© Patricia Grähling, Stadt Marburg
Wie genau wird eigentlich das neue Gemeinschaftszentrum aussehen? Wann wird der Töpferofen in der Geschwister-Scholl-Schule repariert? Und was tut die Stadt für finanziell schwach aufgestellte Familien nach der Neuregelung der Maskenpflicht? Das waren einige der Fragen, die die Bürger*innen im Stadtteil Waldtal beschäftigen – und genau für solche Fragen ist der Vorortdialog gedacht. „Wir wollen mit den Menschen ganz direkt ins Gespräch kommen“, erklärt Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies die Idee hinter dem Format.
Auch wenn wegen Corona das Gespräch nicht im Sinne eines persönlichen Dialogs vor Ort umgesetzt werden kann, haben alle interessierten Bürger*innen verschiedene Möglichkeiten, sich zu Wort zu melden: Entweder sie stellen ihre Fragen telefonisch oder über ein Chat-Fenster auf der Internetseite, über die die Veranstaltung live übertragen wird. Beides wurde auch im Waldtal rege genutzt.
Gleich die erste Frage betraf den Geschwister-Scholl-Kindergarten im Stadtteil, der laut einer Anruferin „deutlich in die Jahre gekommen“ sei. Die Einrichtung sei in der Tat „nicht mehr ganz taufrisch“, bestätigte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, allerdings gebe es andere Kindergärten, wie zum Beispiel den in der Goldbergstraße in Cappel, die in einem deutlich schlechteren Zustand seien und zuerst saniert werden müssten. Im Stadtwald werde wegen des stark gestiegenen Bedarfs eine neue Kindertagesstätte gebaut.
In den vergangenen Jahren wurden 500 neue Betreuungsplätze im Stadtgebiet geschaffen, aber der Bedarf steige weiter, so Spies. Der OB berichtete, dass ein ähnliches Programm wie das vor fünf Jahren ins Leben gerufene Schul-Programm „BiBaP“ (BildungsBauProgramm) aufgelegt werden soll, das nun schon in Runde 2 geht: eine Bestandsaufnahme zum Zustand aller Einrichtungen und eine sukzessive Sanierung gemäß einer gemeinsam erarbeiteten Prioritätenliste. Der Geschwister-Scholl-Kindergarten sei dann sicher vorne mit dabei, sagte OB Spies.
Bei der Frage danach, was für pflegebedürftige ältere Menschen im Stadtteil getan werde, die nicht mehr mobil sind, verwies Spies unter anderem auf den Behindertenfahrdienst, der in Anspruch genommen werden könne. Außerdem sei geplant, eine Bushaltestelle auf die Alte Kasseler Straße zu verlegen, so dass der Lebensmittelmarkt dort direkt an den Stadtteil angebunden ist. Mit der Fertigstellung des neuen Gemeinschaftszentrums – wahrscheinlich Ende 2022 – werde es außerdem ein Gesundheitsprojekt geben, das Unterstützung für ältere Bewohner*innen koordinieren soll.
„Es ist wichtig, dass Menschen im Alter möglichst in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können, wo es Freunde und Nachbarn gibt und sie ein soziales Umfeld haben“, betonte der OB. Dafür arbeite die Stadt unter anderem mit den Gemeindeschwestern, dem Projekt „In Würde teilhaben“, der Altenhilfe und dem Pflegebüro. Wer eine gute Idee habe, wie sich dieses Ziel konkret umsetzen lässt und mit der ältere Mitbürger*innen unterstützt werden können, der könne sich gern an den Ortsvorsteher Gerhard Dziehel, an den AKSB im Waldtal oder auch ihn direkt wenden, sagte Spies.
© Patricia Grähling, Stadt Marburg
Das Nachbarschaftszentrum war über das geplante Gesundheitsprojekt hinaus Gegenstand mehrerer Nachfragen. Ortsvorsteher Dziehel erläuterte, dass im Erdgeschoss ein großer Saal mit Theke, ein Jugendraum und eine Räumlichkeit, die als Begegnungscafé genutzt werden kann, entstehen sollen. Ins Obergeschoss zieht der AKSB, dort soll auch das Gesundheitsprojekt beheimatet sein. Außerdem finden auch die Jugendarbeit des Stadtteils und die evangelische Kirchengemeinde Platz. Der Bau wird größer als das alte St. Martin-Haus, so Dziehel. Ein Spielplatz ist geplant und der Bereich rund um die Bushaltestelle werde neugestaltet.
Eine Neugestaltung wünschen sich die Menschen auch für das „Eingangstor“ zum Waldtal. Dabei geht es insbesondere um ein altes Gebäude, in dem unter anderem auch Obdachlose wohnen. OB Spies erklärte, dass eine Sanierung des Gebäudes nicht möglich sei – stattdessen sei der Abriss geplant. Derzeit wohnen allerdings noch Menschen in dem Haus. Auch für die Unterbringung von Obdachlosen müssten weitere neue Möglichkeiten geschaffen werden. Die Stadt habe bereits das erfolgreiche Projekt „Probewohnen“ ins Leben gerufen. Zudem bestünden Überlegungen hinsichtlich eines „Vinzi-Dorfs“, wie zum Beispiel in Wien oder Graz: kleine Containerhäuser mit einem Gemeinschaftsgebäude, um Menschen von der Straße zu holen. So etwas müsse allerdings gut vorbereitet werden, betonte Spies.
Um das Thema Wohnen drehten sich auch mehrere Fragen zum geplanten Neubau „Försterweg 6“ der städtischen Wohnbaugesellschaft Gewobau. Der Bau stünde noch nicht unmittelbar bevor, informierte das Stadtoberhaupt. Fragen, zum Beispiel die Straßenführung betreffend, könnten noch in Ruhe besprochen werden. Darauf, dass es auch Wohnraum für Familien mit mehreren Kindern gebe, werde geachtet, bestätigte Spies. Und beim Stichwort Mehrgenerationenwohnen riet er, sich bei Interesse direkt an die Gewobau zu wenden.
Angesprochen auf zwei Häuser in der Alten Kasseler Straße, die leer stünden, erklärte er, dass sich diese in Privatbesitz befinden und die Stadt keine Möglichkeit habe, jemanden zu einer Vermietung seiner Immobilie zu zwingen. Man werde allerdings das Gespräch mit dem Besitzer suchen, sagte der Oberbürgermeister zu. „Das nehmen wir mit“, ist bezüglich vieler Fragen oder Hinweise das Versprechen, das der Vorortdialog ermöglicht. Das waren im Waldtal beispielsweise der Hinweis auf den nicht mehr funktionierenden Töpferofen in der Geschwister-Scholl-Schule oder der Vorschlag, eine Mülltrennaktion im Sommer zu veranstalten.
Ein wichtiges Thema für die Menschen im Stadtteil ist auch die neue Regelung, dass für Einkäufe und die Nutzung des ÖPNV nun medizinische Masken Vorschrift sind. Um die zusätzlichen Belastungen durch Corona für finanziell schwache Familien so gering wie möglich zu halten, gibt die Stadt so genannte OP-Masken aus, die im Stadtteil beim AKSB abgeholt werden können. „Und wenn die alle sind, bestellen wir neue“, versprach der Oberbürgermeister. Darüber hinaus stellt das Sozialamt allen bedürftigen Menschen medizinische Masken zur Verfügung.
Corona stand dann auch noch einmal im Mittelpunkt einer Nachfrage zur Kommunalwahl – wie die denn unter den aktuellen Beschränkungen ablaufen werde. Spies geht davon aus, dass deutlich mehr Menschen ihre Stimme per Briefwahl abgeben. Wer möchte, könne schon ab dem 1. Februar zum Wählen ins Wahlamt des Rathauses kommen. Am Wahltag selbst werde alles dafür getan, um eine Corona-sichere Wahl zu gewährleisten – unter anderem mit Maskenpflicht, Abstand und viel Lüften im Wahllokal. Im Waldtal wird die Turnhalle der KiTa zum Wahllokal, nachdem das St. Martin-Haus bereits abgerissen ist.
Moderator Bernd Waldeck bedankte sich bei den Teilnehmer*innen des Vorortdialogs im Waldtal für die konstruktiven Fragen und Vorschläge. Wer die Veranstaltung nachträglich noch verfolgen möchte, hat dazu auf der Seite der Firma Flashlight die Gelegenheit: https://flashlight.video/vorortdialog/