„Der Holocaust zählt für mich zu dem Schlimmsten überhaupt, was Menschen anderen Menschen im 20. Jahrhundert angetan haben. Diese Gräuel des Nationalsozialismus werden in der heutigen Zeit immer häufiger verharmlost. Deswegen müssen wir immer wieder darauf hinweisen. Es ist unsere Verantwortung, das Bewusstsein gegen Rassismus und Antisemitismus zu schärfen und dem stellen wir uns auch“, machte Landrätin Kirsten Fründt deutlich.
Der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust am 27. Januar wurde im Jahr 2005 von den Vereinten Nationen zum Gedenken an den Holocaust und den 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau eingeführt. Der 27. Januar ist seit 1996 in Deutschland außerdem ein bundesweiter, gesetzlich verankerter Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
„Wir leben in einer Zeit, in der Erinnern nicht mehr genügt. Wir leben in einer Zeit, in der wir Vorurteilen widersprechen, in der wir uns dem Unrecht entgegenstellen müssen, in der wir nicht wegsehen können und dürfen. Es ist an uns, vorzuleben, dass wir aus der Geschichte gelernt haben. Wir vergessen nicht!“, machte auch der Marburger Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies deutlich.
Auch der Stadtallendorfer Bürgermeister Christian Somogyi betonte die Wichtigkeit des aktiven Entgegentretens gegen Hetze, Lügen und Rassismus: „Das wird man doch mal sagen dürfen!, ist ein oft gehörter Satz, wenn Lügen und Halbwahrheiten verbreitet werden. Wir müssen die Erinnerung an die dunkelsten Jahre der deutschen Geschichte bewahren und den heutigen Gefahren entschieden entgegen treten, damit die Geschichte sich nicht wiederholt“.
Neben musikalischen Beiträgen der evangelischen Sing- und Musikschule Stadtallendorf gab es außerdem Lesungen, die bewegende Einblicke in die grausame Realität der Verfolgung und Ermordung jüdischen Mitbürger gaben. Sebastian Sack las aus dem Buch „Mein verwundetes Herz“ den letzten Brief, den die jüdische Ärztin Lilly Jahn, Mutter des Marburger Kommunalpolitikers und Bundesjustizministers Gerhard Jahn, an ihre fünf Kinder geschrieben hatte, bevor sie nach Auschwitz gebracht und ermordet wurde. Mit den eindrücklichen und emotionalen Zeilen, in denen Lilly Jahn ihren Kindern Kraft und Zuversicht schenken wollte – die zwischen den Zeilen jedoch erkennen lassen, dass sie ihr Schicksal erahnte – sorgte er ebenso für Ergriffenheit bei den Teilnehmenden der Gedenkstunde, wie Mechthild Grabner vom Hessischen Landestheater Marburg, die die Todesfuge von Paul Celan las. Darin heißt es etwa „dann steigt ihr als Rauch in die Luft, dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng“.
Die Schüler*innen, die an der Alfred-Wegener-Schule und der Georg-Büchner-Schule bei "Schule ohne Rassismus" mitwirken, haben ihre Gedanken zum Holocaust vorgetragen: "Durch das Gedenken erinnern wir uns und nachfolgende Generationen an die Gräueltaten" oder "Es ist wichtig, der jetzigen Generation zu zeigen, dass Deutschland andere Werte vertritt!". Sie forderten: "Wir können die Zukunft besser gestalten!"
„Wir sprechen heute Abend nicht einfach anonym über „die Opfer“ dieser unfassbaren Grausamkeit. Wir sprechen über Menschen, die damals auch hier bei uns aus unserer Mitte gerissen und ermordet wurden. Indem wir ihrer aufrichtig gedenken, sie als Menschen betrauern und Verantwortung übernehmen, geben wir ihnen jene Menschlichkeit zurück, die ihnen das unmenschliche Regime der Nationalsozialisten hat nehmen wollen“, so Sebastian Sack von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit.
Der Gedenktag im DIZ war eine gemeinsame Veranstaltung des Kreises mit der Universitätsstadt Marburg, der Stadt Stadtallendorf, der Georg-Büchner-Schule in Stadtallendorf, der Alfred-Wegener-Schule in Kirchhain, der Martin-Luther-Schule in Marburg, die „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ sind.
Der Veranstaltungsort, das Dokumentations- und Informationszentrum (DIZ) Stadtallendorf ist ein außerschulischer Lernort, Begegnungsstätte, Museum, Archiv sowie Forschungs- und Informationszentrum. Seit Herbst 1994 steht das DIZ Stadtallendorf als Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus der Öffentlichkeit und insbesondere Schulen zur Verfügung.
Das DIZ ist außerdem die zentrale mittelhessische Gedenkstätte zum Thema Rüstungsindustrie und Zwangsarbeit während der NS-Zeit und erinnert auch an die 17.500 Menschen aus über 20 Nationen, die für den Bau und Betrieb der Sprengstoffwerke während des Krieges in die Allendorfer Werke verschleppt wurden.