© Stadt Marburg, Philipp Höhn„‚Wir sind ein Volk‘ bedeutet eigentlich, wir vereinigen uns zu einem Volk und zwar immer erneut durch gemeinsames politisches Handeln, woher wir auch kommen und wozu wir uns auch bekennen‘“, betonte Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies zum Festakt, der den Tag eröffnete. Symbole dienten dazu, Identität auszudrücken sowie Gemeinsamkeit zu verdeutlichen oder herbeizuführen, so Spies weiter.
Eine nationale Identität könne sich im 21. Jahrhundert nur auf eine politische Identität beziehen, deren Werte und Vereinbarungen ständig in einem breiten Diskurs neu vereinbart würden. „Es kommt darauf an festzustellen, welcher Grundbestand an Werten und Überzeugungen einvernehmlich ist, weil daraus die Sicherheit entsteht, die uns Unterschiede leicht akzeptieren lässt“, so das Stadtoberhaupt.
Eine Debatte über nationale Identität müsse zudem wieder einen Konsens über die Grundregeln des Verhältnisses von ökonomischem Eigennutz einerseits und den gemeinschaftsstiftenden Werten jenseits der Konkurrenz des Marktes andererseits herstellen, merkte Marburgs Stadtoberhaupt in Bezug auf wachsende ökonomische Ungleichheit an.
Katja Wolf, Oberbürgermeisterin von Marburgs Partnerstadt Eisenach, führte die Debatte über nationale Identität weiter und sprach in ihrer Festrede über die Werte, die im Grundgesetzartikel 1, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, stecken: „Da steht nicht, die Würde der Oberstädter oder Stiegker ist unantastbar; da steht nicht, die Würde des Marburgers oder Eisenachers ist unantastbar; und da steht auch nicht, die Würde des Hessen oder des Thüringers ist unantastbar. Da steht Mensch, die Worte unterscheiden nicht, nicht mal zwischen gut und böse. Da steht der Mensch im Mittelpunkt. “
Oberbürgermeisterin Wolf bedankte sich zusammen mit ihrer Delegation aus der Partnerstadt Eisenach, genauso wie die Vertreter aus dem französischen Poitiers, mit einem Gastgeschenk für die Einladung zur gemeinsamen Feier. Das Fest zum Tag der Deutschen Einheit wird wie Tradition im jährlichen Wechsel in Eisenach und Marburg ausgerichtet.
Die Vorsitzende des Ausländerbeirats, Goharik Gareyan-Petrosyan, begrüßte im Großen Saal des Erwin-Piscator-Hauses zum „multikulturellen und interkulturellen Programm“ des Tages und wünschte allen Anwesenden „viele interessante Begegnungen“.
Neue Ausstellung „pARTnerSTAEDTE“ ab sofort geöffnet
Eingerahmt wurden die Reden des Festaktes originell wie eindrucksvoll von gleich drei Varianten der deutschen Nationalhymne. Ein Kinderstreichquartett der Musikschule Marburg mit der klassischen Version, die Jazzrobots sowie die kurdisch-iranische Musik- und Gesangsgruppe Jouan interpretierten sie aus ganz unterschiedlicher Perspektive und ernteten jeweils begeisterten Applaus.
Nach der Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit begann das bunte Programm des Tags der kulturellen Vielfalt, zu dem der Ausländerbeirat der Stadt eingeladen hatte, mit Tanz und Musik, Vernissage, buntem Sofa, kulinarischen Spezialitäten aus verschiedensten in Marburg vertretenen Nationen, kulturellem Speed Dating und Ständen von Marburger Vereine und Organisationen. In den Vorjahren hatten diese rund um das KFZ in die Schulstraße gelockt. Mit dem Kulturladen ist nun auch das beliebte Marburger Fest in die Biegenstraße umgezogen.
Auch für Kinder und Jugendliche war beim Programm für jeden etwas dabei: ein Jongleur begeisterte vor dem Kulturladen KFZ mit fliegenden Fackeln und ein Hip-Hop-Battle sowie eine Trommelgruppe brachten ihren Rhythmus ein.
Im zweiten Obergeschoss wurde zugleich eine ganz besondere Ausstellung eröffnet: Die Künstler Julia Kneise (Eisenach) und Richard Stumm (Marburg) waren in der jeweils anderen Partnerstadt zu Gast und haben ihre Eindrücke festgehalten. Die Ausstellung „pARTnerSTAEDTE" ist dort ab sofort täglich bis Ende Oktober 9 bis 23 zu sehen.
Richard Stumm richtete den Blick mit seiner Malerei auf die historischen Gebäude der Wartburgstadt, erzählte bei der Vernissage jedoch auch von den vielen eindrucksvollen Gesprächen mit Eisenacherinnen und Eisenachern. Er hatte während seines künstlerischen Aufenthalts in Marburgs Partnerstadt eine extra Sprechstunde angeboten. Besonders beeindruckt zeigte sich nicht nur Oberbürgermeisterin Katja Wolf vom seinem Portrait des geschichtsträchtigen Fürstenhofs, der für viele Eisenacherinnen und Eisenacher ein Ort voller persönlicher Erinnerungen sei und aktuell von einem privaten Besitzer zum Abriss angedacht sei.
Julia Kneises Werke hielt ihre Eindrücke aus Marburg vor allem in Portraits fest. Sie war auf Marburgerinnen und Marburger zugegangen, hatte sie in persönlichen Gesprächen kennengelernt und dann auf die Leinwand gebracht. „Julia Kneise und Richard Stumm haben die jeweils andere Stadt mit ganz viel Herz portraitiert“, waren sich die beiden Stadtoberhäupter Wolf und Spies einig.