Voll besetzt war die Lutherische Pfarrkirche im April 2019, im Chor unten ebenso wie auf der Empore. Beeindruckende Reden über Freiheit, Frauenrechte, Demokratie hörten die Gäste der ehrwürdigen Preisverleihung. Mit der „Ode auf die Freude“, gemeinsam gesungen aus hunderten Kehlen, endete der Festakt zum „Unerschrockenen Wort“. Die Hymne Europas erklang auf ausdrücklichen Wunsch der Preisträgerin Seyran Ateş. Die 55-jährige Rechtsanwältin, Autorin, Frauenrechtlerin und Moschee-Gründerin aus Berlin mit türkisch-kurdischen Wurzeln erhielt „Das unerschrockene Wort“ in Marburg für ihren Einsatz für die Rechte muslimischer Frauen, für Demokratie, Integration und für einen säkular-liberalen Islam, gegen Parallelgesellschaften und gegen politisch-religiösen Extremismus. „Das war eine der schönsten und würdigsten Preisverleihungen, die wir jemals hatten“, kommentierte ein Luther-Stadt-Vertreter der ersten Stunde am Ende die Veranstaltung und dankte der Stadt Marburg für die rundum gelungene Organisation und Ausrichtung.
Auf den zwölften Preis folgt der 13. Und die Suche nach weiteren Menschen, die des Lutherpreises würdig sind, geht wieder los. 2021 wird „Das unerschrockene Wort“ in Worms verliehen. Die 13. Preisverleihung fällt mit einem besonderen Datum zusammen. Im Jahr 1521 weigerte sich Martin Luther im Reichstag zu Worms, vor Kaiser Karl V. seine Thesen zu widerrufen und bewies damit Mut und Standhaftigkeit – eben jene Haltungen, die „Das unerschrockene Wort“ nach seinem Vorbild ehren. Die Preisverleihung findet im Rahmen des Festjahrs „500 Jahre Reichstag zu Worms“ im April 2021 statt.
Alle Marburger*innen und alle Bürger*innen der weiteren 15 Lutherstädte sind aufgerufen, Vorschläge für Preisträger*innen einzureichen. Das können Menschen aus dem In- und Ausland sein, bekannte ebenso wie bislang weniger bekannte Namen. Nach den Statuten des „Unerschrockenen Wortes“ können Frauen und Männer, die „in einer besonderen Situation oder bei einem konkreten Anlass, aber auch beispielhaft über einen größeren Zeitraum hinweg, in Wort und Tat für die Gesellschaft, die Gemeinde oder den Staat bedeutsame Aussagen gemacht und gegenüber Widerständen vertreten haben“, ausgezeichnet werden. Vorschläge für den Lutherpreis müssen mit schriftlicher Begründung eingereicht werden.
Jede der 16 Lutherstädte nominiert aus den bei ihr eingegangenen Vorschlägen einen Kandidaten oder eine Kandidatin. Aus diesen ermittelt die Jury – bestehend aus den Vertreter*innen der Städte und weiteren Personen des öffentlichen Lebens – im Herbst 2020 die oder den gemeinsame*n Preisträger*in.
Diskussionsanstoß über die Unfehlbarkeit des Papstes, systemkritische Lieder in der DDR sowie immer wieder das Engagement gegen Rechtsextremismus, Rassismus und politische oder gesellschaftliche Unterdrückung – die bisherigen Preisträger*innen haben auf unterschiedliche Weise Mut bewiesen und sich so die Auszeichnung „Das unerschrockene Wort“ verdient.
Alle Marburger*innen können Vorschläge für „Das unerschrockene Wort 2021“ einreichen:
- per Mail an unerschrocken@marburg-stadt.de
- per Post an Pressestelle der Universitätsstadt Marburg, Am Markt 8, 35037 Marburg
Einsendeschluss ist der 31. Juli 2020.
Hintergrund:
16 Städte – ein Preis
Im Andenken an das Wirken Martin Luthers wird „Das unerschrockene Wort“ seit 1996 alle zwei Jahre in einer der Lutherstädte vergeben. Im Bund der Lutherstädte sind 16 Orte in Deutschland zusammengeschlossen, an denen Luther gelebt oder gewirkt hat. Sie würdigen mit der Auszeichnung Personen, die Zivilcourage zeigen und sich in einer besonderen Situation, aber auch beispielhaft über einen längeren Zeitraum hinweg, mit Wort, Tat und Mut gegen Widerstände für die Gesellschaft einsetzen.
Der Preis erinnert an den Mut und die Standhaftigkeit des Reformators, als dieser sich auf dem Reichstag zu Worms 1521 weigerte, seine Ansichten zu widerrufen und daraufhin geächtet wurde. Zum Bund der Lutherstädte gehören Augsburg, Coburg, Eisenach, Eisleben, Erfurt, Halle (Saale), Heidelberg, Magdeburg, Marburg, Nordhausen, Schmalkalden, Speyer, Torgau, Wittenberg, Worms und Zeitz.
Zwölf Preisträger*innen in 23 Jahren
2019: Seyran Ateş (Berlin); Rechtsanwältin, Autorin, Frauenrechtlerin, Moschee-Gründerin
2017: Horst und Birgit Lohmeyer aus Damel (Mecklenburg-Vorpommern) sowie Markus und Susanna Nierth aus Tröglitz (Sachsen-Anhalt); Aktivist*innen gegen Rechtsextremismus in Deutschland
2015: Mazen Darwish, syrischer Journalist und Menschenrechtsaktivist und das Syrische Zentrum für Medien und Meinungsfreiheit
2013: Initiative „Keine Bedienung für Nazis“ um den Barkeeper Michael Sauerer (Regensburg)
2011: Dmitrij Muratow und das Redaktionsteam der russischen Tageszeitung „Nowaja Gaseta“
2009: Andrea Röpke, Journalistin und Politologin
2007: Emely Abidin-Algan, kritische Muslima
2005: Stefan Krawczyk, Schriftsteller und Sänger
2003: Gertraut Knoll, Superintendantin aus dem österreichischen Burgenland
2001: Uta Leichsenring, Polizeipräsidentin von Eberswalde
1999: Hans Küng, Theologe
1996: Richard Schröder, Philosoph und Theologe