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Bücherverbrennung in Marburg 1933
„Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen”, hatte Heinrich Heine 1823 hellseherisch in der Tragödie "Almansor" formuliert.
Wie in anderen deutschen Städten äußerte sich der Nazi-Terror auch in Marburg am 10. Mai 1933 zunächst in der Verbrennung unliebsamer Bücher. „Auch in Marburg bewegte sich gegen 10 Uhr abends ein riesiger Fackelzug durch die Straßen der Stadt nach dem Kämpfrasen, wo bereits auf den Straßen eine unzählbare Menschenmenge sich eingefunden hatte. Auf der Mitte des Kämpfrasens war ein Scheiterhaufen errichtet, auf dem die undeutschen Schriften den Flammen übergeben wurden“, schrieb die Oberhessische Zeitung am 11. Mai 1933 voll Nazi-Inbrunst.
Auch in Marburg fand, so wie in vielen anderen deutschen Städten, am Abend des 10. Mai 1933 eine „Bücherverbrennung“ statt, die von der Deutschen Studentenschaft (DSt) als Beitrag „zur deutschen Kulturrevolution“ mit dem „Ziel der Erneuerung des deutschen Geistes durch Deutschlands geistige Elite“ mit initiiert worden war.
Zur Vorbereitung der Aktion wurden an einem Gebäude der Philipps-Universität zwölf Thesen angeschlagen, in denen es u. a. hieß: „Wir fordern vom deutschen Studenten den Willen und die Fähigkeit zur Überwindung jüdischen Intellektualismus und der damit verbundenen liberalen Verfallserscheinungen im deutschen Geistesleben“ und „Wir fordern die Auslese von Studenten und Professoren nach der Sicherheit des Denkens im deutschen Geiste“.
Für den Ablauf der „Aktion wider den undeutschen Geist“ war in Marburg hauptverantwortlich der im Corps Teutonia korporierte Curt Huebner, Führer der Marburger Studentenschaft.
Ein Fackelzug von der Afföllerstraße zum Kämpfrasen wurde in den Abendstunden durchgeführt, wo der als Referent geladene NSDAP-Kader Stouevesandt den offentlichen „Widerwillen der deutschen Jugend gegen alles Fremde“ lobte und eine „Wiedergeburt der deutschen Kultur“ in Aussicht stellte. Vor einem Massenpublikum erfolgte dort dann auch die Verbrennung der Bücher.
Der Ort der Marburger Bücherverbrennung war übrigens mit Bedacht gewählt. Der Kämpfrasen war schon in der Frühen Neuzeit die Hinrichtungsstätte für Hexen und andere Menschen gewesen, die zum Tod durch Verbrennen verurteilt worden waren. In der Enge der Altstadt ließ sich diese grausame Art der amtlichen Ermordung nämlich ohne erhebliche Feuergefahr nicht durchführen. Insofern könnte man das Zitat Heinrich Heines zumindest für das Marburg von 1933 auch umdrehen: Wo Bücher verbrannt werden, da wurden auch schon Menschen verbrannt!