„Es ist ein Experiment und für alle ganz neu“, erklärte Moderatorin Marion Breu den Besucher*innen vor Ort im Bürgerhaus in Wehrda und die weitaus mehr Teilnehmer*innen im Live-Stream. Der erste Vor-Ort-Dialog fand noch vor der Corona-Pandemie unter großem Zuspruch in Ockershausen statt. Nun ging es mit der Dialog-Reihe ins Internet. Dabei ging es um einen „Dialog auf Augenhöhe“. Bürger*innen aus Wehrda konnten alles äußern, was ihnen auf dem Herzen lag und mit Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies und Ortsvorsteher Dirk Vaupel darüber sprechen. Fragen vor Ort wurden auf Bierdeckeln gesammelt und wer online dabei war, konnte Fragen im Live-Chat schreiben oder anrufen.
„Bürger*innenbeteiligung hat für die Stadt Marburg eine ganz hohe Bedeutung“, sagte OB Spies zur Begrüßung. „Ich hoffe, Sie beteiligen sich rege – auch wenn das Format ungewohnt ist.“ Der digitale Austausch sei vielleicht auch eine Chance, dass Menschen mitmachen, die sonst nicht zu einer Veranstaltung im Bürgerhaus gekommen wären.
Gemeinschaft, Nachbarschaft und ein reges Vereinsleben machten Wehrda aus, so Spies. Das habe auch die Stadtteilbefragung ergeben. „Nachbarschaft ist ein großes Thema bei uns – das leben wir auch“, sagte der Ortsvorsteher.
ÖPNV, Verkehr und Rücksicht, E-Tankstellen, Klimaschutz, Verkehrsbelastung, Räume für die Jugend, ein Bouleplatz, das Schwimmbad in Wehrda und dessen Öffnungszeiten – die Themen, die das Publikum digital und vor Ort beschäftigte, waren sehr vielfältig. Auch Corona spielte dabei natürlich eine Rolle.
Wichtiges Thema war vielen Teilnehmenden der Zustand einiger Straßen. Vaupel wies auch darauf hin, dass die Straßen im Ortsbeirat schon seit vielen Jahren auf der Agenda seien. Für Straßenerhalt hat die Stadt in den vergangenen drei Jahren mehr als eine Million Euro in Wehrda investiert, erklärte der OB. Der Oberweg werde jetzt gemacht – ohne Anliegergebühren. „Wir müssen genau schauen, wie wir die Straßen in der gesamten Stadt gut erhalten“, so Spies. Das sei teuer. Daher werde derzeit ein Zehn-Jahres-Plan erarbeitet – abhängig von Straßenschäden und der Fairness zwischen den Stadtteilen, nach dem Prinzip des Bildungsbauprogramms BiBaP.
Der Wiederaufbau der Grillhütte ist den Menschen aus Wehrda auch ein Anliegen. Ortsvorsteher Vaupel erläuterte auf Nachfrage, die im digitalen Chat reinkam, dass sie abgebrannt war. Die Versicherung habe mittlerweile gezahlt, derzeit sei er mit dem Hochbau im Kontakt, wie die Grillhütte wieder aufgebaut werden und ob auch sanitäre Anlagen integriert können.
Viele Menschen in Wehrda wollen sich gerne beteiligen und mitmachen. Das ergab eine Haustürbefragung von Einwohner*innen in einem Wahlbezirk Wehrdas, die der OB im Livestream auch vorstellte. Beunruhigender sei das Gefühl vieler Befragten, dass die politischen Parteien die Probleme eher nicht lösen könnten. „Es ist ein sehr ernstes Zeichen, dass es da nicht so viel Vertrauen gibt. Da müssen die Parteien dran arbeiten“, so Spies. „Die Parteien müssen an der Kommunikation arbeiten und die Bürger*innen auch mehr mitnehmen. Es muss dargestellt werden, was eigentlich gemacht wurde – denn in Wehrda wurde auch viel gemacht. Es kommt nur nicht so an“, erklärte Vaupel. So könne wieder mehr Vertrauen geschaffen werden. Spies lud aber auch dazu ein, dass die Menschen sich beteiligen und mitarbeiten, die politische Arbeit selbst mitgestalten könnten.
Handlungskonzept Dialog und Vielfalt:
Die Reihe „Stadt im Gespräch“ ist ein wichtiger Baustein des Handlungskonzepts „Dialog und Vielfalt – Gegen Rassismus, Ausgrenzung und Demokratiefeindlichkeit“. Das Konzept wurde einstimmig von der Marburger Stadtverordnetenversammlung verabschiedet. Die Vorortdialoge sind ein sehr wichtiger Baustein des Konzepts. Ziel ist es, den Dialog zu stärken, miteinander ins Gespräch zu kommen, niedrigschwellig alle Interessierten einzubinden und damit auch das demokratische Gemeinwesen und das Miteinander in Marburg zu stärken.