Auf Antrag eines Bürgers der Stadt Marburg hat die Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Elke Neuwohner zur Bürger*innenversammlung eingeladen. Thema waren die Planungen für die städtebauliche Entwicklung im Marburger Süden. Mit verschiedenen Projekten sollen vom Südbahnhof über die Frauenbergstraße und die Temmlerstraße bis hin zur Beltershäuser Straße neue angenehme Lebensräume und neue Wohnräume entstehen. „Die Projekte befinden sich in unterschiedlichen sehr frühen Phasen. Deswegen gibt es heute keine detaillierten Pläne sondern eine frühzeitige Information“, erklärte Neuwohner zur Begrüßung. In den weiteren Planungsphasen gebe es auch verschiedene Formate der Bürger*innenbeteiligung.
„Brauchen wir diese Planungen überhaupt?“, fragte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies in die Runde und beantwortete dies gleich selbst: „Ja. Denn wir brauchen dringend Wohnraum. Nach einer Untersuchung des Regierungspräsidiums hat Marburg Bedarf an 4500 zusätzlichen Wohnungen.“ Die ukrainischen Geflüchteten seien da noch nicht eingerechnet. Die Untersuchung sei von 2018, seither seien in Marburg schätzungsweise rund 1000 Wohnungen entstanden. Der Bedarf sei also weiterhin erheblich. Dabei setze die Stadt sich noch weitere Ziele: „Wir wollen nachhaltig bauen und nicht mehr Flächen als nötig versiegeln“, so OB Spies. Es solle verdichtet gebaut werden – aber mit mehr Durchgrünung der Stadt. „Die Stadt soll ein angenehmer Lebensraum für alle sein.“
Das ergänzte Manuela Klug, Fachdienstleiterin Stadtplanung und Denkmalschutz der Universitätsstadt Marburg: „Wir wollen zusätzlichen Wohnraum in durchmischten, durchgrünten und urbanen Quartieren schaffen.“ Die urbanen Strukturen im Südviertel sollen aufgegriffen und über den Südbahnhof, die alte Molkerei, Frauenbergstraße und Temmlerstraße bis zum Landratsamt weiterentwickelt werden. „Wir wollen keine reinen Schlafquartiere schaffen, sondern Quartiere mit Versorgung, sozialer Infrastruktur, Dienstleistung und Arbeit mixen.
Bereich Südbahnhof
Der Südbahnhof soll ein wesentlicher Knotenpunkt für Fußgänger*innen, Radverkehr und ÖPNV werden und vor allem barrierefrei gestaltet sein. Entsprechend muss laut Klug der Vorplatz gestaltet werden. Dazu laufe derzeit eine Machbarkeitsstudie. Die öffentliche Beteiligung dazu folge, sobald eine konkretere Planung vorliege.
Ein privater Investor plane zudem, die alte Molkerei umzugestalten – dort sollen Gewerbe und Wohnungen entstehen. Dazu müsse zunächst ein Bebauungsplan erstellt werden. Wenn dieses Verfahren gestartet ist, gibt es laut Klug die Möglichkeit zur öffentlichen Beteiligung.
Frauenbergstraße und Temmlerstraße
Im Bereich Franz-Tuczek-Weg und Frauenbergstraße will die Sparkasse ihren neuen Hauptsitz bauen. Geplant sind außerdem Wohnbebauung in aufgelockerter Struktur mit Innenhöfen sowie ein Verwaltungsbau für die Stadt Marburg. Seit Januar 2021 läuft hierfür das Bebauungsplanverfahren. Der nächste Schritt ist eine frühzeitige, öffentliche Beteiligung mit den konkreteren Planungen.
Das Temmlergebiet ist derzeit ein Gewerbegebiet. Wie Klug erläuterte, muss es zunächst in ein Mischgebiet oder urbanes Gebiet umgewandelt werden, damit dort überhaupt Wohnbebauung stattfinden kann. Auch hier soll ein urbanes Quartier mit sozialer Infrastruktur und mit preiswerten Wohnungen entstehen. Das Bebauungsplanverfahren läuft ebenfalls schon – auch hier wird es eine öffentliche Beteiligung bei den weiteren Planungen geben.
Beltershäuser Straße
Der geplante Wohnraum in der Beltershäuser Straße, den die Stadt Marburg gemeinsam mit dem Landkreis Marburg-Biedenkopf und der GeWoBau umsetzen möchte, soll laut der Stadtplanerin mit der schon vorhandenen Struktur im Einklang sein. Derzeit wird daher eine Rahmenplanung erstellt, bei der auch die umliegenden Gebiete von Cappel und dem unteren Richtsberg einbezogen werden. „Das ist ein informelles Planwerk, mit dem wir mögliche Konflikte mit bestehender Nutzung frühzeitig identifizieren wollen – und bei dem wir die Ziele der städtebaulichen Entwicklung für das Gebiet konkretisieren wollen“, erklärte Klug. Dazu habe es schon mehrere Beteiligungsformate gegeben, etwa mit Ortsbegehungen und einer Online-Beteiligung. „Aktuell hat das Gebiet eine Trennung zwischen dem Richtsberg und Cappel, insbesondere durch die Straße“, so Klug. „Das wollen wir verändern, deswegen haben wir den unteren Richtsberg einbezogen.“ Die Rahmenplanung erstellt ein externes Planungsbüro. Eine Perspektivenwerkstatt mit den Bürger*innen ist für Ende des Jahres geplant – die Rahmenplanung soll dann im zweiten Quartal 2023 stehen.
Im Anschluss an die Vorstellung der städtebaulichen Planungen für den Bereich Südbahnhof bis Beltershäuser Straße hatten die Bürger*innen Gelegenheit, Fragen an den OB und die Stadtplanerin zu stellen – dabei hatten sie einige Anmerkungen unter anderem zu Verkehrsfragen, Wasserversorgung, zum Kleinklima und zu der neuen Infrastruktur, die für weitere Bewohner*innen der Quartiere notwendig werden.