© Stadt Marburg, Birgit Heimrich
„Langfristig denken, strategisch planen für eine koordinierte Stadtentwicklung – das ist Wolfgang Liprechts Leidenschaft und große Stärke, die er seit 36 Jahren in den Dienst der Stadt Marburg und der Einwohnerinnen und Einwohner stellt“, charakterisierte der Oberbürgermeister den Geehrten bei der Feierstunde im Historischen Saal des Rathauses. Denn in der Entwicklung einer Stadt hänge alles mit allem zusammen, jedes Teilkonzept und jede Planung habe Auswirkungen auf das große Ganze. „Dieses Verständnis hat die Arbeit von Wolfgang Liprecht geprägt“, so Spies. Und mit der Entwicklung einer Stadt sei man nie fertig, „das ist ein fortlaufender Prozess, egal, wann man geht, es ist immer irgendwie mitten drin“, sagte Wolfgang Liprecht selbst dazu vor fast 120 geladenen Gästen.
Sie alle hieß Thomas Spies zur Feierstunde willkommen – von den ehemaligen Oberbürgermeistern Dietrich Möller und Egon Vaupel, dem Bürgermeister Dr. Franz Kahle und einem seiner Vorgänger, Dr. Gerhard Pätzold, über Stadtverordnete, Vertreterinnen und Vertreter von Wirtschaft und Gewerbe, Leiterinnen und Leiter aus der Stadtverwaltung samt einigen Vorgängerinnen und Vorgängern bis zu heutigen Kolleginnen und Kollegen und nicht zuletzt zu Monika Wendt-Liprecht, der Ehefrau des Ausgezeichneten – „eine so lange Begrüßungsliste ist nicht selbstverständlich“, sagte Spies, „und sie ist bezeichnend für das Wirken und den Einfluss, die Wolfgang Liprecht auf die Entwicklung Marburgs genommen hat“.
Der Oberbürgermeister Hanno Drechsler holte Wolfgang Liprecht 1981 nach Marburg. „Ich bin sehr froh, dass er bereit war, länger zu bleiben“, sagte Thomas Spies. Ein Jahr hat Liprecht als Chef des 2005 unter seiner Leitung zusammengeführten Referats Stadt-, Regional und Wirtschaftsentwicklung nun schon verlängert. Ende Juli geht der 66-Jährige in den Ruhestand. Lang ist die Liste der Themengebiete und Schwerpunkte und noch länger die der Projekte, Konzepte und Initiativen, die er im Lauf seiner Tätigkeit für die Stadt Marburg erarbeitet, entwickelt und für den Magistrat zur Beschlussreife gebracht hat.
Als Wolfgang Liprecht nach Marburg kam, als Referent für Stadtentwicklung und Leiter des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik, gab es noch kein Schlossberg-Center und keines am Erlenring. Am Fuß der Oberstadt stand noch das Hortenkaufhaus, in Weidenhausen eine Autowerkstatt. Im Südviertel umschlossen Mauern und Natodraht die Bundeswehr, auf dem Tannenberg ebenso, beschreibt der Oberbürgermeister die Stadt vor 36 Jahren.
© Stadt Marburg, Birgit Heimrich
„Über all die Jahre hat ihn die Versorgung der Menschen mit bezahlbarem Wohnraum in der engen Stadt zwischen zwei Bergen begleitet“, sagte der Oberbürgermeister. 1982 war denn auch eines seiner ersten großen Projekte in der Stadtverwaltung die Untersuchung des Wohnungsmarktes in Marburg. Ende der 90er Jahr war die Marburger Wohnungssituation erneut Thema der Stadtentwicklung. Wolfgang Liprecht – dann in gemeinsamer Leitung des neugegründeten Amtes Stadtentwicklung und städtebauliche Planung – erarbeitete daraus eine Bevölkerungs- und Wohnraumbedarfsprognose. Der weiterhin enge Wohnungsmarkt erforderte 2014/2015 erneut ein Wohnraumversorgungskonzept, womit die Stadt die künftige Wohnungsbauplanung in Marburg steuert. „Dieses Konzept der Stadt – mit der Sozialquote für Neubauten und der Verdichtung im Bestand – ist das zukunftsweisende Resultat aus den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte“, so Liprecht.
Ein großes Thema für Marburg – und eine große Herausforderung für Wolfgang Liprecht von 1993 bis 2005 als nebenberuflicher Geschäftsführer der Stadtentwicklungsgesellschaft – war auch die Umwandlung der ehemaligen Jäger- und Tannenbergkasernen für die zivile Nutzung. „Diesen Prozess konnten wir in Marburg auch dank Wolfgang Liprecht zügiger und erfolgreicher abwickeln als viele andere Städte“, stellte der Oberbürgermeister die besondere Leistung des Geehrten heraus.
Zentral war für Wolfgang Liprecht auch stets die Entwicklung der Stadt als Wirtschaftsstandort – im Großen wie im scheinbar Kleinen. Dazu gehören das Marburger Einzelhandelskonzept von 2010/2011, im Rahmen dessen Defizite untersucht, Lösungsvorschläge erarbeitet und Richtlinien für die Entwicklung des Einzelhandels in der Kernstadt und allen Stadtteilen festgelegt wurden. Dazu gehört ebenso die Fusion der vormals einzelnen Werbekreise der Gewerbetreibenden mit dem früheren städtischen Markt- und Aktionskreis unter dem Dach des heutigen Stadtmarketings. Dazu zählen auch der Ausbau einer leistungsfähigen Breitbandversorgung für Marburg, das Zentrum für Existenzgründer, die Neuaufstellung des Regionalmanagements Mittelhessen, die Regionen Marburg Plus und Marburger Land oder die „Initiative Biotechnologie und Nanotechnologie“, die die Stadt Marburg als Plattform für die Kooperation und Interaktion von medizinisch-pharmazeutischer Wirtschaft und Wissenschaft geschaffen hat.
Apropos pharmazeutisch: Als die Spitze des Pharmakonzerns Novartis 2008 entschied, für über 200 Millionen Euro den neuen MARS-Campus in Görzhausen zu bauen, saß auch Wolfgang Liprecht für die Universitätsstadt mit am Tisch. Marburg stand damals in Konkurrenz zu Standorten in Großbritannien, Italien und den USA. An den Moment, als das Rathaus erfuhr, dass die Universitätsstadt den Zuschlag erhielt, erinnert sich Liprecht noch gut. „Das war ein großer Moment für die Stadt und eines der größten Einzelprojekte, an denen ich beteiligt war“, sagt Liprecht.
© Stadt Marburg, Birgit Heimrich
Zum Punkt Wirtschaft nicht fehlen darf das Gewerbeentwicklungskonzept für Marburg, das jüngste große Konzept aus Wolfgang Liprechts Referat, das just am Freitag in der letzten Sitzung der Stadtverordneten vor der Sommerpause verabschiedet wurde. Unter Liprechts Leitung wurden in dem Konzept alle bestehenden Gewerbeflächen dokumentiert und alle möglichen Flächen für eine künftige gewerbliche Entwicklung auch im Hinblick auf eine interkommunale Zusammenarbeit untersucht.
Ebenfalls in die letzten Monate seiner beruflichen Tätigkeit fällt die Fertigstellung und Verabschiedung des gut 400 Seiten starken Radverkehrsplans mit Leitlinien für die kommenden zehn Jahre, der Wolfgang Liprecht besonders am Herzen liegt und der „in breiter Gemeinschaftsarbeit und Beteiligung der Öffentlichkeit entstanden ist“, wie der Oberbürgermeister berichtete. Schließlich ist Liprecht selbst seit 25 Jahren Vorsitzender des Radverkehrsbeirats.
„Die Stadt Marburg hat sich in den vergangenen 36 Jahren hervorragend entwickelt“, fasste Oberbürgermeister Thomas Spies zusammen. „Diese Entwicklung hat Wolfgang Liprecht wesentlich mitgeprägt und dafür danken wir ihm“.
Auch Personalratsvorsitzender Steffen Klose, Baudirektor Jürgen Rausch sowie der Stadtmarketing-Geschäftsführer Jan-Bernd Röllmann würdigten den scheidenden Referatsleiter und dankten ihm für seine stets guten Ratschläge und die produktive Zusammenarbeit.
Wolfgang Liprecht selbst dankte ebenfalls, vor allem für die Goldene Ehrennadel, die er als gebürtiger Lübecker zwar gerne, aber mit gebotener hanseatischer Zurückhaltung annehme, wie er schmunzelnd erklärte: „Man nimmt keine Orden, sondern tut als Hanseat seine Pflicht für die Gemeinschaft“, erklärte Liprecht. Seine Dankes- und Abschiedsrede schloss Wolfgang Liprecht mit dem Aufruf: „Helfen Sie alle mit, damit sich die Stadt Marburg weiterhin gut entwickelt“.