© Nadja Schwarzwäller i. A. Stadt Marburg
Landgräfliche Bauten und jüdische Geschichte, Klöster in Marburg und die Macht und Pracht der Preußen – das waren gewählte Schwerpunkte zum vorgegebenen Thema vor Ort. Was Kunst und Architektur aussagen wollen, ob sie wertneutral sein können und wie wir heute mit dem umgehen, was als Relikt aus vergangenen „Machtverhältnissen“ geblieben ist, sprach Stadträtin Dr. Kerstin Weinbach bei der Eröffnung der Veranstaltung im Historischen Saal des Rathauses an.
Das Programm in Marburg biete eine große Bandbreite an thematischen Interpretationen, so Weinbach. Und gleich zu Beginn stand das Rathaus selbst im Fokus, als „starkes bauliches Signal des unabhängigen Bürgerwillens“, wie die Stadträtin sagte. Ulrich Klein vom Institut für Bauforschung und Dokumentation referierte in einem halbstündigen Vortrag zur Historie des Gebäudes, für das 1512 der Grundstein gelegt worden war.
Die knapp 100 Besucherinnen und Besucher erfuhren, dass nicht erst in moderner Zeit Uneinigkeit in Bezug auf Bauvorhaben herrscht – vor 500 Jahren schon gab es zum Beispiel erbitterten Streit, was das Rathaus angeht. Wer das Thema vertiefen wollte, konnte sich nach dem Vortrag dem Rundgang durch das Gebäude anschließen. Es herrschte großer Andrang, ür viele war die Besichtigung der Turmuhr das „Highlight“ im wahrsten Sinn des Wortes.
Weitere Führungen gab es zu den Themen „Residenz, landgräfliche Bauten“ durch Marburgs Wahrzeichen, das Landgrafenschloss, „Kirchliche Dominanz / Klöster in Marburg – Von den Klöstern zur Universität“ und „Macht und Pracht der Preußen“, zu der beispielsweise die alte Universitätsbibliothek oder die ehemaligen Kasernen gehörten. Auf dem Weg durch die Stadt ließ sich auch ein Teil der „700 Jahre jüdische Geschichte in Marburg“ erleben; zusätzlich zur Führung hatte die Synagoge den Nachmittag über geöffnet.
„Repräsentative Bürgerhäuser“ und das Adelsarchiv waren ebenfalls ein Thema, und zum 300-jährigen Bestehen hatte das Schloss Elnhausen seine Pforten geöffnet. Dem Nobelpreisträger Emil von Behring, der mit der Entdeckung eines Diphterie-Serums als „Retter der Kinder“ weltberühmt geworden und 1895 auf eine Professur nach Marburg berufen worden war, waren zwei spezielle Familienführungen gewidmet – dieses Konzept soll laut Stadträtin Dr. Kerstin Weinbach in den kommenden Jahren ausgebaut werden.
Julia Langenberg hatte für diese Führungen jeweils einen Teil der so genannten „Behring-Route“ ausgesucht, die quer durch Marburg an den verschiedenen Stationen des Wirkens des Wissenschaftlers vorbeiführt. Die Wegstrecken sind nicht zu lang gewählt und bei der Vermittlung des Wissens setzt Julia Langenberg darauf, die Kinder aktiv mit einzubeziehen. Da waren dann beispielsweise Freiwillige gesucht, die vor der Station zum Thema „Forschung und Impfung“ in der Wannkopfstraße für eine kurze Szene in die Rollen eines an Diphterie erkrankten Kindes, der besorgten Mutter und des „Retters der Kinder“ schlüpften.
Zuvor war die zweite Tour mit 14 Erwachsenen und zehn Kindern an der Villa der Familie von Behring in der Wilhelm-Roser-Straße 2 gestartet, wo die sechs Kinder des Mediziners zur Welt kamen. Dort gab es unter anderem einen Blick in das noch original erhaltene Bad, das heutzutage hoffnungslos altmodisch erscheinen mag, zu Behrings Zeiten aber den neuesten (und längst nicht üblichen) Hygienestandards entsprach, wie Julia Langenberg erklärte. Nicht umsonst war Emil von Behring 1895 als Leiter des Hygieneinstituts nach Marburg gekommen. Der Weg führte weiter bis ans Mausoleum auf der „Elsenhöhe“, wo der berühmte Forscher 1917 beigesetzt wurde.
Angeboten wurden die Veranstaltungen von der Stadt Marburg, vom Ortskuratorium Marburg der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, von der Philipps-Universität sowie vom Institut für Bauforschung und Dokumentation und verschiedenen Referenten.