„Wir investieren die zusätzlichen Millionen aus der Gewerbesteuer in die nachhaltige Zukunftsentwicklung der Stadt“, erklärt Oberbürgermeister und Kämmerer Dr. Thomas Spies, „in den Klimaschutz und die Mobilitätswende, für bezahlbares Wohnen, in den sozialen Ausgleich, in Digitalisierung, gute Schulen und in den weiteren Ausbau Marburgs als attraktiver Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort“. Dass das nicht von heute auf morgen geht, liege auf der Hand. „Wenn wir mehr Gebäude schneller energetisch sanieren wollen, ist das nicht nur eine Frage der Finanzen“, erklärt der Oberbürgermeister am Beispiel Klima-Aktionsplan 2030. „Es braucht Planungen, die gemacht und Ausschreibungen, die durchgeführt werden müssen. Es braucht ausreichend verfügbare Ingenieurleistung bei uns selbst in der Stadtverwaltung oder als Fremdleistung auf dem freien Markt, dann Fachfirmen mit freien Kapazitäten, die wiederum abhängig sind von globaler Logistik und lieferbarem Material.“ Was für die energetische Sanierung gelte, treffe auf so gut wie alle Bereiche und Schwerpunkte zu. „Wir sind durch unsere zusätzlichen Einnahmen in der privilegierten Lage, dass wir unsere ambitionierten Vorhaben in Marburg tatsächlich verwirklichen können. Für die Umsetzung schaffen wir nun eine nachhaltige stabile Basis.“
Mit 172 Mio. Euro mehr Erträgen als noch im ersten Haushaltsentwurf plant der Magistrat für das kommende Jahr. Die immense Steigerung ist laut Spies „vorsichtig gerechnet. Wir gehen davon aus, dass es im Lauf des Jahres noch deutlich mehr werden kann“. Diesen Erträgen stehen Aufwendungen von fast 405 Mio. Euro gegenüber. Damit bleiben statt des vorher erwarteten 18 Mio.-Euro-Defizits nun unterm Strich knapp 36 Mio. Euro Plus.
Den größten Teil der zusätzlichen Erträge gibt Marburg an den Landkreis und das Land Hessen ab: Statt der geplanten 51 Mio. Euro Umlagen führt Marburg nun 81 Mio. Euro für 2022 ab. Weitere 77 Mio. Euro werden für die Umlagen-Zahlung im Jahr 2023 zurückgelegt. Gut 10 Mio. Euro sollen zudem in den Schuldenabbau fließen.
In Marburg selbst soll laut dem Magistratsentwurf massiv investiert werden: Statt 40 Mio. Euro steht nun mit 81 Mio. Euro doppelt so viel für Investitionen im Plan. „Den größten Teil wollen wir in unser städtisches Vermögen investieren. Wir wollen damit dauerhafte Werte schaffen, mit denen wir unsere Handlungsfähigkeit für das Wohl der Marburger*innen auf lange Sicht verbessern“, betont Oberbürgermeister Spies.
Die Schwerpunkte sind:
- 20 Mio. Euro zur Aufstockung des Eigenkapitals der städtischen Gesellschaften GeWoBau und Stadtwerke Marburg – für sozialen Wohnungsbau sowie den Ausbau des ÖPNV und der Erzeugung regenerativer Energien
- 10 Mio. Euro für „Bodenbevorratung“, also den Kauf von Grund und Boden durch die Stadt – für Wohnraum, Gewerbeflächen, Klimaschutz-Maßnahmen
- 3 Mio. Euro mehr Investitionen in die Schulen – statt gut 6 Mio. Euro sollen 2022 mehr als 8 Mio. in die Schulbauten investiert werden und statt 3 nun 4 Mio. Euro in die Digitalisierung
- Rund 1,6 Mio. Euro mehr Investitionen in die Kindertagessstätten und Betreuungseinrichtungen in der Stadt
- 3 Millionen Euro als Sozialer Energiebonus für die warmmietenneutrale energetische Sanierung durch Wohnungsbauunternehmen, weitere 2 Millionen Euro zusätzlich als Verpflichtungsermächtigung.
Neben den großen Posten will der Magistrat eine ganze Reihe von größeren und kleineren Investitionen quer durch den Haushalt ganz neu aufnehmen oder besser als bisher ausstatten.
„Auch bei den laufenden Aufwendungen erhöhen wir die Spielräume für das nächste Jahr in so gut wie allen Bereichen“, sagt Spies, „wir tun das aber vorsichtig, weil wir die weitere Entwicklung der Steuereinahmen derzeit noch nicht seriös planen können. Deshalb wäre es verantwortungslos, den städtischen Haushalt heute mit teuren Dauerbelastungen zu beladen.“
Bei den laufenden Aufwendungen ist das Soziale seit jeher der mit Abstand größte Posten im Haushalt der Stadt Marburg. Er wird weiter ausgebaut. Die bereits geplanten 76 Mio. Euro für Kinder, Jugend, Familien, sozial Benachteiligte, Senior*innen, Gesundheitsförderung, Gleichstellung, Gewaltschutz, Barrierefreiheit, Integration und Gemeinwesenarbeit sollen um weitere 2,5 Mio. Euro aufgestockt werden.
Auf über 2 Mio. Euro verdreifachen will der Magistrat das Budget der städtischen Wirtschaftsförderung. Zusätzlich soll das Team aufgestockt werden, „damit wir die Chancen aus den erhöhten Einnahmen auch optimal und langfristig für Marburgs als Wirtschaftsstandort nutzen“, betont OB Spies. Dazu gehört auch das Maßnahme-Paket, das Spies vergangene Woche vorgeschlagen hat, mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu sichern, innovative Neugründungen zu unterstützen, die regionale Wirtschaft zu stärken und gleichzeitig kleine, mittlere und große Firmen und Gewerbetreibende finanziell zu entlasten.
Mehr Geld soll in die Förderung von Klimaschutzmaßnahmen der Bürger*innen wie Car-Sharing, Nachbarschaftsprojekte, Zuschüsse für klimagerechtes Bauen, Mobilität, für Solaranlagen und mehr fließen. Mehr ist auch für die Unterhaltung der Schulen oder für Kultur in Marburg inklusive des Stadtjubiläums Marburg800 geplant. „Quer über fast alle Bereiche verteilt schafft der Haushaltsentwurf außerdem die finanziellen Voraussetzungen, um in der Corona-Krise weiter kurzfristig handeln und helfen zu können“, sagt Oberbürgermeister Spies.
An der Zusammenstellung des Entwurfs zur zweiten Lesung hat die Verwaltung in den vergangenen Wochen mit Hochdruck gearbeitet, „da sind doch einige Kolleg*innen sehr oft bis spät in die Abende und an den Wochenenden dran gesessen, damit wir den Zeitplan der Haushaltsverabschiedung halten konnten“, berichtet der Oberbürgermeister. Denn: Trotz des plötzlich so immens gestiegenen Haushaltsvolumens sei Marburg immer noch Marburg, „mit einer sehr kompetenten und engagierten Stadtverwaltung, die für die bisherige Dimension unserer Aufgaben gut aufgestellt – und dabei schon mehr als gut ausgelastet – ist“, so Spies.
Deshalb gelte auch aus Kapazitätsgründen die jetzige Situation Schritt für Schritt verantwortungsbewusst und besonnen anzugehen, „damit wir nachhaltig das Beste daraus machen und für die Zukunft der Stadt nutzen“, so Spies.
Apropos Stadtverwaltung: Ein Zuwachs von insgesamt 44 Stellen stehen im Haushaltsentwurf des Magistrats für 2022. Damit steigt die Zahl der Stellen auf 1137 Vollzeit-Planstellen – die sich rund 1600 Beschäftigte in Voll- und Teilzeit teilen. Bei den neuen Stellen geht es vor allem um die großen Zukunftsaufgaben: Der Schwerpunkt liegt auf dem Bauamt inklusive Klimaschutz (vor allem Hochbau und Ingenieur*innen). Aufgestockt werden soll außerdem wie in jedem Jahr die Kinderbetreuung (Kitas, Krippen, Schulbetreuung) und wie bereits erwähnt die Wirtschaftsförderung. Dazu kommen einzelne Stellenzuwächse hier und da quer durch die Verwaltung. „Wir wollen sicherstellen, dass trotz mehr Aufgaben und größerem Aufgabenvolumen unser Service für Bürger*innen und Unternehmen optimal bleibt“, betont Spies. Die Personalkosten erhöhen sich um 2,6 Mio. Euro auf insgesamt 71,8 Mio. Euro.