„Menschen mit internationalem Hintergrund zu integrieren ist eine Bereicherung für alle Beteiligten. Es ist wichtig, ihnen Chancen und Perspektiven zu bieten. Auch Arbeitgeber*innen und das ganze Team können daran wachsen“, so Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. Genau solches Engagement zu würdigen ist das Ziel des Gütesiegels „Interkulturelle Vielfalt LEBEN“, das seit 2020 jährlich von der Universitätsstadt Marburg und dem Landkreis Marburg-Biedenkopf verliehen wird. Es sollen Betriebe ausgezeichnet werden, die sich in besonderem Maße für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund einsetzen.
Die Auszeichnung soll auch einen Anstoß für einen fortlaufenden Prozess geben, bei dem sich die Betriebe immer weiter verbessern. Dazu gehört es auch, sich mit Partnern aus der Region auszutauschen. Zu diesem Zweck finden jährlich mehrere Workshops statt. „Es gibt viele Siegel und Auszeichnungen, die mit viel Tam-Tam verliehen, aber danach einfach nur abgeheftet werden und dann passiert lange nichts“, so Marian Zachow, Erster Kreisbeigeordneter des Landkreises Marburg-Biedenkopf. „Das Gütesiegel ,Interkulturelle Vielfalt LEBEN‘ ist da anders – und besser, denn hier beginnt mit der Preisverleihung erst ein spannender Prozess, der Lust macht, in Sachen interkultureller Vielfalt immer besser und besser zu werden.“
Die Bedeutung der Workshops betont auch die Leiterin des Fachbereichs Zivilgesellschaft, Stadtentwicklung, Migration und Kultur, Dr. Christine Amend-Wegmann: „Unternehmen, Verwaltungen und freie Träger sollen sich in dem Netzwerk immer besser kennenlernen und über gute Praxis austauschen.“
Im jüngsten Workshop zum Thema „Berufseinmündung durch passgenaues Matching stärken“ haben sich Vertreter*innen der Stadt, des Landkreises sowie Arbeitgeber*innen aus der Region digital vernetzt und ausgetauscht. Das sogenannte Weblab fand unter der Leitung von Gerhard Wenz, Bereichsleiter der Agentur für Arbeit, statt. Für Inspiration sorgte etwa der Unternehmer Andreas Ditze, Geschäftsführer der Tripuls Media Innovations GmbH. Seiner Ansicht nach sollten Bewerbungsprozesse vereinfacht werden, um Hürden abzubauen. Er verzichtet etwa auf Bewerbungsanschreiben und akzeptiert auch Bewerbungsvideos. Das Unternehmen hat nach seinen Angaben gute Erfahrungen damit, anstelle eines klassischen Bewerbungsgesprächs die Bewerber*innen in kleinen Gruppen kennenzulernen. Zudem legt der Unternehmer Wert darauf, dass Bewerber*innen schnell eine Antwort bekommen. Anwesend bei dem Workshop war auch ein Mitarbeiter der Firma: Omar Mahasen, ein Geflüchteter aus Syrien, hatte seine Ausbildung bei dem Unternehmen gemacht und wurde sofort danach in eine verantwortungsvolle Position übernommen. Der Systemadministrator betonte, wie wichtig es für ihn war, dass man ihm eine Chance gegeben hat.
Das „Ankommen“ erleichtert auch etwa CSL Behring mit einem begleitenden „Onboarding“-Programm für Geflüchtete in einfacher Sprache. Bei der Sparkasse Marburg-Biedenkopf gibt es seit 2017 für Menschen mit Migrationsgeschichte jährlich eine einwöchige Schnupperwoche, die Einblick in das Arbeitsfeld von Bankkaufleuten gibt. Betreut werden sie dabei von dafür geschulten Azubis, teilweise selbst Menschen mit Migrationshintergrund.
Hintergrund:
Konzipiert wurde das Gütesiegel „Interkulturelle Vielfalt LEBEN“ federführend von Prof. Dr. Susanne Maria Weber vom Institut für Erziehungswissenschaften der Philipps-Universität Marburg gemeinsam mit dem Fachbereich Zivilgesellschaft, Stadtentwicklung, Migration und Kultur der Universitätsstadt Marburg. In einem breiten partizipativen Prozess wurde im Frühjahr 2019, ausgehend vom Runden Tisch Integration, gemeinsam mit Expert*innen aus verschiedenen Bereichen – Menschen mit und ohne Migrationshintergrund – das Siegel entwickelt. Seit September 2020 wurde das Gütesiegel an insgesamt 19 Unternehmen, Verwaltungen und freie Träger in Stadt und Region verliehen. Das Gütesiegel ist auch ein Netzwerk mit Möglichkeiten des Erfahrungsaustausches und Wissenserwerbs und ein Kerninstrument der regionalen Entwicklungsstrategie der Universitätsstadt Marburg zusammen mit dem Landkreis Marburg-Biedenkopf. Es haben seit Dezember 2020 vier Vernetzungstreffen im digitalen Raum stattgefunden. Weitere sind in Planung. Das Gütesiegel „Interkulturelle Vielfalt LEBEN“ wird im März 2022 erneut ausgeschrieben.