Vorgestellt hat die Kinder- und Jugenddezernentin diese Planungen jetzt im öffentlichen Jugendhilfeausschuss. Eine Gesamtvorlage wird Anfang des Jahres im Magistrat und in den zuständigen Gremien der Stadtverordneten vorgelegt und beraten.
„Wir sind selbst sehr beeindruckt davon, was jetzt kurzfristig angeboten werden kann“, sagt Kirsten Dinnebier. So erhöht die Stadt die Zahl der Ganztagsplätze in der Kita „Auf der Weide“ durch Umwandlung, in der Anneliese-Pohl-Kita entstehen zehn zusätzliche Plätze in einer Waldgruppe, in der Kita „Am Teich“ in Cappel wird eine dritte Gruppe bereits zum 1. Februar oder 1. März eingerichtet. Auch in der Evangelischen Kita Ockershausen kommen durch Umwandlung von Halbtags- in Ganztagsplätze neue Kapazitäten hinzu.
Im Kinderzentrum Weißer Stein sind in einer neuen Gruppe zehn weitere Krippenplätze vorgesehen, 20 neue Plätze entstehen im ersten Halbjahr 2018 durch Tagespflegepersonen, weitere 15 Krippenplätze kommen befristet bei freien Trägern sowie in städtischen Einrichtungen hinzu, um den aktuellen Betreuungsbedarf im Sinne der Eltern und insbesondere der Vereinbarkeit von Familie und Beruf schon kurzfristig zu decken.
Doch damit nicht genug: Um dem Bedarf der Kindertagesbetreuung angesichts gestiegener Geburtenzahlen gerecht zu werden, wird die Stadt darüber hinaus weitere Plätze schaffen. So schlägt Stadträtin Dinnebier Magistrat und Stadtverordneten für das zweite Halbjahr 2018 und das erste Halbjahr 2019 in Wehrda vor, eine zweigruppige Kita in Wehrda (Umbau eines bestehenden Gebäudes) sowie befristet weitere Plätze in Cappel im Alten Rathaus zu schaffen. Insgesamt 80 Plätze, davon 40 befristet, werden Gegenstand der Vorlage zum Ausbau der Kindertagesbetreuung sein. Zudem soll laut Dinnebier in diesem Zeitraum eine innenstadtnahe Krippengruppe mit zehn Plätzen entstehen. Die Mittel für diese Schritte wird die Stadträtin noch für den Etat 2018 anmelden, sobald der Magistrat zustimmt.
Kirsten Dinnebier rechnet darüber hinaus damit, dass durch Angebote freier Träger noch einmal bis zu 60 Ü3-Plätze und bis zu 20 U3-Plätze in 2018/2019 zu verwirklichen. Die Resonanz der freien Träger der Kindertagesbetreuung sei äußerst positiv, die entsprechenden Gespräche laufen, „die Zusammenarbeit ist phantastisch“, so die Stadträtin.
„Es ist trotz unserer äußerst guten Rahmenbedingungen selbstverständlich eine Herausforderung, aber wir sind nicht nur zuversichtlich, dass wir im U3- wie im Ü3-Bereich bedarfsgerecht und ausreichend Betreuungsplätze zur Verfügung stellen können, sondern wir haben nun in Gänze so viele Optionen, dass bei einer Verwirklichung aller Möglichkeiten der aktuelle Bedarf und der prognostizierte Bedarf bei Weitem gedeckt werden können“, erklärt Marburgs Kinder- und Jugenddezernentin. „Wir sind also in der glücklichen Lage, selbst aktiv gestalten und steuern zu können und dabei können wir auf eine gute Zusammenarbeit mit Trägern bauen“, skizziert Dinnebier die Situation. „Der Fachdienst Kinderbetreuung und die Jugendhilfeplanung haben hervorragende Arbeit geleistet“, lobt die Stadträtin die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam mit Stefanie Lambrecht, Leiterin des Fachbereichs Kinder, Jugend, Familie. „Die Verwaltung arbeitet jeden Tag hervorragend und über alle Maßen engagiert daran, möglichst gute Bedingungen in jedem Stadtteil anzubieten“, so Lambrecht.
Zu den Prämissen gehört laut Stadträtin, die Kinderbetreuung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten, den quantitativen Ausbau an Betreuungsplätzen nicht gegen die Qualität in der Betreuung auszuspielen, dabei aber nun eine stärkere Differenzierung im Hinblick auf den quartiersbezogenen und sozialen Bedarf zu berücksichtigen. „Die Qualitätsdiskussion wird unter dem Aspekt zu führen sein, dass wir Ungleiches auch gezielt ungleich behandeln. Wo mehr Förderbedarf besteht, muss dieser Bedarf auch differenziert berücksichtigt werden“, hebt Dinnebier hervor. Das gelte auch für den Personalschlüssel. „Wir schauen genau hin, wie der Bedarf in jedem Stadtteil und in den einzelnen Einrichtungen aussieht“, so die Stadträtin weiter.
„Außerdem werden wir künftig in kurzen Abständen, also unterjährig, die Geburtenzahlen beobachten, um frühzeitig zu reagieren und eine passende Perspektive zu entwickeln“, kündigt Kirsten Dinnebier Veränderungen an. Der Fachbereich Kinder, Jugend und Familie hat zudem die Zusammenarbeit mit dem städtischen Fachbereich Planen und Bauen an einem Runden Tisch intensiviert. So werden unter anderem frühzeitig Informationen über für die Kindertagesbetreuung geeignete Gebäude ausgetauscht und auch bei größeren Bauprojekten in der Stadt die prognostizierten Bedarfe von vorn herein mitgedacht. Denn wie Dezernentin Dinnebier erneut betont, geht es bei etwaigen Um- und Neubauten nicht um teure Prestigebauten, sondern um ein bedarfsgerechtes und flexibles Angebot.
Grund für den erhöhten Bedarf an Kita-Plätzen sind unerwartet deutlich höhere Geburtenzahlen als in den Vorjahren (2014: +2,1 Prozent/576 Geburten, 2015: +8,5 Prozent/625 Geburten, 2016: +6,7 Prozent/667 Geburten, Prognose für 2017: -5,5 Prozent / 640 Geburten). „Dabei stellen wir einen Trend zurück zur Kernstadt und der Kernstadt nahe Stadtteile fest“, so die Stadträtin. Dazu gehören Wehrda, Cappel, Marbach und Ockershausen wie die Analyse zeigt. Zuvor hatten sich seit 2008 in Marburg geburtenstarke Jahrgänge stets mit geburtenschwächeren Jahrgängen abgewechselt.
„Zudem wird die Ganztagsbetreuung zur Normalität – auch im Krippenbereich. Das freut uns sehr“, betont Dinnebier. Die Stadt Marburg rechnet damit, dass die Betreuungsquote bei den Kindern im Alter von unter drei Jahren auf 50 Prozent steigt. Bisher war die Stadt Marburg von 42 Prozent ausgegangen, lag damit über den vom Gesetzgeber angenommenen 35 Prozent und hatte bei der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz mit diesem Angebot richtiggelegen. Während bei der Kita-Betreuung meist der Wohnort für die Wahl der Kita ausschlaggebend sei, stünden für die Eltern der Krippenkinder eher der Arbeitsort und die Wegebeziehung zwischen Wohnort und Arbeitgeber im Vordergrund, auch das zeigt die Analyse der Stadt. Die Annahme, dass den erhöhten Geburtenzahlen ein sogenannter G8/G9-Effekt auch bei den Gebärenden zugrunde liege, könne die Stadt dagegen aufgrund der fehlenden aussagekräftigen Datengrundlage nicht bestätigen.
„Die Vorlage zum Ausbau und den Perspektiven der Kindertagesbetreuung wird umfangreiches statistisches Datenmaterial enthalten, das es uns ermöglicht, kleinräumige auf einzelne Stadtteile bezogen Bedarfe abzuleiten, daraus gezielt Betreuungsangebote zu entwickeln und somit die Betreuungsquote bedarfsgerecht auszubauen“, erklärt Dinnebier. Die Vorlage beinhaltet konkrete Angaben und konkrete Vorschläge zu Ausbauoptionen im ersten Halbjahr 2018 und im zweiten Halbjahr 2018 und 2019. „Betonen möchte ich, dass die in der Vorlage enthaltenen Vorschläge ausschließlich die bereits abgeschlossen geprüften Optionen enthält. Darin nicht enthalten sind weitere Optionen, die wir aktuell noch prüfen“, so die Stadträtin. Sie bedankte sich in diesem Zusammenhang herzlich bei den freien Trägern der Kitas, die sich ebenfalls für neue Plätze engagierten und konkrete Angebote entweder dem Jugendamt oder an sie persönlich herangetragen hätten. „Dies zeigt, dass wir in Marburg eine absolut besondere Situation haben: eine sehr gute Zusammenarbeit mit den Trägern auch im Bereich der Kindertagesbetreuung.“
Als weiteren Schwerpunkt für die Perspektiven der Kindertagesbetreuung berücksichtigt der Vorschlag der Stadträtin die Personalgewinnung, die als eng verknüpft mit den Qualitätskriterien für die Kitas und damit mit einem attraktiven Arbeitsort angesehen werden. Zudem wird durch die Stadt Marburg eine engere Kooperation mit den Ausbildungsstätten für Erzieherinnen und Erziehern erfolgen.