© Christian Griese, i. A. d Stadt Marburg
Die Universitätsstadt Marburg und viele weitere Initiativen und Organisationen arbeiten schon länger gemeinsam daran, in der Öffentlichkeit mehr Bewusstsein für geschlechterbezogene Gewalt, insbesondere Partnergewalt, zu schaffen. Mehr als 80 Prozent der Betroffenen von Gewalt in Partnerschaften sind Frauen. Jede vierte Frau erlebt im Laufe ihres Lebens sogenannte häusliche Gewalt. „Gewalt besteht nicht nur aus Schlägen oder anderen körperlichen Verletzungen. Gewalt beginnt immer schon viel früher mit unverhältnismäßiger Kontrolle, verbalen oder psychischen Erniedrigungen. Gewalt ist für Außenstehende also nicht immer leicht ‚sichtbar’. Wir alle müssen also sehr aufmerksam auf unser Umfeld achten, schon kleinere Verhaltensänderungen wahrnehmen und im Zweifelsfall reagieren und eingreifen“, stellt Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies klar.
Durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie verschärft sich die Situation von Partnergewalt zusätzlich: Die Isolation in der gemeinsamen Wohnung und der Verlust von Möglichkeiten, sich aus dem Weg zu gehen, fördern das Risiko, dass die Gewaltspirale sich schneller dreht: Gewaltausbrüche werden häufiger, Gewaltformen heftiger. Gleichzeitig fehlt Betroffenen durch die sozialen Einschränkungen ein wichtiger Anker: Der alltägliche Kontakt mit Menschen, die auf Anzeichen von Gewalt aufmerksam werden und Hilfe anbieten.
© Christian Griese, i. A. d Stadt Marburg
Im Rahmen des EU-Projekts „Marburg ohne Partnergewalt“ startet im November 2020 eine Fotokampagne mit dem Titel „Gesicht zeigen! Weil Partnergewalt alle angeht“. Im Zentrum der Kampagne stehen Menschen aus unterschiedlichen Bereichen des Marburger Alltags, ihre Botschaften richten Sie an die breite Öffentlichkeit: Hinschauen, helfen, sich stark machen gegen Partnergewalt. Janis Loewe von der Koordinations- und Servicestelle des Projekts führt das Ziel der Kampagne weiter aus: „Uns alle geht Partnerschaftsgewalt etwas an, nicht nur Betroffene oder Täter*innen. Wir alle haben Freund*innen, Bekannte, Familie – statistisch kennen wir alle jemanden, der in der Partnerschaft Gewalt ausübt oder davon betroffen ist. Wir dürfen nicht wegsehen, allen muss klar sein: Auch Nichtstun schadet.“
Für die ersten Motive für die Plakatkampagne fiel die Wahl auf die Rugby Union Marburg. Die Spieler*innen haben direkt ihre Unterstützung bei dem wichtigen Thema zugesagt. Gesichter der Kampagne sind die jeweiligen Teamsprecher*innen Elisa Rudolph für die Damen und Nima Heidary für die Herren. Sabine Schlegel von der Koordinations- und Servicestelle des Projekts „Marburg gegen Partnergewalt“ erklärt: „Die Teams sind sehr engagiert dabei und haben sich eigeninitiativ mit Ideen eingebracht.“ Begleitet wurde das Fotoshooting von einem Fernsehteam, das eine Sendung über Partnerschaftsgewalt macht (Sendetermin: 21. November 2020, 17.35 Uhr, Dokumentationsreihe „plan b“ im ZDF).
© Patricia Grähling, Stadt Marburg
Dass die Kampagne direkt das soziale Umfeld anspricht und dieses in die Pflicht nimmt, lobt Dr. Christine Amend-Wegmann, die Leiterin des Gleichberechtigungsreferats der Stadt Marburg: „Gute Ausstattung von Beratungsstellen und Notunterkünften ist von grundlegender Bedeutung, ebenso ein deutliches Handeln von Polizei und Justiz. Doch all das muss ergänzt werden durch eine couragierte und solidarische Stadtgesellschaft. Partnerschaftsgewalt kann nur beendet werden, wenn sich alle angesprochen und verantwortlich füreinander fühlen. Das gilt zu jeder Zeit, und in Zeiten von Corona nur umso mehr.“
Die Homepage der Kampagne informiert darüber, wie jede*r Gewalt erkennen, helfen und Gesicht zeigen kann: www.marburg.de/gesichtzeigen
Es gibt Antworten auf grundlegende Fragen wie „Wann muss ich die Polizei rufen?“ sowie Leitfäden, wie Betroffene konkret unterstützt werden können. Weitere Informationen zu dem Projekt Marburg ohne Partnergewalt gibt es auch unter www.marburg.de/MRoP
Hintergrund
Das von der Europäischen Union geförderte Projekt „Marburg ohne Partnergewalt“ nimmt seit mittlerweile einem Jahr diese Problematik der Gewalt in Partnerschaften in den Blick. Folgenden Projektpartner*innen sind beteiligt: das Gleichberechtigungsreferat der Universitätsstadt Marburg (Stadtverwaltung), der Trägerverein des Marburger Frauenhauses Frauen helfen Frauen und der Verein JUKO Marburg, der Verhaltenstrainings für Täter durchführt. Mit dem Projekt sollen – entgegen weit verbreiteter Vorurteile – explizit nicht nur vermeintlich „problematische“ Stadtteile oder bestimmte Personengruppen in den Blick genommen werden, sondern die gesamte Gesellschaft. Denn Partnerschaftsgewalt findet überall statt – unabhängig von sozioökonomischen Verhältnissen, Bildungsgrad, Alter oder Religion. Außerdem soll das Projekt dazu beitragen, Geschlechterstereotype und soziale Normen abzubauen, die mit dafür sorgen, dass Menschen Partnerschaftsgewalt im eigenen Umfeld tolerieren, erdulden oder gar selbst ausüben.
Informationen über Beratungsstellen und Hilfetelefone:
Hilfe und Unterstützung für Frauen
- Bundesweites Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ mit kostenloser und anonymer Beratung in 17 Sprachen: 08000 116 016, Online-Beratung über Email oder Chat erhalten (https://www.hilfetelefon.de/das-hilfetelefon/beratung/online-beratung.html)
- In Marburg: Beratungs- und Interventionsstelle des Frauenhauses mit kostenloser, anonymer und vertraulicher Beratung unter 06421-14830
Auf der Homepage des Vereins Frauen helfen Frauen e.V. gibt es weitere Informationen zum Beratungsangebot (https://www.frauenhaus-marburg.de/unsere-angebote)
- In Notfällen: Polizei unter 110.
Hilfe und Angebote für gewalttätige oder -bereite Männer:
JUKO Marburg e.V. bietet kostenlose und anonyme Beratung für Männer an, die in ihrer Partnerschaft gewalttätig sind oder befürchten, dies zu werden, unter 06421-307-8071
Weiterhin bietet JUKO auch Verhaltenstrainings an, nähere Informationen zu den dem Angebot finden Sie unter https://www.juko-marburg.de/jugendhilfe/stop/
Für gewaltbetroffene Männer sowie für Angehörige von Betroffenen:
Die Beratungsstelle WeGe Marburg bietet bei Problemen im Gewaltkontext Informationen, psychosoziale Unterstützung und Weitervermittlung an andere Beratungsstellen, anonym und kostenlos. Es wird je nach Beratungsbedarf ein individuelles Betreuungskonzept erarbeitet.
Erreichbar unter:
- 06421-889910
- Mail: gewaltberatung@juko-marburg.de
- offene Sprechstunden:
- Dienstags von 9.30 bis 11.30 Uhr
- Donnerstags von 15.00 bis 17.00 Uhr