© Stefanie Ingwersen, Stadt Marburg
Aus alt neu machen, leerstehende Gebäude beleben, neu bauen, sanieren, umbauen, Mehrgenerationenplätze und vieles mehr in den Ortsmittelpunkten realisieren: Das alles ermöglicht das Dorfentwicklungsprogramm des Landes Hessen. Die Universitätsstadt Marburg ist mit ihren 15 Außenstadtteilen seit 2014 Teil des Programms. In den ländlich geprägten Stadtteilen sollen zentrale Funktionen gestärkt und eine gute Wohn- und Lebensqualität erhalten sowie verbessert werden. So wurde in Moischt ein neuer, generationenübergreifender Begegnungsort im historischen Ortskern am Komp geschaffen. Die umgebaute Anlage umfasst neben dem ehemaligen Feuerwehrgerätehaus auch das Backhaus und wurde nun unter dem Titel „Treffpunkt Komp“, der vom gleichnamigen Verein betreut wird, eröffnet.
Dorfgemeinschaft und Dorfentwicklung schaffen neuen Begegnungsort
Die Idee für das Projekt kam von den Bürger*innen aus Moischt. Der Gedanke, eine neue Begegnungsstätte zu schaffen, die unter anderem als Dorfcafé, Pausenstation für Radfahrer*innen und Veranstaltungsort für Vereine, Senior*innen, die Kirchengemeinde, Eltern, Jugend und Kinder, für Spieleabende und private Feiern genutzt werden kann, kursierte laut Ortsvorsteherin Margarete Hokamp schon lange im Dorf. Da das alte Gerätehaus zentral im alten Ortskern am Komp liegt und im Besitz der Stadt ist, kam dieses relativ schnell ins Gespräch – auch, da sich die Bewohner*innen für das angrenzende Backhaus wieder eine stärkere Nutzung wünschten. Dafür musste die Baukolonne des DBM in ein Ausweichquartier an der Mehrzweckhalle umziehen. Bereits im Januar 2016 bildete sich eine kleine Gruppe im Dorf, die sich des Projektes annahm und in Rücksprache mit der Steuerungsgruppe Dorfentwicklung sowie Mitarbeiter*innen der Stadt Marburg und der Kreisentwicklung des Landkreises Marburg-Biedenkopf ein Konzept erstellte. Gemeinsam mit dem Architekturbüro Bölle ging es in die detaillierte Planung. Im Oktober 2019 erhielt die Stadt Marburg eine Förderzusage im Rahmen des Dorfentwicklungsprogramms über 174.366 Euro vom Land Hessen. Mitte 2020 erhielt der Verein „Treffpunkt Komp“ weitere rund 5000 Euro für die Ausstattung der Außengastronomie – dieses Mal aus dem Landesförderprogramm „Starkes Dorf – Wir machen mit". Insgesamt wurden um die 480.000 Euro in die Umsetzung des neuen Treffpunktes investiert.
„Als die Bagger anrollten, da wusste ich, es geht los“
Nachdem alle Bescheide vorlagen, begannen im Juli 2021 die Bauarbeiten. Das Backhaus wurde renoviert und die Elektrik komplett erneuert. „Als die Bagger anrollten, da wusste ich, jetzt geht es los“, berichtete Ortsvorsterin und Vorsitzende des Vereines „Treffpunkt Komp“, Margarete Hokamp: „Vorher war ja alles viel Planung und daher sehr theoretisch, doch als die Bagger dann hier standen, wurde das alles erst richtig Realität.“ Und dies bedeutete vor allem erstmal viel Arbeit: Der Boden des ehemaligen Feuerwehrgerätehauses musste raus und durch einen neuen ersetzt werden, die Gefache wurden abgeklopft und ebenfalls neu aufgebaut. Auch die Fenster und das Dach mussten erneuert werden. „Hier waren wirklich alle Arten von Gewerken gefragt. Von Innen ist das Gebäude quasi ein Neubau“, sagte Hokamp. Die Handwerker*innen bereiteten die alten Türen des Gebäudes neu auf, die die neu eingesetzten Glastüren dahinter zusätzlich verschließen und schützen. „Wir wollten das alte Erscheinungsbild erhalten, aber auch mehr natürliches Licht im Gebäude haben und dass Besucher*innen, die den Treffpunkt nutzen, auch nach draußen auf den Hof blicken können“, erklärte Birgit Boßhammer, zweite Vorsitzende des Vereins „Treffpunkt Komp“ und Mitglied in der IKEK-AG Ehrenamt. Hinzu kam ein Anbau, der einen Wickeltisch sowie eine behindertengerechte Toilette beherbergt.
Ehrenamtliches Engagement in Moischt ist beispielhaft
Das Projekt des „Treffpunkt Komp“ lebt vor allem von den Ehrenamtlichen, die den Prozess von Anfang an begleiten. Schließlich gründeten die engagierten Bürger*innen in Moischt im August 2018 den gleichnamigen Verein „Treffpunkt Komp“, in dem sich heute bereits 35 Mitglieder aktiv einbringen. Dabei haben die Mitglieder Teams gebildet, die für unterschiedliche Bereiche zuständig sind, wie zum Beispiel für die Terminplanung der verschiedenen Veranstaltungen. Auch die Reinigung und Pflege liegt in den Händen des Vereins, in dessen Trägerschaft die Stadt das Gebäude übergeben hat. Die Eröffnung des Treffpunktes feierten die Vereinsmitglieder gemeinsam mit allen Beteiligten bei Kuchen und Kaffee. Für die Kinder gab es zudem Kinderschminken, Seifenblasen und Luftballontiere.
© Stefanie Ingwersen, Stadt Marburg
Margarete Hokamp bedankte sich bei allen, die stets mit Rat und Tat zur Seite standen und den Treffpunkt zu dem gemacht haben, was er ist: „Es freut mich, dass wir nun wieder einen Ort mehr haben, an dem sich die Bürger*innen begegnen und gemeinsam ins Gespräch kommen können, der uns als Dorfgemeinschaft wieder einen Schritt näher zusammenbringt und den wir als Dorfgemeinschaft zusammen beleben werden, wie wir es bereits heute auf diesem Fest tun.“ Auch Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies besuchte die Eröffnungsfeier und hob das ehrenamtliche Engagement im Stadtteil Moischt hervor: „Was hier an Tatkraft und an Zusammenhalt an den Tag gelegt wird, ist beispielhaft für alle Stadtteile. Denn ein solches Projekt kann eine Stadt nicht alleine umsetzen und vor allem beleben – dafür braucht es die Bürger*innen vor Ort. Dass es Räume braucht, in denen das Dorf zusammenkommen kann, das hat auch gerade die Pandemie gezeigt. Wir müssen aufpassen, dass das Miteinander nicht verloren geht und das hat Moischt geschafft. Als Dorfgemeinschaft haben Sie gemeinsam einen Ort für das Dorf geschaffen.“
Hintergrund:
IKEK – in dieser kleinen Abkürzung steckt eine ganze Menge drin. Sie steht für „Integriertes Kommunales Entwicklungskonzept“. Kurz gesagt geht es im Dorfentwicklungsprogramm des Landes Hessen darum, (Bau-)Maßnahmen in den Ortskernen zu fördern, die zum Erhalt oder zur Weiterentwicklung der Struktur beitragen. Solche Maßnahmen umfassen beispielsweise die Modernisierung der Bürgerhäuser, den Bau von Mehrgenerationenplätzen, die Umgestaltung von Grün- und Freiflächen oder Angebote verschiedener Workshops und Aktionen. Zudem können alle, die ein Grundstück, ein Gebäude oder eine Hofanlage im Ortskern und ausgewiesenen Fördergebiet in einem der 15 Marburger Außenstadtteile besitzen, Anträge auf Zuschüsse zu Sanierungen, Um- oder Neubauten stellen. Bei einer Förderquote von 35 Prozent der förderfähigen Nettokosten, können Antragssteller*innen pro Objekt bis zu 45.000 Euro, für Kulturdenkmäler maximal 60.000 Euro erhalten. Förderanträge können noch bis Ende 2023 gestellt werden. Weitere Informationen gibt es bei Rose Michelsen, Fachdienst Stadtplanung und Denkmalschutz der Universitätsstadt Marburg, (06421) 201-1625, rose.michelsen@marburg-stadt.de. Auskünfte zu den Fördermodalitäten erteilt Stefanie Auer, Fachdienst Kreisentwicklung des Landkreises Marburg-Biedenkopf, (06421) 405-6131, AuerS@marburg-biedenkopf.de.