© Nadja Schwarzwäller i.A.d. Stadt Marburg
Einer Gruppe von Marburger*innen ist es ein Anliegen, in ihrem direkten Umfeld mit anzupacken und einfach schonmal was für die Mobilität der Zukunft und klimafreundliche Konzepte zu tun. Deshalb gründeten sie 2017 einen Verein, um das Thema Klimaschutz ganz konkret voranzubringen. Im selben Jahr entstand aus dem Verein heraus das Teilprojekt „Freie Lasten“, das mit Hilfe des Bundesumweltministeriums drei Lastenräder und drei Schwerlastanhänger anschaffte, um diese auf Spendenbasis zu verleihen.
„Eine Verkehrswende passiert nicht, weil ein Ministerium einen Plan vorlegt, sie passiert durch Akteure vor Ort“, sagt Charlotte Straka von „Freie Räder e.V“. Etwa zehn Menschen sind im Verein aktiv, der auf freiwilliger Mitarbeit aufbaut und den Verleih seiner Räder beziehungsweise Anhänger als Beitrag zu einer Solidargemeinschaft sieht. Deshalb zahlen alle Nutzer*innen, wenn sie können, nur eine Spende. Nach diesem Prinzip sind inzwischen in rund 80 deutschen Städten Vereine organisiert. In Berlin sitzt der größte mit inzwischen über 150 Rädern.
„Spannend ist der Erfolg der Idee: 95 Prozent aller Lastenfahrräder in Deutschland werden über nicht kommerzielle Anbieter ausgeliehen“, erklärt Charlotte Straka. Und die Nachfrage wächst stetig. Auch weil die Vereine daran arbeiten, aufzuzeigen, wie viel mit den Rädern und ohne das Auto möglich ist. „Mit einem Lastenrad und einem Anhänger lassen sich drei Waschmaschinen auf einmal transportieren“, so Straka. Der Marburger Verein hat in den vergangenen Jahren weitere Räder und Anhänger angeschafft und hat mit der Förderung durch die Universitätsstadt nun unter anderem eine zusätzliche Transportbox gekauft. Die trägt – wie auch jedes Rad – einen eigenen Namen und heißt in Marburg „Rumpumpel“, nach der Wetterhexe aus dem Buch „Die kleine Hexe“.
„Rumpumpel“ ermöglicht es, Dinge trocken und auch diebstahlgeschützt zu transportieren. Damit können dann zum Beispiel auch Marburger*innen versorgt werden, die wegen der Corona-Pandemie nicht mehr selbst einkaufen gehen können oder wollen. Aus einer Idee der Nachbarschaftshilfe und einiger Bürger*innen heraus ist nämlich ein weiteres Teilprojekt des Vereins entstanden, das sich „RadKu“ nennt. Die Abkürzung steht für „Radkurier“ und darüber werden Menschen im Stadtgebiet kostenlos mit Einkäufen beliefert. Das soll auch den lokalen Einzelhandel stärken und damit gleich doppelt zum Klimaschutz beitragen.
Da immer mehr Menschen das Angebot des Vereins nutzen und die vorhandenen Räder oft alle ausgeliehen sind, hat der Verein zusätzliche Gelder beantragt, um drei so genannte Zugräder und drei Anhängerkupplungen anschaffen zu können und damit die Nutzbarkeit der Anhänger zu erhöhen. Dass es immer mehr Menschen gibt, die auf Fahrrad umsteigen und das Angebot des Vereins nutzen wollen, freut die Initiatoren – allerdings stoßen sie auch an die Grenzen dessen, was sie in der aktuellen Besetzung ehrenamtlich leisten können. Deshalb werden neue Mitstreiter*innen gesucht, die sich engagieren. Die Infrastruktur vergrößert sich, dafür wird mehr Man- beziehungsweise Woman-Power benötigt.
Wer eines der Lastenfahrräder oder einen der Anhänger ausleihen möchte, der muss sich dafür auf der Homepage des Vereins www.freie-raeder.org mit einem kostenlosen Account registrieren. Und bevor man das erste Mal auf ein Lastenfahrrad steigt, bekommt man bei Bedarf natürlich noch eine Einweisung. „Einmal kurz ohne Lasten damit fahren reicht meist, es ist ja letztlich ein normales Fahrrad“, sagt Charlotte Straka. Trotzdem ist eine Probefahrt sinnvoll. Nur bei einem der Räder muss man sich tatsächlich umgewöhnen, weil es vorn zwei Räder hat und nicht über die Bewegung des Lenkers nach rechts oder links fährt, sondern über die Neigung gesteuert wird. Aber auch das ist schnell gelernt.