Das Wasserband in der Ketzerbach ist seit 15 Jahren Teil des Stadtbilds. Es fängt die Geschichte der Ketzerbach auf und spiegelt seine Umgebung im wahrsten Sinne des Wortes. Zugleich ist es Teil der blauen Infrastruktur in Marburg. In Fachkreisen gilt es zudem als gelungenes Beispiel für Straßenraumgestaltung.
Ende 2019 hat die Stadt einen größeren Schaden am Wasserband festgestellt. Dabei wurde klar: Über den Sommer hinweg wurden 20.000 Kubikmeter Wasser verbraucht, die unbemerkt versickert sind. Üblicherweise liegt der Verbrauch in der Saison durch natürliche Verdunstung bei 500 Kubikmetern. Der Schaden wurde repariert und die Kontrollmechanismen für den Wasserverbrauch verbessert. Aktuell ist das Wasserband - wie alle anderen Brunnenanlagen in Marburg - abgestellt. Nach der Frostperiode wird es wieder in Betrieb genommen und kann sich der Himmel im Wasserband wieder spiegeln.
Nach Berichterstattung in verschiedenen Medien hatte der Bund der Steuerzahler (BdS) Hessen im Frühjahr 2022 eine Anfrage zum Thema an die Universitätsstadt Marburg gestellt (siehe unten), um zu prüfen, ob die Stadt mit dem Wasserband Steuergeld verschwendet und es in sein sogenanntes Schwarzbuch aufgenommen wird. Dazu und zu den zahlreichen Medienanfragen im Zusammenhang mit der Reparatur des Wasserbands hat die Universitätsstadt Marburg auch schon im Sommer Stellung genommen.
Das neue Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung 2022/23“ des Bundes der Steuerzahler ist am 19. Oktober 2022 erschienen. Das Wasserband ist darin als eines von 100 Beispielen in ganz Deutschland und elf in Hessen aufgeführt.
Hier finden Sie
- die Antwort der Stadt auf die Medienanfragen anlässlich des Erscheinens des Schwarzbuches am 19. Oktober 2022
- die Stellungnahme der Stadt zur Diskussion um das Wasserband im Sommer vom 9. Juni 2022
- die Anfrage des Steuerzahlerbunds Hessen zum Wasserband vom 30. März 2022 sowie alle Antworten der Stadt Marburg an den BdS Hessen vom 17. Mai 2022
- die Nachfrage des Steuerzahlerbunds Hessen zum Wasserband sowie alle Antworten der Stadt Marburg an den BdS Hessen vom 29. Juni 2022
- die Pressemitteilung anlässlich des Abschlussberichts zur Sanierung der "Nördlichen Altstadt" von 4. Februar 2020
- den Abschlussbericht zur Sanierung "Nördlichen Altstadt" von 2019 zum Download
- den Bericht zum Wasserband als Positivbeispiel für "Schöne Straßen und Plätze" in Deutschland von 2014
- die Präsentation der Informationsveranstaltung für Marburger Bürger*innen zur Umgestaltung der Ketzerbach am 7. Juli 2005.
Antwort der Universitätsstadt Marburg auf Medienanfragen am 19. Oktober 2022:
Wir bleiben dabei: Das Wasserband selbst als Teil der blauen Infrastruktur in unserer Stadt und ein Element in der wunderbar umgestalteten Ketzerbach ist prima. Dass das Leck im Untergrund über einen Sommer lang unbemerkt blieb und viel Wasser versickert ist, ärgert uns selbst wohl am meisten. Das soll nicht wieder vorkommen. Der Steuerzahlerbund rät uns nun, den Wasserzähler engmaschiger zu kontrollieren. Danke dafür. Das tun wir schon, seit wir die Leckage 2019 entdeckt haben.
Als Stadt gehen wir bei der Erfüllung unserer Aufgaben sehr gewissenhaft mit Steuermitteln um. Und wir reagieren auf Probleme, sobald wir sie erkennen, so schnell und effizient wie möglich, um immer besser zu werden.
Dass das Wasserband nun als Negativ-Beispiel für die öffentliche Verschwendung von Steuermitteln im aktuellen Schwarzbuch aufgeführt ist, finden wir - ehrlich gesagt - etwas übertrieben.
Stellungnahme der Universitätsstadt Marburg zur aktuellen Diskussion um das Wasserband in der Ketzerbach, 9. Juni 2022:
Die Stadt Marburg geht in der Erfüllung ihrer Aufgaben und in den Planungen der Stadtentwicklung sehr gewissenhaft mit Steuermitteln um. Deshalb wird der Wasserverbrauch seit jeher kontrolliert. Nachdem es 2019 dann zu den unerwartet hohen Wasserverlusten gekommen ist, hat die Stadt Marburg neben der Reparatur sofort deutlich engmaschigere Kontrollen vorgenommen.
Die Umgestaltung der Ketzerbach mit dem Wasserband ist keine Steuerverschwendung. Die Ketzerbach ist ein wichtiger Teil der historischen Altstadt, der durch die Umgestaltung immens an Lebens- und Aufenthaltsqualität gewonnen hat. Das wird von Anwohner*innen, Tourist*innen und Gästen der Gastronomie sehr gut angenommen. Die Umgestaltung erfolgte unter breiter Beteiligung der Bürger*innen und wurde von 2007 bis 2011 umgesetzt.
Neben den üblichen und eingeplanten Wartungs- und Betriebskosten waren nun nach rund zehn Jahren größere Reparaturen notwendig, die Stand Anfang Juni rund 22.000 Euro kosteten. Insgesamt hat die Umgestaltung der gesamten Ketzerbach 2,68 Millionen Euro gekostet – darin 1,79 Millionen Euro Städtebaufördermittel. Das war eine wichtige Investition in die städtische Infrastruktur auf Grundlage breiter Bürger*innenbeteiligung und natürlich keine „Steuerverschwendung“.
Das Wasserband ist Teil der blauen Infrastruktur der Stadt. Eine gewisse Wasserverdunstung ist dabei ausdrücklich gewollt. Durch den Klimawandel wird die Hitze in der Innenstadt im Sommer nämlich mitunter unerträglich – und auch gesundheitsgefährdend für die Menschen. Das Wasserband befindet sich daher genau in einer Belüftungsschleuse der Stadt. Durch die Verdunstungskühle wird das Kleinklima an heißen Tagen somit im gesamten unmittelbaren und nachgelagerten Umfeld verbessert. Ein Gutachten vor der Umgestaltung der Ketzerbach hatte gezeigt, dass die vorher dort stehenden Bäume nicht nur Straße und Kanäle beschädigt hatten – sondern sogar die Kalt- und Frischluftzufuhr gebremst und die Temperatur in der Ketzerbach so weiter erhöht hatten. Die Stadt Marburg geht davon aus, dass es im Rahmen der Klimafolgeanpassung künftig vermehrt erforderlich ist, gezielt Flächen zu entsiegeln und mehr Versickerungsflächen und offene Wasserflächen zu schaffen.
Die Stadt Marburg hat die schadhaften Stellen des Wasserbands schnellstmöglich repariert. Das Wasser war bis zur Reparatur selbstverständlich abgestellt. Aktuell steht noch eine letzte Reparatur an der Sensorik der Nachspeisung in den Wasserkreislauf aus. Es wurden, wo technisch möglich, zusätzliche Leckage-Überwachungen installiert. Außerdem werden die Wasserverbräuche deutlich engmaschiger kontrolliert.
Unter Berücksichtigung der geleisteten Reparaturen, der Investitionen in die Ketzerbach, der eventuellen Rückzahlung der Förderungen, der Steigerung der Lebens- und Aufenthaltsqualität, der Notwendigkeit der Vermeidung von Hitze für die Gesundheit der Menschen, der Aufwertung des Stadtbilds und der Beteiligung der Bürger*innen bei der Umgestaltung ist eine neuerliche Umgestaltung unter Abriss des Wasserbands nicht zielführend.
Hier lesen Sie die Anfrage des Bundes der Steuerzahler Hessen an die Universitätsstadt Marburg und die Antworten der Stadt von Mitte Mai 2022:
"Als Bund der Steuerzahler (BdSt) Hessen vertreten wir die Anliegen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Dabei setzen wir uns gegen Steuergeldverschwendung, für den sinnvollen, effizienten Einsatz von Steuergeldern ein. Auf der anderen Seite ist uns eine maßvolle, angemessene Steuerbelastung ein Anliegen. Wir erhalten immer wieder Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern auf Verschwendung, denen wir versuchen nachzugehen. Wir legen Wert darauf, dass wir keinen Fall ungeprüft verwenden. Bevor wir entscheiden, ob bei einem Sachverhalt tatsächlich Steuergeld verschwendet wurde, versuchen wir uns ein eigenes Bild zu machen und uns auch mit den Beteiligten auszutauschen.
Vor diesem Hintergrund wenden wir uns heute an Sie, da wir Fragen zum defekten Wasserband in Marburg haben. Zu dem Projekt haben wir folgenden Kenntnisstand:
Im Jahr 2007 soll mit dem Ketzerbach-Umbau, der damalige Grünstreifen und die Bäume in der Straßenmitte entfernt und das sogenannte Wasserband gebaut worden sein.
Durch einen Defekt im Wasserband soll Wasser verloren gegangen sein. Es sollen nahezu 20 Millionen Liter Wasser im Boden versickert sein. Der Defekt soll im Herbst 2019 entdeckt worden sein, als beim Abstellen des Wassers vor dem Winter der Zählerstand kontrolliert wurde. Laut Ketzerbachgesellschaft sollen schon zwei Jahre lang Defekte im Wasserband bekannt gewesen sein und dass das Wasserband undicht sei. Das Wasserband wurde dann im Frühsommer 2020 abgeschaltet und seither nicht mehr in Betrieb genommen.
Nach einer umfassenden Überprüfung soll der Schaden dann deutlich sichtbar gewesen sein: beschädigte Dichtungen zwischen den Betonfertigteilen, viele Lecks, Schäden an Leitungen im Übergang vom Brunnen zur Straße, Schäden an den Ablaufrinnen und an den Anschlüssen der Rinnenkörper an die PVC-Grundleitung sowie teilweise Hohlräume im Pflasterunterbau.
Im April 2022 sollen alle Reparaturarbeiten abgeschlossen sein. Doch auch nach den Reparaturarbeiten soll das Wasserband weiterhin Wasser verlieren. Durch Verdunstung sollen im Schnitt von April bis November 500.000 Liter Wasser verdunsten. Die Stadt will aber weiterhin am Wasserband festhalten.
Die Kosten für die 20 Millionen Liter Wasserverbrauch sollen bei 35.000 Euro liegen, für die Reparatur 16.500 Euro.
Um uns als BdSt Hessen ein umfassendes Bild des Projektes machen zu können, bitten wir um Beantwortung folgender Fragen:
- Entspricht der geschilderte Sachverhalt den Tatsachen? Falls nicht, bitten wir um deren Richtigstellung.
Antwort Stadt Marburg: Die Ketzerbach wurde nach einem Planungs- und Beteiligungsprozess in den Jahren 2007 - 2011 im Rahmen der Städtebaulichen Sanierungsmaßnahme „Nördliche Altstadt“ umgebaut. Bis dahin war der öffentliche Raum vor allem von fließendem und ruhendem Autoverkehr dominiert. Zentral zwischen den beiden Fahrspuren war ein Parkplatz, der mit Platanen überstellt war. Die Wurzeln der Platanen hatten bereits den Straßenaufbau und die Kanalisation beschädigt.
Die Stadt hat diesen Bereich zwischen den beiden Fahrspuren zurückgebaut und deutlich schmaler gemacht. Dafür haben die Gehwege beidseitig entlang der Wohnhäuser und Geschäfte mehr Platz bekommen – mehr Platz für Fußgänger, neue Aufenthaltsbereiche sowie Fläche für die Außengastronomie der dortigen Gastronomiebetriebe, die bei entsprechendem Wetter sehr gut genutzt wird.
Damit Fußgänger*innen und Radfahrer*innen eine sichere Überquerungsmöglichkeit der beiden Fahrbahnen haben und der Mittelstreifen nicht von Fahrzeugen überfahren wird, hat die Stadt Marburg drei verschiedene Varianten zur Gestaltung des Straßenraums samt Mittelstreifens erstellt. Die Varianten wurden in einem Bürger*innenbeteiligungsprozess diskutiert, mehrheitlich wurde die Variante 3 „Boulevard“ mit Wasserband (s. Frage 3) favorisiert.
Neben dem Wasserband in der Mitte der Straße gab es natürlich auch neue Baumpflanzungen – beidseitig entlang der Gehwege. Die Bäume sorgen für Verschattung und damit Kühlung in den Sommermonaten. So entstand ein lebendiger Stadtraum mit grüner und blauer Infrastruktur, die zu einer hohen Lebens- und Aufenthaltsqualität beitragen.
Richtig ist: im Jahr 2019 gingen rund 20.000 Kubikmeter Wasser verloren. Auch die Aufzählung der Leckagestellen ist weitestgehend zu bestätigen. Die Reparaturkosten betrugen bisher rund 22.000 Euro. Die Kosten des Wasserverlustes wurden korrekt angegeben.
Es treten weiterhin deutlich geringere Verluste auf, deren Ursache noch nicht abschließend geklärt ist.
- Wann wurde das Wasserband errichtet?
Antwort Stadt Marburg: Im Juni 2005 wurde die Umgestaltung der Ketzerbach von der Stadtverordnetenversammlung der Universitätsstadt Marburg beschlossen. Die Umsetzung erfolgte in den Folgejahren.
- Weshalb wurde das Wasserband gebaut?
Antwort Stadt Marburg: Das Wasserband war Bestandteil in einer von drei Varianten zur Umgestaltung des Straßenraumes Ketzerbach (V1: „Drei Plätze“, V2: „Baumachse“ und V3: „ Boulevard“ mit Wasserband), die öffentlich in einem Bürger*innenbeteiligungsprozess sowie in Fachbeiräten intensiv diskutiert wurden. Es wurde sich für die dritte Variante „Boulevard“ mit Wasserband mehrheitlich entschieden. Im Folgenden ist die Entwurfsidee kurz beschrieben:
Der gestalterisch wie funktionale Ansatz schafft breite, von Bäumen begleitete Fußwege entlang der historischen Bausubstanz und eine skulptural definierte Mitte, welche den historischen Bezug zur Ketzerbach und die Sichtachse zur Elisabethkirche wieder herstellt sowie zugleich ein einzigartiges modernes Entree bildet. Das lineare Wasserband zeigt Reflexionen der historischen und denkmalgeschützten Gebäudesubstanz. Die Wasserachse wird zur Skulptur, zum neuen Signet der Ketzerbach, welcher unterhalb verrohrt verläuft. An drei markanten Punkten wird das Wasserband von Wegen durchschritten. Die Querungen nehmen die Gassen der Südseite auf.
Es entstehen großzügige, offene Räume mit breiten und verkehrssicheren Flanier- und Aufenthaltsbereichen und spannende Querungssituationen. Im Westen entstehen größere Freiflächen mit Gestaltungsspielräumen, die auch den Anrainern zu Gute kommen. All dies garantiert für den Wohn- und Geschäftsstandort Ketzerbach eine nachhaltige Qualitätssteigerung.
Besonders die neu aufgewertete stadtgestalterische Qualität wie auch quartiersbezogene Identifikation in Korrespondenz mit der Umfeldverbesserung der Elisabethkirche wurden sehr positiv aufgenommen. Ebenso fand die Sicherung und Weiterentwicklung des Geschäftsstandortes Ketzerbach als Bindeglied zwischen historischer Altstadt und Nordstadt Zuspruch im Bürger*innenbeteiligungsprozess. Diese Sparte wird durch die Neuorganisation der Verkehrs- und Freiflächen, u.a. die Gelegenheit zur gastronomischen Außenbestuhlung und dem Verlagern von Verkaufsofferte in den erweiterten Fußwegebereichen hinein, besonders profitieren.
Die neu gestaltete Ketzerbach bildet durch die großzügigen Räume mit Aufenthalts- und Flanierbereichen sowie Verbindungen mit der historischen Bausubstanz einen lebendigen, innerstädtischen Stadtraum mit einer hohen Aufenthalts- und Lebensqualität.
- Wie hoch waren die Kosten? Wer hat die Kosten getragen? Wie hoch waren die Fördergelder? Wie lange laufen noch etwaige Förderungen?
Antwort Stadt Marburg: Gesamtkosten: 2,68 Mio. Euro
Eingesetzte Städtebaufördermittel: ca. 2/3 von 2,68 Mio. € 1,79 Mio. Euro
Durchführungszeitraum: 2005-2012
Die eingesetzten Fördermittel haben eine Zweckbindungsfrist bis zum Jahr 2037. Es besteht derzeit keine weitere Förderung.
- Wie hoch waren die jährlichen Unterhaltskosten (den Wasserverbrauch mit eingerechnet)?
Antwort Stadt Marburg: In einem durchschnittlichen Jahr (ohne außergewöhnliche techn. Störungen oder Wasserverluste) werden für das Wasserband Ketzerbach rund 3.200 Euro für die bauliche Unterhaltung, rund 5.400 Euro für den Strombedarf und rund 900 Euro für den Wasserverbrauch verausgabt. In Summe somit rund 9.500 Euro Unterhaltskosten pro Jahr.
- Gab es kostengünstigere Alternativen? Falls ja, wieso wurden diese verworfen?
Antwort Stadt Marburg: Siehe 3.
Die anderen Varianten (V1 und V2) wurden nicht weiter verfolgt, da sie den Rahmenbedingungen, Anforderungen an die Straßenraumgestaltung und Belebung des Stadtraumes nicht in dem Maße gerecht wurden, wie es in der Variante 3 „Boulevard“ mit Wasserband vorgesehen war.
- In welchem Turnus wurde die Funktionsfähigkeit bzw. der Wasserverbrauch des Wasserbandes kontrolliert?
Antwort Stadt Marburg: Die Funktionsfähigkeit der Brunnen wird wöchentlich überprüft. Die Kontrolle des Wasserverbrauches zählte damals jedoch noch nicht zu den Routineaufgaben.
- Wieso wurde erst so spät entdeckt, dass so viel Wasser versickert ist?
Antwort Stadt Marburg: Das Wasserband in der Ketzerbach wird aus dem städtischen Trinkwassernetz gespeist und im Umwälzsystem betrieben. Das heißt, dass das Wasser in der Anlage in einem geschlossenen System fließt. Wie alle Brunnen in Marburg sind auch die dortige Wasserquelle und das Wasserband regelmäßig während der Frostperiode abgestellt (Oktober/November) und werden im Frühjahr wieder in Betrieb genommen. Das Wasserband ist regulär von April bis November in Betrieb. Pro Saison verliert das Wasserband im Schnitt rund 500 Kubikmeter Wasser auf natürliche Weise durch Verdunstung. Wie alle Brunnenanlagen in Marburg wird auch das Wasserband automatisch angesteuert. Dabei stellte sich heraus, dass rund 19.900 Kubikmeter Wasser verbraucht wurden, die unbemerkt ins Erdreich geflossen sind. Das entspricht rund 83 Kubikmetern pro Tag.
- Wenn der enorme Wasserverbrauch schon im Herbst 2019 entdeckt wurde, wieso wurde das Wasserband dennoch im Frühjahr 2020 in Betrieb genommen?
Antwort Stadt Marburg: Das Wasserband wurde außer Betrieb genommen, nachdem der Wasserverlust festgestellt worden war. Danach floss kein Wasser mehr unkontrolliert ins Erdreich. Lediglich zur Suche nach den Ursachen und für Reparaturarbeiten wurde der Brunnen kurzzeitig wieder in Betrieb genommen und anschließend wieder abgestellt.
- Wann genau wurden die ersten Schäden bekannt und wann wurde eine umfassende Untersuchung eingeleitet?
Antwort Stadt Marburg: Bereits in 2017 und in 2018 fielen gestiegene Wasserverbräuche auf. Da jedoch weder an den äußeren Wasserläufen noch in der unterirdischen Technikstation Leckagen erkennbar waren, wurde die Ursache in einer Kombination aus Vandalismus und den damaligen, extremen sommerlichen Hitzeperioden vermutet.
Erst der dramatische Verbrauchsanstieg in 2019 führte dann zu der eingehenden Ursachenermittlung.
- Vor dem Hintergrund, dass sich das Wasserband an einer viel befahrenen Straße befindet, wird die Installation von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen?
Antwort Stadt Marburg: Siehe 3.
Das Wasserband mit den gewollten Effekten der Reflexion der historischen Bausubstanz, der Sichtachse zur Elisabethkirche, der Bespielung durch die ansässigen Gewerbestrukturen sowie der Verdunstung tragen zu einem lebendigen Stadtraum bei, der von der Öffentlichkeit in seiner Funktion angenommen wird. Insgesamt hat die Umgestaltung zu mehr Raum für Gastronomie, Anwohner*innen und Fußgänger*innen geführt, der ebenfalls mit Leben gefüllt wird.
- Wurden nach dem Bekanntwerden der Schäden am Wasserband auch andere Alternativen, wie etwa der Abriss des Wasserbandes oder eine Begrünung geprüft? Falls nein, warum nicht? Falls ja, wieso wurden diese Alternativen verworfen?
Antwort Stadt Marburg: Ja, es wurde überprüft. Auf Grund der Zweckbindungsfrist der Städtebaufördermittel wurde von einer baulichen Veränderung abgesehen. Die innerstädtische Wasserfläche ist zudem eine sogenannte blaue Infrastruktur, die durch den Klimawandel verstärkt zur Klimawandelanpassung der verdichteten Innenstadtbereiche geschaffen werden muss. Die Verdunstung des Wassers ist ein gewollter Kühlungseffekt und wirkt sich positiv auf die menschliche Gesundheit gerade in den Hitzesommern aus. Wärmeinseln kann somit entgegengewirkt werden. Es wurde darüber nachgedacht, das Wasserband zu begrünen. Hierdurch würde aber nur ein geringerer Kühlungseffekt erzeugt werden können, als beim Wasserband.
Bereits bei der Planung zur Umgestaltung der Ketzerbach wurde ein Klimagutachten erstellt, welches die Ketzerbach als Kaltluftzufuhr für die Kernstadt definiert. Somit wurden die damals zentral im Straßenraum gepflanzten Platanen als Kaltluftbremsen identifiziert und neue Baumpflanzen in den Randbereichen der Ketzerbach geschaffen, um die Kaltluftzufuhr zu unterstützen und in den Bereichen für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen Schatten zu spenden. Eine Baumpflanzung im Bereich des Wasserbandes würde auch aus Platzgründen derzeit nicht möglich sein, da die Pflanzscheiben mehr Platz in Anspruch nehmen, als aktuell in der Straßenmitte zur Verfügung steht."
Der Bund der Steuerzahler Hessen hat nach Erhalt dieser Antworten weitere Nachfragen gestellt mit der Bitte um Rückmeldung bis zum 29. Juni 2022. Dabei geht um die die erneute Abschaltung wegen der ausgefallenen Sensorik, um die beim Bau verwandten Materialien, um den Anteil der Fördersumme, die auf die Einrichtung des Wasserbands entfiel, um die Frage, wie es mit dem Wasserband weitergehen soll, ob die Stadt einen Rückbau erwägt, ob die Fördersumme im diesem Fall zurückgezahlt werden müsste, was stattdessen errichtet werden sollte und zu welchen Kosten.
Hier lesen Sie die Nachfragen des Bundes der Steuerzahler Hessen an die Universitätsstadt Marburg und die Antworten der Stadt vom 29. Juni 2022:
- Nach unseren Informationen lief das Wasserband seit Mai nur für zwei Wochen. Danach wurde es wegen Problemen an der Zisterne wieder abgeschaltet. Ist das korrekt? Und wenn ja, welche Probleme gab es mit der Zisterne, die zum Abschalten des Wasserbandes geführt haben? Mit welchen Kosten sind diese Probleme verbunden?
Es ist korrekt, dass das Wasserband zwischenzeitlich außer Betrieb war. Bei der Revision der Zisterne und Nachspeiseeinrichtung wurde festgestellt, dass sich eine Elektrode der Wasserstandskontrolle gelöst hatte. Das hat die Stadt direkt vor Ort repariert. Darüber hinaus war außerdem ein Umschaltventil defekt. Diesen Defekt hat die Stadt provisorisch über eine Absperrarmatur kompensiert. Das Umschaltventil wurde bestellt. Die Lieferung steht noch aus.
Des Weiteren sind zwei elektronische Relais defekt, die für den Trockenlaufschutz der Umwälzpumpe und die automatische Nachspeisung zuständig sind. Beide Relais wurden bestellt. Die Lieferung steht ebenfalls noch aus. Der Einbau wird durch den Hochbauservice mit städtischen Mitarbeitern erfolgen. Die Kosten für den Austausch der oben genannten Teile betragen insgesamt rund 500 Euro. Diese aufgeführten Bauleistungen entsprechen dem üblichen Wartungs- und Reparaturumfang.
Der Ausfall der genannten technischen Teile wird derzeit kompensiert durch eine manuelle Nachspeisung der verdunsteten Wassermenge. Aktuell ist das Wasserband in Betrieb.
- Zu den Schäden am Wasserband, die zum Versickern der 20 Mio. Liter Wasser geführt haben: Welche Schäden wurden am Wasserband festgestellt? Ist es korrekt, dass bei der Errichtung des Wasserbandes Materialien verwendet wurden, die nicht für einen dauerhaften Betrieb mit Wasser geeignet sind (unbehandelte Metalle, die korrodieren)?
Es gab verschiedene Teilleistungen im Rahmen der Sanierung. Zum einen wurden die Fugen zwischen den Fertigteilen des Wasserbandes erneuert. Zum anderen wurden die Einlaufrinnen an den Kopfseiten der Wasserbänder ausgetauscht. Die ursprünglichen Rinnen wiesen deutliche Korrosionsspuren auf. Diese Bauteile waren nicht unbehandelt, sondern verzinkt. Der Werkstoff der neu eingebauten Rinnen wurde an die Anforderungen des Wasserbandes angepasst.
- Laut Ihrer Antwort beliefen sich Gesamtkosten zur Umgestaltung der Ketzerbach auf 2,68 Mio. Euro. Welchen Anteil daran hat die Errichtung des Wasserbandes?
Der Anteil liegt bei rund 233.000 Euro.
- Wie soll es nun mit dem Wasserband weitergehen?
(siehe 1, 2, 5) Das Wasserband ist ein Teil der blauen Infrastruktur Marburgs. Die Stadt Marburg geht davon aus, dass es im Zuge der Klimafolgenanpassung erforderlich wird, die blaue – und auch grüne - Infrastruktur der Stadt in Zukunft nicht nur zu erhalten, sondern weiter auszubauen, gezielt Flächen zu entsiegeln und mehr Versickerungsflächen und offene Wasserflächen zu schaffen. Vor diesem Hintergrund gibt es keine Überlegungen, an dem Bestehen des Wasserbands grundsätzlich etwas zu ändern.
- Erwägt die Stadt Marburg einen Rückbau des Wasserbandes? Mit welchen Kosten wäre dies verbunden? Müssen dann Fördergelder zurückgezahlt werden? Was soll stattdessen dort entstehen und zu welchen Kosten?
Die Stadt Marburg erwägt derzeit keinen Rückbau des Wasserbandes. Daher gibt es dazu auch keine möglichen Planungen oder Kostenschätzungen.
Sollte das Wasserband vor Ablauf der Zweckbindungsfrist zurückgebaut werden, müssten die Fördergelder zurückgezahlt werden.
Weiterführende Informationen und Links:
Eine zusammenfassende Information zur Sanierung der „Nördlichen Altstadt“, in deren Zusammenhang auch das Wasserband entstand, finden Sie unter Wo früher mal der Schlachthof war, gibt’s heute Kino und Kunst | Stadt Marburg.
Den Abschlussbericht zur Sanierung "Nördlichen Altstadt" hat die Stadt 2019 als gedruckte Broschüre und zum Download veröffentlicht: Städtebauliche Sanierungsmaßnahme "Nördliche Altstadt" mit Ersatz- und Ergänzungsgebiet "Schlachthof/Stockgelände" Abschlussbericht 2019 | Stadt Marburg. Das Wasserband ist auf Seite 20 unter dem Kapitel "Wohnfeldumgestaltung Ketzerbach" zu finden.
In dem Fachbuch "Schöne Straßen und Plätze: Funktion Sicherheit Gestaltung" ist die Marburger Ketzerbach mit dem Wasserband als eine von 50 "Empfehlungen für Straßenraumgestaltungen innerhalber bebauter Gebiete" in Deutschland gelistet (Harald Heinz, Schöne Straßen und Plätze, 2014, ISBN-13: 9783781218604).
Hier finden Sie die Präsentation zur Umgestaltung der Ketzerbach der Stadt Marburg bei einer Bürger-Informationsveranstaltung am 7. Juli 2005.
Auf diesem Plakat hat der Fachdienst Stadtentwicklung und Denkmalschutz der Stadt Marburg die Neugestaltung der Ketzerbach zusammengefasst.
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