Bericht über die Studienfahrt im Mai 2016 nach Rumänien und Moldawien
Mit unserem Hauptziel Rumänien waren wir mit 29 Personen im Mai unterwegs. Schwerpunkt unserer Reise waren die Moldauklöster, das Donaudelta und vor allem das frühere deutsche Siedlungsgebiet Siebenbürgen.
Dort besuchten wir die ehemalige Hauptstadt Klausenburg/Cluj Napoca mit der vom König Siegesmund gestifteten Michaeliskirche, nach der Schwarzen Kirche in Kronstadt zweitgrößten gotischen Kirche Transsilvaniens. Vor der Kirche das wuchtige Denkmal von König Matthias Corvinus, dessen nahes Geburtshaus wir besuchten. Corvinus war im 15. Jahrhundert bis zum König von Ungarn (und damit auch von Siebenbürgen) aufgestiegen. In dem Haus schräg gegenüber stand die erste Druckerpresse des Landes, mit der der Theologe C. Helth (in Wittenberg studiert) die Reformation im Land förderte.
Weiter besuchten wir Bistritz mit der ältesten Kirche der Stadt, der weißen orthodoxen Kirche aus dem 13.Jahrhundert und am Hauptplatz die große Evangelische Stadtpfarrkirche aus dem 15. Jahrhundert.
Später Kronstadt mit der berühmten schwarzen Kirche und dem Denkmal des großen Humanisten und Reformators Johannes Honterus.
Am nächsten Morgen Schäßburg/Sighisoara mit sehr hübsch renovierter Altstadt und dem Weg hoch zum Burgberg, und dann die riesige Kirchenburg Birthälm, auf der UNESCO-Weltkulturliste. Wir lernten, wie sich die Menschen früher um die Kirche herum ein festes Schutzdorf bauten, in dem sie sich vor Feinden zurückziehen konnten.
Und dann Hermannstadt/Sibiu, unsere Partnerstadt! Im Oktober 2015 war die amtierende Bürgermeisterin Astrid Fodor in Marburg, die uns damals schon nach Sibiu einlud und jetzt einen Termin im Rathaus freigehalten hatte.
Frau Carmen Nicula, die auch mit in Marburg war, hatte dies vorbereitet, empfangen wurden wir dann von der amtierenden Vizebürgermeisterin Corina Bokor (auch in 2015 in Marburg). Sibiu war durch das Wirken des deutschstämmigen Oberbürgermeisters Klaus Johannis gut vorangebracht worden, dann zur Europäischen Kulturhauptstadt 2007 erklärt worden, wodurch weitere Gelder der EU zur Restaurierung und Verschönerung der Stadt zur Verfügung standen.
Unsere Gruppe war begeistert vom Zustand der Stadt! Ich war schon in den Jahren 1975 und 1981 in Hermannstadt gewesen – ein Unterschied wie heller Tag und dunkle Nacht. Im Rathaus bekamen wir allgemeine Information über die Entwicklung der Stadt, auch von sozialen Problemen und anderen Aktivitäten. Und wir hörten, dass die amtierende Bürgermeisterin Fodor sich für die OB-Wahl am 5. Juni 2016 beworben hat.
Ein Gespräch bei Pfarrer Kilian Dörr in der deutschsprachigen Gemeinde hat unsere Gruppe sehr beeindruckt: ohne Schwierigkeiten zu betonen oder den Verlust des Großteils der Gemeinde durch Auswanderung nach Deutschland nach 1990, wurden begonnene und weiter geplante soziale Projekte vorgestellt. Eine kleine Gemeinde mit großem Helferkreis, ein spannendes Gespräch!
Bei beiden Treffen konnten wir am Ende unsere Gastgeschenke aus Marburg übereichen. Anschließend hatten wir eine gute Führung durch die Evangelische Kirche (lächelnd zeigte uns der junge Mann die Grabplatte des Adligen, nach dem die Dracula-Legende entstand, mit den Worten: also er ist wirklich tot, hier liegt er begraben). Es ist eine der ältesten Evangelischen Kirchen des Landes und heutiger Bischofssitz aller Siebenbürger Gemeinden.
Nachdem wir uns in der Buchhandlung Cafe Erasmus bei Kaffee und Kuchen gestärkt hatten - eine gute Idee, Buchhandlung und Kaffee zu verbinden - begaben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu verschiedenen Einrichtungen der Innenstadt, einige blieben noch Stunden in der gut sortierten Buchhandlung, wir entschieden uns für das Brukenthal-Museum (mit einem sehr schönen Garten).
Ein mehrstündiger geführter Rundgang am Großen Ring mit all den schön restaurierten alten Bürgerhäuser mit großer Vergangenheit brachte uns durch kenntnisreiche Erklärungen von Frau Prof. Marcela die reiche geschichtliche Entwicklung von Hermannstadt näher.
Neben Siebenbürgen/Transsilvanien haben uns sehr beindruckt die alten, neu restaurierten Moldauklöster mit ihrer vollen Außenbemalung, die die ganze orthodoxe Theologie in Bildern darstellt. Die vier wichtigsten Kirchen haben wir besucht (Humor, Moldovita, Sucevita, Voronets), deutschsprachige Nonnen haben uns in die Theologie eingeführt, wir staunten.
Das Donaudelta bot mit einer Tagesschifffahrt erholsame Stunden, Ruhe und Natur pur.
Der zweitägige Ausflug nach Moldawien, wo bisher noch niemand aus der Gruppe war und wahrscheinlich nur ganz wenige Marburger, hinterließ gemischte Gefühle. Einerseits sehr interessante Besichtigungen in den beiden größten Sehenswürdigkeiten des Landes: das neu aufgebaute Kloster Curchi und das Höhlenklöster (Freilichtmuseum) Orheiul Vechi, andererseits die tiefe Spaltung des Landes in westlich orientierten Politikern in der jetzigen Regierung und den Versuchen Russlands, das Land an sich zu binden (z.B. bekommen alle älteren Menschen einen Zuschlag zur Rente, wenn sie einen russischen Pass annehmen, und ein ruinöser Handelsboykott).
Im zentralen Park der Hauptstadt erlebten wir die Eröffnung einer EU-Konferenz (mit deutschem Stand!), dann einen großen Gottesdienst in der Kathedrale, wo der Metropolit, der höchste Kirchenrepräsentant des Land, segnend (auch unsere Gruppe) in die Kirche ging.
Die Besichtigungen auf der Hin- und Rückfahrt in Budapest und den Europäischen Kulturhauptstätten Pecs (Ungarn, 2010) und Graz (Österreich, 2003) rundeten die Fahrt ab zu einem großen Erlebnis.
von Gerhard Prölß, Pfarrer i. R. und Reiseleiter