© Patricia Grähling, Stadt Marburg
„Viele Menschen blicken mit Sorge in die Zukunft, und viele Menschen in unserer Stadt sind durch die außergewöhnlichen Belastungen der letzten Jahre in hohem Maße gefordert“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies in seiner Haushaltsrede. Nach Corona nun der Krieg in der Ukraine, explodierende Energiekosten und eine seit Jahren ungekannte Inflation. Im Haushaltsentwurf 2023 plant der Magistrat daher neben steigenden Energiekosten der Stadtverwaltung und Investitionen in die Infrastruktur der Stadt vor allem Unterstützung für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen, für Unternehmen, Vereine, Kulturträger und soziale Einrichtungen ein. „Klar ist: In Marburg lassen wir niemanden im Winter im Kalten sitzen“, betonte Spies.
Der Kämmerer rechnet mit 461 Mio. Euro Einnahmen – darunter der Löwenanteil mit 321 Mio. Euro aus der Gewerbesteuer. Hinzu kommen unter anderem der Einkommensteueranteil (42 Mio. Euro), Zuweisungen und Zuschüsse (19 Mio Euro) und die Grundsteuer (11 Mio. Euro). Erhöhungen von Steuern sind keine geplant. „Impfstoff-Apotheke der Welt zu sein ist ein Glücksfall, der uns Möglichkeiten schafft, in der Krise zu helfen und die vielfältigen Aufgaben, die vor uns liegen, zu lösen“, so Spies. Er mahnt aber auch: „Bleiben wir besonnen. Es handelt es sich um ein einmaliges Ereignis. Und es sind nur Vorauszahlungen.“ Denn: Die Stadt Marburg muss 70 Prozent der Vorauszahlungen abgeben. Insgesamt 244 Mio. Euro Umlagen – teilweise schon 2022 angespart – gehen an den Landkreis und nach Wiesbaden. Die Kreisumlage schlägt mit 97 Mio. Euro zu Buche, die Solidaritätsumlage mit 95,5 Mio. Euro. Auch Gewerbesteuerumlage (31,5 Mio. Euro) und Heimatumlage (20 Mio. Euro) sind eingeplant. Das Problem: Muss Marburg Gewerbesteuern an Unternehmen zurückzahlen, muss sie das von den ihr verbleibenden 30 Prozent tun. Von den Umlagen gibt es keine Rückzahlung. „Angesichts von Patenrechtsklagen von Moderna und Curevac gegen BioNTech kein völlig abwegiges Szenario.“
Insgesamt stehen im Haushalt 2023 rund 411 Mio. Euro für laufende Ausgaben der Verwaltung, also unter anderem für Personal, für den ÖPNV, für Sicherheit und Ordnung, für die Müllentsorgung und insbesondere für die vielfältigen Angebote und Unterstützungen für die Menschen in Marburg. Den größten Anteil der laufenden Einnahmen gibt die Stadt auch 2023 wieder für die Kinderbetreuung aus: 45 Mio. Euro sind vorgesehen für Kitas und Grundschulbetreuung. Laut Spies solle der Personalschlüssel insbesondere in den Quartieren, die besonders von Sprachförderbedarf, Migration oder Armut betroffen sind, weiter erhöht werden.
Insgesamt umfasst der Bereich Soziales im Haushaltsentwurf rund 85 Millionen Euro, etwa für Kinder, Jugendliche, Familien, sozial Benachteiligte, Senior*innen, für Beratung, für Armutsbekämpfung, für Wohnungslosenhilfe, für Gesundheitsförderung und Integration sowie für die erfolgreiche Gemeinwesenarbeit in den Stadtteilen Richtsberg, Waldtal und Stadtwald. Um rund 9 Mio. Euro steigen die Ausgaben für soziale Aufgaben im Vergleich zum Vorjahr. Die Stadt wirbt intensiv dafür, dass Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen sich bei ihren Anlaufstellen beraten lassen. „Viele wissen nicht, dass sie Ansprüche – beispielsweise auf Wohngeld - haben. Deshalb sind Information und Beratung dringend erforderlich“, betonte der OB. Für zusätzliche Hilfen der Stadt seien schonmal 1,5 Mio. Euro eingeplant – der Kämmerer rechnet jedoch mit weiteren Nachmeldungen zur zweiten Lesung, wenn klar ist, welche Hilfen neben denen von Bund und Land noch benötigt werden. Und auch freie Träger, Vereine und Institutionen in der sozialen Arbeit, Kultur und im Sport werden nicht alleine gelassen. „Wie in der Corona-Krise achten wir darauf, dass unsere wertvollen und wichtigen Strukturen keinen Schaden nehmen.“
Die Stadt Marburg nutzt ihre Einnahmen auch für Investitionen in wichtige Zukunftsaufgaben. Deswegen schlägt Kämmerer Spies dem Parlament vor, 58 Mio. Euro zu investieren und weitere 34 Mio. Euro als Verpflichtungsermächtigung bereitzuhalten. „Wir sollten diesen einmaligen Glücksfall an Einnahmen für Zukunftsinvestitionen nutzen, damit die Bürger*innen möglichst viel, möglichst lange davon haben“, so Spies.
Schwerpunkte im Haushaltsentwurf 2023
Wie ein roter Faden zieht sich das Thema Klimaschutz durch die Ausgaben und Investitionen der Stadt Marburg. Direkt für den Klimaschutz stehen 23 Millionen Euro im Haushalt 2023 – darunter 5 Mio. Euro für den sozialen Energiebonus und 850.000 Euro für einen Strauß an Förderungen, der finanzielle Anreize für Bürger*innen setzen soll.
Insgesamt sind die Ausgaben der Stadt im Bereich Klimaschutz deutlich höher. Denn: Alle Investitionen in energetische Sanierungen, in PV-Anlagen auf städtischen Gebäuden, in Gründächer und vieles mehr sind letztlich insbesondere Investitionen in den Klimaschutz. Das gilt beispielsweise auch für viele der Baumaßnahmen, die an Marburgs Schulen umgesetzt werden. Und für Schulen sieht die Stadt für 2023 rund 32 Mio. Euro vor – etwa für den Ganztagsunterricht, für BiBaP II (BildungsBauProgramm) und für die Digitalisierung.
Für Mobilität sind 31 Mio. Euro im Ergebnis- und im Finanzhaushalt der Stadt vorgesehen –etwa für den ÖPNV. Für den Unterhalt von Straßen sind 3 Mio. Euro eingeplant. Eine weitere Mio. Euro gibt es für den Bau von Radwegen.
Für 2023 außerdem im Haushalt: 13 Mio. Euro für die Feuerwehr, für den Neubau der Feuerwehr Cappel samt Trainingszentrum für alle Marburger Wehren und für die konsequente Umsetzung des Feuerwehrbedarfs- und Entwicklungsplan.
Weil auch die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum weiterhin wichtiges Thema ist, stehen hierfür 12 Mio. Euro bereit. Hinzu kommen 4 Mio. Euro, damit die Stadt und ihre Tochter SEG Grundstücke kaufen und Boden bevorraten können. „Bezahlbarer Wohnraum bleibt die wichtigste soziale Frage unserer Zeit bis weit in die Mittelschicht hinein“, so Spies. Weitere 3500 neue Wohnungen werden in Marburg bis 2035 benötigt.
Für die Kultur stehen 9 Mio. Euro bereit – für Theater, Musikschule, Kunstwerkstatt, Chöre und Orchester und die vielen weiteren Vereine und Institutionen. Zur „Kultur für alle“ gehören ebenso das Hafenfest, 3TM und das Fest der kulturellen Vielfalt am Tag der Deutschen Einheit. Und dazu gehört das Landgrafenschloss – die Wiege Hessens. OB Spies schlägt daher vor, sich an einem Konzept und dem Umbau für ein stadt- und landesgeschichtliches Museum im Schloss zu beteiligen.
Ein weiterer wichtiger Punkt im Haushaltsentwurf ist die Wirtschaftsförderung: „Unsere hervorragende finanzielle Lage beruht zuallererst auf dem wirtschaftlichen Erfolg des Standorts“, macht das Stadtoberhaupt deutlich. Der solle erhalten und ausgebaut werden – etwa mit einer Stiftungsprofessur, die sich an den Schwerpunkten des Pharmastandorts orientiert, mit einer Start-up-Förderung und mit der Förderung einer lebendigen Oberstadt. Hier stehen 4 Mio. Euro bereit.
Mehr Aufgaben für die Verwaltung
„Stadtverwaltung muss ohne Wenn und Aber funktionieren, gerade in der Krise. Auf unsere Mitarbeiter*innen können die Bürger*innen sich verlassen – aber mehr geht nicht, und doch werden die Aufgaben mehr“, erklärte Spies. Damit die vielfältigen und wachsenden Aufgaben von der Stadtverwaltung bewältigt und die angedachten Projekte geplant und umgesetzt werden können, sieht der Stellenplan im Haushalt rund 100 neue Stellen vor – vor allem in der Kinderbetreuung und im Bauamt. Die Hälfte der Stellen wurde bereits im Vorgriff auf den Stellenplan oder durch Entfristungen von Verträgen besetzt.
„In Marburg wissen wir mit Herausforderungen umzugehen“, schloss Spies und übergab das Zahlenwerk an die Stadtverordneten. Diese werden nun darüber beraten, Änderungen diskutieren – und es voraussichtlich im Dezember beschließen. Für weitere Details können alle Interessierten in den Haushaltsentwurf 2023 reinschauen. Er steht auf der Internetseite der Universitätsstadt Marburg im Bereich „Finanzen“ mitsamt Erläuterungen zu Hintergründen und Zusammenhängen der Zahlen als PDF-Datei zur Verfügung. Die Rede von OB Spies gibt es hier.