© Tina Eppler, Universitätsstadt Marburg„Es ist mir ein großes Anliegen in meiner letzten Woche im Amt ein kleines Resümee dessen zu ziehen, was geschehen ist, aber vor allem, was zugunsten der ankommenden Neubürgerinnen und Neubürger noch alles unternommen wird“, hob das scheidende Stadtoberhaupt hervor. Neben den Menschen, die bereits länger mit Duldungsstatus in Marburg lebten seien es derzeit 115 unbegleitete minderjährige Ausländer, die hier sind. In der Erstaufnahmeeinrichtung in Cappel seien etwa 620 Menschen untergebracht. Zudem wohnten in der Stadt 381 Asylbewerber, 100 davon in Wohnungen, die sie selbst gemietet haben, der Rest in von der Stadt angemieteten, so Vaupel. Die Mitarbeiter des Fachbereichsleiters Arbeit, Soziales und Wohnen, Peter Schmidt, leisteten in dem Bereich hervorragende Arbeit.
Oberbürgermeister Vaupel dankte den Marburgerinnen und Marburgern für ihr herausragendes Engagement für die Flüchtlinge, etwa 500 seien ehrenamtlich im Einsatz. Dank spreche er auch dafür aus, dass viele Wohnraum, der zum Teil länger nicht vermietet war, zur Verfügung stellten. So sei die Stadt in der glücklichen Lage, noch etwa 200 Wohnungen als Vorhalt für den Bedarfsfall zur Verfügung zu haben. „Wie die Bürger mit den Flüchtlingen umgehen, sich für sie einsetzen, das ist für mich die größte Freude“, so Vaupel.
Das Stadtoberhaupt verwies noch einmal darauf, dass das Zelt-Camp in Cappel ursprünglich nur bis Oktober angedacht war. Als klar wurde, dass es längerfristige Lösungen geben muss, habe die Stadt sofort Planungen für feste Unterkünfte aufgenommen. Von den sechs Holzhäusern seien bereits vier fertig errichtet, ein fünftes stehe kommende Woche und das letzte werde vor Weihnachten fertig sein, so Vaupel, eines sei bereits bezugsfertig, ein zweites werde in der kommenden Woche nutzbar und bei zweien werde am Innenausbau gearbeitet, auch in sie könnten noch im Dezember Flüchtlinge einziehen.
„Ich bin froh, über die Unterstützung durch regionale Unternehmen“, nur auf diesem Wege habe alles so schnell gehen können, sagte Vaupel. Das bestätigte Jürgen Rausch, Fachbereichsleiter Planen, Bauen, Umwelt. Das Ganze sei eine logistische Herausforderung, zumal die Menschen während der Bauphase auf dem Gelände leben. Strom-, Gas-, Wasser- und Abwasseranschlüsse hätten hergestellt werden müssen. Jedes der Häuser verfügt über zwei Etagen mit jeweils elf Zimmern von 26 Quadratmetern in denen bis zu acht Menschen leben könnten. Es gebe sanitäre Anlagen getrennt für Männer und Frauen und eine Teeküche. Auch Waschmaschinen seien vorhanden, so Rausch. Insgesamt, so Vaupel könnten bis zu 864 Flüchtlinge in den Häusern leben, denn wenn beispielsweise eine fünfköpfige Familie in einem Zimmer sei, könne niemand mehr zusätzlich dort leben.
Der Oberbürgermeister hob hervor, dass das Camp so wenig wie möglich Lagercharakter haben soll. Vielmehr gehe es darum, ein Quartier zu schaffen, in dem die Flüchtlinge sich so wohl wie möglich fühlten. Wie Rausch erläuterte, werde es eine Art Höfecharakter werden mit ausreichend Freiflächen zum Verweilen und auf denen Kinder spielen können. Zunächst werde die Essensausgabe noch in einem Zelt erfolgen. Mittelfristig werden laut Auskunft des Baudirektors noch ein Gebäude dafür, ein Aufenthaltsgebäude und ein Haus für die Verwaltung hinzukommen. Ebenfalls neu sei eine Zufahrtsstraße vom Industriegebiet aus, die auch von Lieferverkehr genutzt werden kann.
Freundlich gestaltet werden soll auch der 2,5 Meter hohe Zaun um das Quartier, der derzeit neu errichtet wird. Der Künstler Richard Stumm hat auf Vaupels Wunsch ein Kunstprojekt entworfen, das im kommenden Frühjahr umgesetzt wird. Wie Stumm berichtete, habe er für die 200 Meter die Grundfarben des Marburger Wappens verwendet, rot, blau und weiß. Auf dem Zaun werden die englischen Worte peace und hope stehen, „Frieden ist das, was sie suchen, Hoffnung ist ihre Perspektive“, unterstrich Stumm den Sinn. Und der Zaun solle nicht nur für Vorbeigehende oder –fahrende ein schöner Anblick sein, so der Künstler, der Zaun werde genauso nach innen gestaltet, um ihn für die Bewohner der Einrichtung aufzuwerten. Bewusst würden Freiflächen vorgehalten, auf denen beispielsweise der Schimmelreiter aus dem Wappen gestaltet werden kann. Er könne sich aber auch vorstellen, dass die Bewohner des Camps unter Anleitung selbst aktiv werden und beispielsweise Ornamente aus ihrer Heimat auftragen.
Vaupel freute sich darüber hinaus, dass es der Stadt gelungen ist, das ehemalige EAAM-Gelände in Gisselberg zu kaufen. Dort ist bereits seit kurzem die Kleiderkammer untergebracht, unter verbesserten Bedingungen, unter anderem mit Anprobekabinen und einer Waschmaschine für ungewaschen angelieferte Kleidung. Wie Vaupel berichtete, werde in der Gießener Straße bis Mitte Januar auch die Anlaufstelle für Flüchtlinge und Bürger untergebracht, die Räumlichkeiten im Rudert stehen nicht mehr zur Verfügung.
Auch personell trage die Stadt der großen Zahl an Flüchtlingen Rechnung, sagte Vaupel. Flüchtlingskoordinatorin Gudrun Fleck-Delnavaz hätte nicht einmal mehr alle eingehenden E-Mails beantworten können. Jetzt sei speziell für alle Fragen und Aufgaben die Flüchtlinge betreffend eine Organisationsstruktur geschaffen worden, in Gisselberg werde eine Geschäftsstelle eingerichtet. Sie wird von Andrea Heilmann geleitet, die eigens eingestellt wurde. Sie habe unter anderem die Kommunikationsabteilung eines Pharmaunternehmens geleitet, berichtete sie. Projektmanagement sei ihre Stärke „und Flüchtlinge sind mir ein Herzensthema“. Deshalb habe sie zuletzt auch ehrenamtlich geholfen. „Sie hat eine hohe soziale Kompetenz“, lobte Vaupel.
Zuletzt verwies der Oberbürgermeister auf eine „Orientierungshilfe für das Engagement der Kommunen im Aufbau einer Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge“, die Regina Linda, Fachbereichsleiterin Öffentliche Sicherheit, Ordnung und Brandschutz zusammen mit Johannes Maaser, für die Universitätsstadt im Projekt Einsicht aktiv, und Kerstin Guffler von der Philipps-Universität erarbeitet hat. Wie Linda berichtete, sei ja alles Neuland gewesen, als klar war, dass es in Marburg eine Einrichtung geben werde. Es sei eine große Chance gewesen, das mit wissenschaftlicher Begleitung zu reflektieren. Es habe viele Anfragen gegeben, wie die Stadt Marburg damit umgeht, berichtete Linda, so aus Kommunen der Region, die ebenfalls bald Camps einrichten sollen, aber auch von weiter.
Laut Maaser soll die Orientierungshilfe Verwaltungen aufzeigen, was auf sie zukomme und wie sie damit umgehen können. Das Schriftstück ist bundesweit an die kommunalen Verbände verschickt worden und hat laut Vaupel bereits viel Lob bekommen. Trotzdem, so Maaser, sei es nie fertig, man sei für jede Rückmeldung mit Vorschlägen zur Verbesserung dankbar.