© Thomas Steinforth, Stadt Marburg
„In der Universitätsstadt Marburg möchten wir, dass die unterschiedlichen Meinungen und Sichtweisen aller Marburger*innen in politischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Das ist nicht nur eine Frage der Fairness, sondern auch der Qualität“, betonte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei der feierlichen Auftaktveranstaltung im Historischen Rathaussaal der Stadt. „Leider zeigt die vom Gleichberechtigungsreferat veröffentlichte Broschüre ‚Die Besetzung politischer Gremien in der Universitätsstadt Marburg‘, dass auch in Marburg der Frauenanteil in einigen politischen Gremien zurückgegangen ist. Deswegen ist es wichtig, dass wir Frauen dazu ermutigen, sich aktiv in die Kommunalpolitik einzumischen und unsere Stadt mitzugestalten“, freute sich Spies. Gemeinsam mit Dr. Marlis Sewering-Wollanek, Vorsitzende der Gleichstellungskommission, hat er die Schirmherrschaft für das Mentoring-Programm übernommen. Als Gastrednerin sprach bei der Auftaktveranstaltung des Programms Angela Dorn-Rancke, Hessische Staatsministerin für Wissenschaft und Kultur.
In Marburg gibt es viele engagierte Frauen in der Kommunalpolitik. Dennoch sind sie in vielen politischen Gremien unterrepräsentiert: Ihre Beteiligung entspricht bei Weitem nicht ihrem Anteil an der Bevölkerung. Der Frauenanteil in der Marburger Stadtverordnetenversammlung liegt in der aktuellen Legislaturperiode bei 36 Prozent (Stand Mai 2018). Als ehemalige Marburger Stadtverordnete von 2007 bis 2009 schaffte Angela Dorn-Rancke den Weg bis zur Hessischen Staatsministerin für Wissenschaft und Kultur. Die Stelle besetzt sie seit Januar dieses Jahres. Sie berichtete als Gastrednerin des Abends von ihrem Weg in die Politik und beantwortete Fragen der interessierten Frauen.
„So ein Mentoring-Programm für Frauen bieten nicht viele Städte an – da ist Marburg ein Vorbild“, hob Dorn-Rancke das städtische Engagement hervor. Vielen Frauen mangele es an Größenwahn, merkte sie scherzhaft an. Oft denken Frauen, sie müssten bereits Ahnung von Politik haben, um sich zu engagieren.
Mit 34 Anmeldungen von Frauen für das dritte Marburger Mentoring-Programm wurden die Erwartungen übertroffen. „Dass sich so viele Marburgerinnen für das Mentoring-Programm interessieren ist ein starkes Vorzeichen für Veränderungen des Frauenanteils in der Marburger Kommunalpolitik“, berichtete Dr. Christine Amend-Wegmann, Fachdienstleiterin des Referats für die Gleichberechtigung von Frau und Mann.
Das achtmonatige Mentoring-Programm „Frauen in die Politik“ bringt interessierte Frauen, die sogenannten Mentees, mit einer erfahrenen Kommunalpolitikerin als Mentorin zusammen. Durch diese Zusammenarbeit sollen die Frauen darin unterstützt werden, den Einstieg in die Politik zu finden. Die Arbeit in den Tandems setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen: Es gibt ein Rahmenprogramm bestehend aus der Auftaktveranstaltung mit dem Kennenlernen zwischen Mentorin und Mentee und eine Exkursion nach Gießen zur Kampagne „Mehr Frauen in die Parlamente“. Darüber hinaus werden verschiedene Weiterbildungen im Bereich Rhetorik und Kommunikation, Netzwerkarbeit und zum Umgang mit der Presse angeboten. Außerdem sind informelle Treffen mit den Mentorinnen, sowie untereinander geplant. Gemeinsam mit den Mentorinnen werden auch Teilnahmen an Sitzungen und politischen Veranstaltungen vereinbart.
Die Mentees sollen einen Einblick in die kommunalpolitische Praxis bekommen und dabei vom Wissen und Erfahrungsschatz ihrer Mentorinnen profitieren. Parteizugehörigkeit und Alter der Frauen spielen dabei keine Rolle. Es geht darum, die Frauen zur Meinungsäußerung zu ermutigen und sie dabei zu stärken, mit ihren Belangen an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Austausch zwischen Mentee und Mentorin ist jedoch nicht als einseitige Hilfestellung zu verstehen. Vielmehr zeigen Erfahrungen aus der Praxis, dass in einem Mentoring alle Beteiligten voneinander lernen und dadurch neue Sichtweisen gewinnen.
„Häufig werden in Stadtparlamenten, Kreistagen und lokalen Gremien Entscheidungen getroffen, die direkte Auswirkungen auf die Lebenssituationen von Frauen haben. Das betrifft nicht nur die sogenannten ‚Frauenthemen‘, sondern selbstverständlich alle politischen Bereiche“, sagt Dr. Marlis Sewering-Wollanek, Vorsitzende der Gleichstellungskommission. Sie betont, dass es für die Qualität von politischen Entscheidungen wichtig ist, dass sie von Frauen und Männern gemeinsam getroffen werden.
Mittlerweile kann Deutschland auf 100 Jahre aktives und passives Wahlrecht von Frauen zurückblicken. Die Europäische Charta für die Gleichstellung von Frauen und Männern hat beispielsweise mit Programmen wie diesem zum Ziel, die Beteiligung von Frauen in der Politik aktiv zu verändern. Das Mentoring-Programm des Gleichberechtigungsreferats der Stadt Marburg knüpft an den Kurs „Frauen und Politik – Frauen in der Politik“ an. Der Kurs fand über zehn Wochen im Frühjahr 2019 an der Volkshochschule Marburg unter Leitung von Dr. Tina Dürr statt. In dem Kurs stellten engagierte Kommunalpolitikerinnen und Führungskräfte aus der Marburger Stadtverwaltung die wichtigsten Grundlagen der Kommunalpolitik vor. Gut ein Drittel der Kursteilnehmerinnen nimmt nun auch am Mentoring-Programm teil.
Weitere Informationen www.marburg.de/mentoring