© Gordon-Timpen-X-Verleih"Angst essen Seele auf". "In weiter Ferne, so nah!". "Code: unbekannt". "John Rabe". Es sind über hundert Filme, die man nennen könnte, an denen Jürgen Jürges beteiligt gewesen ist. Das aktuellste Werk von ihm, das derzeit in den Kinos zu sehen ist, heißt "Ich und Kaminski", drei weitere Filme befinden sich noch in der Post-Produktion. Der 74-Jährige gilt als einer der innovativsten Kameramänner Europas - sein Oeuvre sei grandios und weit gespannt, sagt Professor Dr. Karl Prümm, Initiator des Marburger Kamerapreises. Was Jürges besondere Qualität ausmache, sei seine Fähigkeit, sehr unterschiedliche Atmosphären beschwören zu können. "Es ist nachzuvollziehen, warum so viele Regisseure so gern mit ihm arbeiten: Weil er mit Sorgfalt und äußerster Konsequenz eine Bilderwelt auslotet", so Prümm. Er habe den Preis wie kaum ein Zweiter verdient. Mehrfach sei er auch schon in den Jahren zuvor im Gespräch gewesen.
Jürgen Jürges ist der 16. Preisträger des Marburger Kamerapreises - eine Auszeichnung, die jährlich von der Philipps-Universität Marburg und der Universitätsstadt Marburg im Rahmen der Bild-Kunst Kameragespräche in den Filmkunsttheatern Marburg vergeben wird. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und honoriert "herausragende Bildgestaltung im Film". Die Veranstaltung ist laut Stadträtin und Kulturdezernentin Dr. Kerstin Weinbach ein Musterbeispiel für die Kooperation zwischen der Universitätsstadt Marburg und der Philipps-Universität und sei positiv und von großer Attraktivität für alle Beteiligten. Dazu zählen auch die Studierenden der Universität. Im Rahmen eines Seminars bereiten diese nämlich die Veranstaltung mit vor - von der Webseite über den Trailer bis hin zum Katalog.
© Nadja Schwarzwäller, Stadt Marburg
Professor Dr. Malte Hagener, der seit 2011 die organisatorische und inhaltliche Leitung innehat, bezeichnet Jürgen Jürges als "einen der zentralen Kameraleute des deutschen Films der letzten 40 Jahre". Er sei vielseitig und experimentell und stelle sich immer wieder neuen Herausforderungen. "Jürgen Jürges ist interessiert an neuen und vielleicht auch vergessenen alten Gestaltungsmöglichkeiten", sagt Professor Hagener. Dabei hat Jürges nicht nur mit Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder, Wim Wenders oder Michael Haneke zusammengearbeitet, sondern auch an vielen Debut- und Abschlussfilmen von Filmhochschulen mitgewirkt.
Seine Vielseitigkeit zeigt sich auch darin, dass zu seinem Werk Filme des Autorenkinos ebenso zählen wie Kinderfilme, historische Stoffe, Fernsehfilme und sogar Musikclips - gemeinsam mit Wim Wenders drehte er sowohl ein Video für die "Toten Hosen" wie auch für U2.
Jürgen Jürges wurde 1940 in Hannover geboren, ging in Bremen zur Schule und studierte in Berlin Fotografie. Schon ganz früh habe er sehr gerne Fotos und Filme betrachtet, ohne zu ahnen, dass dies eines Tages sein Beruf sein würde, erzählte er 2013 in einem Interview. Bevor er als Kameraassistent unter anderem bei Ernst Wild und Franz Rath arbeitete, volontierte er Anfang der 1960er Jahre bei der Firma "modern art film" in Berlin. Im Laufe seiner Karriere hatte er Brigitte Mira und Daniel Brühl ebenso vor seiner Kamera wie Juliette Binoche oder Dennis Hopper. Sein Credo lautet: "Wichtig ist die Geschichte". Der Stoff ist für ihn das Auswahlkriterium für seine Projekte.
Hubert Hetsch von den Filmkunsttheatern, Mitglied des Beirats des Marburger Kamerapreises, freut sich bereits sehr auf die Gespräche mit Jürgen Jürges. Zur Verleihung des Marburger Kamerapreises gehören auch die Bild-Kunst Filmgespräche in den Filmkunsttheatern. Zwei Tage lang gibt es Sondervorführungen von Filmen des jeweiligen Preisträgers und der stellt sich Diskussionen mit Wissenschaftlern, Kollegen, Kritikern und dem Publikum. Hetsch ist gespannt darauf, zu erfahren, wie Jürges einige Einstellungen von "Ich und Kaminski" fotografiert hat, bei denen der Experte staunte. Rüdiger Laske vom Berufsverband Kinematografie hält "Ich und Kaminski" - Jürges 104. Film - für einen "Glücksfall im deutschen Film". Jürges Arbeit, seine Bilder seien immer im Dienst der Geschichte. "Die Schauspieler werden ihn vermutlich geküsst haben, so gut sehen sie aus", so Laske. Dass man bisher so wenig von ihm wisse, liege an seiner Bescheidenheit.
Der Marburger Kamerapreis wird seit 2002 verliehen. Zu den bisherigen Preisträgern zählen unter anderem Raoul Coutard, Eduardo Serra, Agnès Godard und Ed Lachmann. Mit Jürgen Jürges erhält zum fünften Mal ein Deutscher die Auszeichnung. Die Bild-Kunst Kameragespräche werden vom 11. bis zum 12. März 2016 stattfinden. Am 12. März um 20 Uhr wird Jürgen Jürges den Marburger Kamerapreis in der Alten Aula der Philipps-Universität Marburg entgegennehmen.
Weitere Informationen gibt es auf der Homepage www.marburger-kamerapreis.de