© Simone Schwalm, Stadt Marburg
Das hat es seit Bestehen der vhs – in diesem Jahr seit immerhin 100 Jahren – nicht gegeben: Sämtliche Kurse durften wortwörtlich von einem auf den anderen Tag nicht mehr stattfinden. „Rund 280 laufende Kurse waren betroffen“, berichtet Stadträtin Kirsten Dinnebier. Gemeinsam mit vhs-Leiterin Cordula Schlichte blickt sie auf die vergangenen Wochen seit dem besagten 13. März zurück. Viel ist in dieser Zeit passiert, vieles hat sich geändert, einiges ist wieder möglich – das trifft auch auf die vhs zu.
„Ich bin beeindruckt, wie zügig das Team auf die Veränderungen reagiert hat, um den Menschen Alternativen anbieten zu können“, sagt die Bildungsdezernentin. So wurden im April und im Mai allein vhs-intern 70 Kursleitende im Bereich Online-Lehren und -Lernen geschult. So war es möglich, einigen Teilnehmenden von Präsenzkursen digitale „Überbrückungskurse“ anzubieten. „Diese Online-Kurse entstanden vor allem im Bereich der Sprachen und im Gesundheitsbereich, aber auch der vhs-Chor hatte aufgrund des Engagements der Kursleiterin in kürzester Zeit ‚online Töne‘“, berichtet Cordula Schlichte.
Das Lernen auf Abstand nahm zu: „Die Nutzung der bundesweiten Lernplattform vhs-Cloud nahm ein zuvor nicht gekanntes Maß an", sagt die vhs-Leiterin. Das digitale Programm wurde außerdem durch online-Vorträge der Reihe „vhs wissen live“ ergänzt. Die Reihe war bereits vor Corona gestartet, wurde aber um zahlreiche Teilnehmer*innen sowie auf mehr als 20 gebührenfreie Termine erweitert. Auch eine Lösung für die 7. Marburger Fototage fand sich: die Besichtigung eines Teils der Galerie ist nun virtuell möglich.
„Wir sind froh über diese digitalen Lösungen und den unglaublich schnell wachsenden Kompetenzgewinn der Lehrenden. Dennoch können wir auf diesem Wege – aus den unterschiedlichsten Gründen – nur einen Teil der vhs-Teilnehmenden erreichen“, sagt Kirsten Dinnebier. Hinzu komme, dass einfach auch die Sehnsucht nach sozialem Kontakt wachse. Die Stadträtin, die vhs-Leiterin sowie das gesamte vhs-Team sind daher erleichtert über die Verordnungsanpassung des Landes Hessen, die zum 9. Mai in Kraft getreten ist – wenngleich es sie vor große Herausforderungen stellt: Die Verordnung ermöglicht unter Einhaltung der vorgeschriebenen Hygiene- und Abstandsregeln Präsenzkurse mit begrenzter Teilnehmenden-Zahl.
So dürfen etwa in Raum 103, in dem sonst 25 Menschen Platz finden, aktuell zwölf Teilnehmende in veränderter Sitzanordnung zum Beispiel Deutsch, Geschichte, Englisch oder Fotografie lernen. „Die Resonanz war insgesamt erfreulich, auch wenn einige der Angemeldeten ihren Kurs lieber noch nicht wieder besuchen möchten, weil sie einfach noch vorsichtig sind“, berichtet vhs-Leiterin Cordula Schlichte über die bisherigen Rückmeldungen zu den wiederaufgenommenen Kursen.
Die Präsenskurse beschränken sich nicht nur auf das Haus in der Deutschhausstraße, sondern finden auch in den Unterrichtsräumen in der Temmlerstraße statt. Dort haben bereits kleine Gruppen aus dem Deutschbereich mit nicht mehr als neun Teilnehmenden die Kurse wiederaufgenommen. „Wir kehren nun Schritt für Schritt zum Kursbetrieb zurück und schauen auch schon in Richtung nächstes Semester, das am 31. August startet“, sagt die Bildungsdezernentin.
Die Programmerstellung für das nächste Semester ist eine Aufgabe, die teils mit großen Hürden verbunden ist. Sprachkurse sind beispielsweise relativ unproblematisch, die vorgeschriebenen Abstands- und Hygieneregeln können leicht eingehalten werden. Anders sieht es da zum Beispiel bei Kursen in der Gesundheitsbildung oder bei kunsthandwerklichen Kursen aus. „Holzbildhauern, Nähen, Tischlern, Buchbinden, Kochen – bei all den Kursen, bei denen sich Kursleitende und -Teilnehmende zwangsläufig näherkommen müssten“, zählt Cordula Schlichte einige Beispiele auf. Porträtzeichen oder Thai Chi im Freien dagegen sind Kurse, die bereits jetzt schon wieder stattfinden können.
„Ziel ist, im kommenden Semester möglichst viele Kurse an den mehr als 50 Kursorten wieder an den Start zu bringen – um auch in der Weiterbildung ein Stück ‚Normalität‘ wiederherzustellen“, nennt Cordula Schlichte die Bestrebungen der vhs, betont aber zugleich: „Die Umsetzung der Corona-Regeln ist allerdings mit großem organisatorischen Aufwand verbunden.“ Gemeinsam mit der Bildungsdezernentin macht sie jedoch deutlich: „Wir möchten so vielen Menschen wie möglich den Zugang zu unserem vhs-Angebot ermöglichen, digital oder vor Ort, damit auch nach 100 Jahren noch interessierte Erwachsene weiterhin die Möglichkeit haben, sich zu bilden – unabhängig von Herkunft und sozialem Status.“