompromiss ist“, so Spies.
„Wir freuen uns sehr, dass wir heute ein Verkehrskonzept vorstellen, das auch die Zustimmung der Gewerbetreibenden und des Radverkehrsbeirats gefunden hat. Nun geht es an die Umsetzung“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Vorgestellt und diskutiert wurden die Planungen bereits im November 2017 öffentlich in einer Informationsveranstaltung, danach wurden sie weiter mit den Beteiligten abgestimmt, Anregungen der Bürger*innen geprüft und eingearbeitet. Nach der Fertigstellung der Weidenhäuser Brücke soll nun die Umsetzung folgen.
Zunächst werde es nur geringe bauliche Eingriffe geben, das Konzept werde vor allem mit Farbe auf der Straße umgesetzt. „So verbessern wir die Situation für die Radfahrenden sehr schnell deutlich. Damit setzen wir nicht nur wichtige Punkte aus unserem Radverkehrskonzept um, sondern auch aus dem Green City-Plan: Wir schaffen gute und sichere Alternativen zum Auto, damit die Menschen Lust haben, das Fahrrad zu benutzen.“ Bürgermeister und Baudezernent Wieland Stötzel ergänzt: „Dadurch, dass wir die Radwege zunächst nur mit Farbe aufbringen, verbauen wir uns nicht die perspektivisch angestrebte Neugestaltung der Nordstadt als Verkehrsraum, Lebensraum und Einkaufsmeile.“ Er erklärte, dass die Straßen bereits in dieser Woche asphaltiert wurden, nach kleineren baulichen Maßnahmen kann es dann in der zweiten Woche der Herbstferien mit der Farbe losgehen.
Das passiert in der Nordstadt:
- Neumarkierungen auf der Fahrbahn
- Umprogrammierung der Ampelanlagen und Ausstattung mit SiBike
- Einrichtung von drei großen Ladezonen
- Parkplätze in der Bahnhofstraße größtenteils erhalten
In der Elisabethstraße werden Radverkehrsanlagen in beide Fahrtrichtungen markiert. Außerdem richtet die Stadt zwei große Bereiche ein, die als Ladezone für den Lieferverkehr und Fahrbereich für den Radverkehr dienen sollen. Die Kreuzung wird mit SiBike, einer appgesteuerten Ampelschaltung für Radfahrer*innen, und Fahrradampeln ausgestattet. Vor der Ampel in Richtung Pilgrimstein wird eine Aufstellfläche für den Radverkehr geschaffen. Für die Radfahrer*innen, die in Gegenrichtung zum Autoverkehr durch die Elisabethstraße geführt werden, wird es an der Kreuzung zur Bahnhofstraße und zum Wehrdaer Weg eine Möglichkeit zum Linksabbiegen in den Wehrdaer Weg geben. Dazu schafft die Stadt eine rot markierte Aufstellfläche vor dem Bankgebäude an der Ecke.
Auch in der westlichen Bahnhofstraße werden Radverkehrsanlagen in beide Fahrtrichtungen markiert. Außerdem wird die Stadt die rechte Fahrspur wegnehmen. Im Bereich der bisherigen rechten Fahrspur wird eine Fahrspur für Busse und den Lieferverkehr eingerichtet und Platz für die Wegführung der Radfahrer*innen geschaffen. Der Bereich ist fast fünf Meter breit, sodass Rad- und Busverkehr nebeneinander fahren können. Die Ampel vor der Hauptpost wird ausgestattet mit SiBike, einer Fahrradampel und einer Ampelschaltung für Busse. Auf der gegenüberliegenden Seite bleiben vier Parkplätze erhalten, außerdem werden neue Fahrradständer eingebaut. Auch die Parkplätze vor dem Chemischen Institut bleiben erhalten.
Umgestaltet wird auch die Kreuzung Bahnhofstraße/Rosenstraße/Robert-Koch-Straße. An dieser Stelle muss der Radverkehr, der aus Richtung Elisabethstraße entgegen der Fahrtrichtung ankommt, bei der Ampel auf den Gehweg geführt werden. Hierfür wird der Gehweg verbreitert. Die Radfahrer*innen müssen auf dem Gehweg jedoch absteigen und gemeinsam mit den Fußgänger*innen bei Grün an der Fußgängerampel die Robert-Koch-Straße überqueren. Diese Lösung hat die Stadt in Abstimmung mit dem Radverkehrsbeirat und Vertreter*innen der Sehbehinderten für die Verkehrsführung an diesem Knotenpunkt getroffen. „Eine separate Wegeführung für den Radverkehr aus der Gegenrichtung ist an diesem Knotenpunkt im innerstädtischen Verkehr nicht sinnvoll umsetzbar. Das haben wir von Verkehrsplanern überprüfen lassen“, erläuterte Michael Hagenbring, Fachdienst Straßenverkehr. „Wir sind froh, dass wir mit allen beteiligten Nutzergruppen einen Kompromiss gefunden haben.“
Glücklich, dass das Nordstadt-Konzept jetzt umgesetzt wird, zeigten sich auch die Beteiligten: „Wir sind froh, dass es eine wesentlich bessere Radwegeanbindung an den Campus Firmanei gibt“, sagte Lukas Ramseier Verkehrsreferent des Allgemeinen Studierendenausschusses (AstA). Er wünschte sich, dass diese und die weiteren Umsetzungsschritte schnell passieren. Christian Großmann erklärte für den Werbekreis Nordstadt: „Wir freuen uns über die Umgestaltung und die Chancen, die sich uns damit bieten.“ Für den Einzelhandel sei Erreichbarkeit wichtig – und die sei mit allen Verkehrsmitteln gegeben, werde für den Radverkehr sogar deutlich verbessert. „Die Einspurigkeit sehen wir als großen Gewinn, denn damit fällt der ,Rennstreckencharakter‘ weg, wo viele nochmal Gas geben und überholen. Das verbessert die Aufenthaltsqualität deutlich – und auch die ist sehr wichtig für den Einzelhandel.“
Weitere neue Radwege in 2020
Im nächsten Jahr werden auch in der Frauenbergstraße und der Großseelheimer Straße Markierungen auf die Fahrbahn gebracht, um das Radfahren dort sicherer und attraktiver zu machen. Katharina Schmidt vom Fachdienst Tiefbau gab einen Einblick in den aktuellen Stand der Planungen für die Frauenbergstraße: Hier werden beidseitig Schutzstreifen für den Radverkehr auf der Fahrbahn angeordnet um das Radfahren zum Südbahnhof sicherer zu machen.
Hagenbring stellte die Entwürfe für die Großseelheimer Straße vor, die das Pendeln zum Universitätsklinikum und den Instituten der Universität auf den Lahnbergen erleichtern und für Radfahrer*innen attraktiver machen sollen.
Beide Projekte sind aktuell noch in der Entwurfsphase, bei beiden Planungen können die Marburger*innen sich mit ihren Ideen und Anmerkungen einbringen. Anfang 2020 wird die Stadt zu einem Radverkehrsforum einladen, bei dem beide Neumarkierungen Thema in Workshops sein werden. Darüber hinaus werden Anwohner*innen, Interessensverbände, Wirtschaftsvertreter*innen und sowie Arbeitgeber und deren Betriebsräte ebenfalls beteiligt.
Die Präsentation des Abends mit Plänen finden Sie hier.