„Das vergangene Jahr war und ist immer noch eine Herausforderung für alle Menschen. Doch es sind die Kinder und Jugendlichen, deren Stimmen noch zu wenig gehört werden. Gerade sie müssen wir unterstützen“, sagt Stadträtin und Jugenddezernentin Kirsten Dinnebier. Zu ihnen gehört Sarah Bösner. Gemeinsam mit einer weiteren Schülerin der Martin-Luther-Schule in Marburg hat sie sich im März mit genau diesem Anliegen sogar an die Landesregierung gewandt. „Das hat deutlich gemacht, wie wichtig es auch hier in Marburg ist, diesen jungen Menschen Räume zu geben, in denen sie gehört werden“, so die Stadträtin.
„Was vor allem nicht gesehen wird, ist die große Anpassungsleistung, die die junge Generation seit nun über einem Jahr stemmt“, sagt Prof. Dr. Hanna Christiansen von der Philipps-Universität Marburg und verweist darauf, dass die elementaren Grundlagen für eine gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen praktisch entfallen: das soziale Miteinander, formale oder informelle Begegnungen, das Sammeln und gemeinsame Durchstehen von Erfahrungen. „All dies fehlt“, bestätigt die Psychotherapeutin Dr. Kristin Gilbert und ergänzt: „Wir warnen eindringlich davor, Lebensräume zu schließen und gleichzeitig keine alternativen Räume für Begegnungen und soziale Einbindung für pädagogische und therapeutische Unterstützung zu öffnen.“
Die beiden Frauen betrachten mit vielen ihrer Kolleg*innen die aktuelle Situation von Kindern und Jugendlichen entsprechend mit großer Sorge. Studien zeigen, dass die Rate psychischer Belastungen bei Kindern und Jugendlichen von 18 Prozent vor der Pandemie auf 33 Prozent aktuell gestiegen ist bei einer Abnahme gesundheitsbezogener Lebensqualität. Christiansen, Gilbert und ihre Kolleg*innen begegnen dem tagtäglich: Sie erleben junge Menschen, die verzweifelt, einsam und hilflos, traurig und wütend sind. Sie haben negative Gedanken, Ängste und Zukunfts-Sorgen, etwa wie es mit der Schule weitergeht oder ob sie einen Ausbildungsplatz bekommen. Das äußert sich mitunter in depressiven Symptomen, Angst und Anspannung bis hin zu selbstverletzendem Verhalten und suizidalen Krisen.
Allen gemeinsam ist die häufig formulierte Enttäuschung darüber, nicht gehört und gesehen zu werden. „Wenn Jugendliche sagen, es interessiert sich sowieso niemand für uns, dann ist es unser gemeinsamer Auftrag, diesen Jugendlichen eine Stimme zu geben“, betont Jugendamtsleiterin Stefanie Lambrecht. Mit der Corona-Sorgensprechstunde soll daher vor Ort in Marburg ein Raum für Kinder und Jugendliche geöffnet werden, in dem ihnen zugehört und sie konkret und professionell unterstützt werden. Daran arbeiten nun das Jugendamt der Stadt Marburg und die Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutische Ambulanz der Philipps-Universität Marburg (KJ-PAM) gemeinsam.
Kinder und Jugendliche ab zehn Jahren erhalten mit diesem Angebot die Möglichkeit, über ihre Gefühle, Sorgen und Ängste offen und vertraulich zu sprechen und auch konkrete Unterstützung für diese schwierige Situation zu erhalten. Die Sprechstunde findet in den Räumlichkeiten der KJ-PAM in der Gutenbergstraße 29, 35037 Marburg, statt. Das Angebot umfasst bis zu sechs Sprechstunden à 50 Minuten und wird über die Krankenkassenkarte abgerechnet, sodass keine Kosten auf diejenigen zukommen, die das Angebot in Anspruch nehmen. Zur Anmeldung, bei Interesse und Fragen E-Mail an kristin.gilbert@staff.uni-marburg.de.
Hier gibt es den Flyer zur Sorgensprechstunde zum Download.